Erfahrungsbericht eines Sachverständigen

Erfahrungsbericht eines Sachverständigen

Erfahrungsbericht eines Sachverständigen –

Probleme mit der HUK

In meiner langjährigen Tätigkeit als freier Kfz–Sachverständiger hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Ärger sicher ist, wenn der Unfallgegner bei der HUK versichert ist. Natürlich machen andere Versicherungen ab und an bei der Abwicklung Probleme. Diese halten sich aber im Allgemeinen in Grenzen. Bei der HUK weiß man als Kfz-Sachverständiger aber von vorneherein, dass es Ärger geben wird. Darauf kann man sich verlassen.

Regelmäßig werden Schadenpositionen über Prüfberichte gekürzt, wo letztendlich die HUK nicht gewillt ist, z.B. UPE Aufschläge oder Verbringungskosten zu erstatten, obwohl sie faktisch anfallen.

Regelmäßig wird auch auf Werkstattkosten sogenannter „Referenzwerkstätten“ (diese haben in der Regel einen Rahmenvertrag mit der HUK, hier sind dann besondere Konditionen vereinbart, Prinzip billige Preise aber dafür volle Werkstatt) heruntergekürzt, so dass der Geschädigte entweder auf viel Geld verzichtet oder den rechtlichen Kampf aufnehmen muss, damit er sein Auto nicht bei Firma „Kordel und Draht“ reparieren lassen muss, weil sonst die Entschädigungssumme nicht reicht.

Lässt sich der Geschädigte auf die sogenannten Referenzwerkstätten ein, tappt er in die nächste Falle. Billig und gut schließt sich auch hier meist aus. Mir hat ein Werkstattinhaber solch einer Werkstatt im Schadennetz im Vertrauen offenbart, dass er bei solchen Aufträgen nur ca. 50% des normalen Stundenverrechnungssatzes bekommt. Er muss es zwangsläufig über die Teile kompensieren („wenn der Gutachter für 3000,- € teile kalkuliert, müssen wir für den Posten mit 2000,- € hinkommen“).

Stellen Sie sich vor, Ihr Fahrzeug ist im Leasing, finanziert oder noch in der Garantie (manchmal bis 7 Jahre, je nach Fahrzeug). Spätestens im Garantiefall oder bei der Fahrzeugrückgabe holt sie das zwangsläufig ein.

Es gibt aber durchaus noch weitere Situationen, wo Ihnen diese Praxis „auf die Füße“ fällt. Es kann ja durchaus passieren, dass ein weiterer Verkehrsteilnehmer Jahre später in Ihr Fahrzeug fährt. Bei einem eventuellen weiteren Unfallschaden soll ich dann als Sachverständiger den „reparierten“ Vorschaden als fach- und sachgerechte Instandsetzung bescheinigen, sonst geht der Geschädigte für den zweiten Schaden leer aus. Teilweise kann ich dieses aber nicht bescheinigen, weil meist offenbar nicht nach Herstellervorgaben gearbeitet wurde. Dann ist die HUK aber ganz vorne dabei, die Regulierung wegen unreparierten oder schlecht reparierten Vorschäden zu verweigern. Das Dumme dabei ist, dass der Geschädigte im Zweifel auch auf den Gutachterkosten sitzen bleibt.

Bei den Gutachterkosten kann man sich bei der HUK darauf verlassen, dass diese rechtswidrig auf das „HUK Honorartableau“ heruntergekürzt und angefallene Nebenkosten schlichtweg ignoriert werden.

Ich lasse die gekürzten Kosten (auch kleinere Beträgeregelmäßig erfolgreich einklagen.

Umso süßer ist der Triumph, wenn nach gewonnener Klage die Gerichts- und Anwaltskosten selbstverständlich zu Lasten der HUK gehen. In meinem Fall geht die Kürzungspraxis der HUK für sie selbst als großes „Brandgeschäft“ aus. Und trotzdem wieder eine Klage gerade frisch von mir gewonnen wurde, wird von der HUK trotz einschlägiger Urteile des Bundesgerichtshofs munter weiter gekürzt. Da sich offenbar zu wenige wehren, lohnt sich dieses Geschäftsmodell trotz verlorener Prozesse für die HUK augenscheinlich immer noch, auch wenn sie bei mir massiv draufzahlen.

Natürlich ist diese leider notwendige „Klagerei“ nervig und aufwändig. Die Schriftsätze der HUK (teilweise bis zu 50 Seiten) und die Gerichtsverhandlungen haben aber durchaus Unterhaltungswert. Hier kommt es für den rechtlichen Laien teilweise zu surrealen Situationen. Grundsätzlich wird von der HUK erst einmal alles angezweifelt oder mit Nichtwissen bestritten und alle nur erdenklichen juristischen Winkelzüge ausprobiert.

Ich war selbst schon bei einer Verhandlung anwesend, wo die Geschädigte trotz vorliegenden Kaufvertrag, vorliegenden Kontoauszuges zum Beweis des Geldflusses, vorliegenden Fahrzeugpapieren letztendlich als Zeugin zu den Eigentumsverhältnissen ihres eigenen Fahrzeuges (klar, nur der Eigentümer ist gegenüber der Versicherung anspruchsberechtigt) vom Richter streng befragt wurde, weil die HUK versuchte, die Eigentümerschaft in Zweifel zu stellen. Pikant an der Situation war, dass die HUK vorher schon den größten Teil der Forderungen außergerichtlich ohne diese Prüfung reguliert hatte.

Ich rate allen meinen Kunden, bei der Schadenabwicklung immer einen fähigen Fachanwalt für Verkehrsrecht von Anfang an zu beauftragen. Nur so hat man eine Chance, den rechtlich zustehenden Schadenersatz zu bekommen. Gerade die HUK kämpft hier mit harten Bandagen und ist auch für rechtliche Winkelzüge bekannt. Der Anwalt muss von der Gegenseite bei einem unverschuldeten Unfall ohnehin bezahlt werden.

Die Kunden, die diesem Ratschlag nicht folgen und auf einen Anwalt verzichten oder einen Anwalt beauftragen, dessen Kernkompetenz nicht das Verkehrsrecht ist, laufen Gefahr, dass sie keinen oder nicht den vollen Schadenersatz bekommen und im Zweifel auf den Gutachterkosten sitzen bleiben.

Bernd Bischoff

Sachverständiger für Kfz-Schäden und Bewertung (TÜV)

TÜV Rheinland Pers Cert ID 0000039974

www.kfz-gutachten-bot.de

 

 

Diesel-Abgasskandal

Diesel-Abgasskandal

Diesel-Abgasskandal

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW

 

1. Worum geht es in dem Artikel?

Im Diesel-Abgasskandal musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg mit der Frage beschäftigen, ob das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Dieselmotor EA 189 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt und somit dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die VW-AG zusteht.

 

2. Was ist passiert?

Der Kläger hatte vor dem Bekanntwerden des „Abgasskandals“ einen gebrauchten VW Tiguan bei einem Händler für 24.400 Euro gekauft. In dem Fahrzeug war der Dieselmotor EA 189 eingebaut. Etwa eineinhalb Jahre nach dem Kauf wurde ein von der VW-AG entwickeltes Software-Update aufgespielt, weil das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ohne dieses Update die Stilllegung des Fahrzeugs angeordnet hätte. Der Kläger unterlag beim Landgericht.

 

3. Wie hat das Oberlandesgericht entschieden?

Der Kläger ging sodann in Berufung vor dem Oberlandesgericht Oldenburg und hatte Erfolg damit: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat der Klage gegen die VW-AG im Wesentlichen stattgegeben.

Nach Auffassung des Berufungsgericht stellt das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit dem genannten Motor eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar, so dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die VW-AG zustehe. Daher könnte der Kläger das Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen.

Allerdings müsse er sich die sog. „Nutzungsvorteile“ anrechnen lassen. Das bedeutet, dass für jeden gefahrenen Kilometer ein Abzug erfolgt. Da der Kläger ca. 100.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt hatte, musste er sich einen Abzug von rund 9.000 Euro anrechnen lassen. Dieser „Nutzungsvorteil“ ergibt sich aus den gefahrenen Kilometern in Abhängigkeit zum Kaufpreis und der geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs, die das Oberlandesgericht im Fall des streitgegenständlichen Tiguans auf 300.000 km angesetzt hat.

 

4. Abweichende Rechtsprechung: Keine Verzinsung des Kaupfreises

Der 13. Zivilsenat vertitt -anders als der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts– die Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Verzinsung des Kaufpreises seit Vertragsschluss hat (§ 849 BGB). Denn er habe für sein gezahltes Geld bis zur Rückgabe des Fahrzeuges den Wagen ja tatsächlich täglich nutzen können. Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit sind die Kollegen aus dem Parallelsenat nicht an dieser Ansicht gebunden ist.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 21.10.2019 zum Aktenzeichen 13 U 73/19
  • Vorinstanz Landgericht Oldenburg zum Aktenzeichen 17 O 2806/18

 

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Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers 

Haftung beim Verkehrsunfall

 

1. Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Als Beifahrer kann man gegen den Fahrer grundsätzlich Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn man durch einen Fehler des Fahrers bei einem Unfall zu Schaden kommt. Doch kann der Schadenersatzanspruch gekürzt werden, wenn der Beifahrer nicht angeschnallt war? Darüber hatte das Oberlandesgericht Rostock zu entscheiden.

2. Was war passiert?

Die Klägerin war zu zwei Bekannten ins Auto gestiegen. Sie hatte sich aber nicht angeschnallt. Nach kurzer Fahrt kollidierte das vom Beklagten geführte Fahrzeug mit mehreren Straßenbäumen. Der weitere Beifahrer verstarb noch an der Unfallstelle, die Klägerin und der Beklagte erlitten schwere Verletzungen. Die Klägerin erlitt unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ist seit dem Unfall schwerbehindert. Sie benötigt eine Betreuung rund um die Uhr und besucht eine Einrichtung zur Förderung von behinderten Menschen. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro an die Klägerin.

Die Klägerin war mit dieser Zahlung unzufrieden und verlangte vom Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 320.000 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens 500,- Euro monatlich sowie den Ersatz ihres Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme festgestellt, dass die Klägerin als Beifahrerin auf der Rückbank beim Unfall nicht angeschnallt war und sie bei Anlegen des Sicherheitsgurtes einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte. Aus diesem Grund, hatte das Landgericht das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro für ausreichend erachtet und die Klage abgewiesen.

3. Was sagt das Oberlandesgericht Rostock dazu?

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Rostock kamen die Richter -der Berechnung des Mitverschuldens- jedoch zu einer anderen Entscheidung. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Mitverschulden nicht danach zu bemessen, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr habe für die Bestimmung einer Mithaftungsquote eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Da der Unfallverursacher die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25% überschritten und eine Kurve geschnitten hatte, hat sein Schuldanteil deutlich überwogen, sodass das Mitverschulden der Klägerin mit 1/3 zu bewerten war.

Das Oberlandesgericht Rostock hat in der Sache lediglich ein Grundurteil erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die geltend gemachten Ansprüche (Schmerzensgeld, monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall ab dem Unfall bis zum fiktiven Renteneintritt und weiterer Schadensersatz), zu 2/3 berechtigt sind. Das bedeutet, dass eine weitere Beweisaufnahme erfolgen muss, um die genaue Höhe der Schadenersatzansprüche – insbesondere Schmerzensgeld und Verdienstausfalls – zu berechnen.

Besteht auch ein Mitverschulden an den Unfallverletzungen eines Fahrradfahrers, wenn der Fahrradfahrer ohne Fahrradhelm fuhr? Lesen Sie hier mehr!

Schaden durch Parkservice

Schaden durch Parkservice

Schaden durch Parkservice

Hotelpersonal haftet!

1. Worum geht es in diesem Artikel?

Die Gerichte hatten sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Hotel und dessen Hotelmitarbeiter für Schäden haftet. Die Parteien stritten sich, sodass die Sache bis zum Oberlandesgericht Köln ging.

2. Was war passiert?

Der Kläger hatte seinen Toyota Auris vor dem Hotel abgestellt und den Schlüssel an der Rezeption abgegeben, damit das Fahrzeug durch den Hotel-Parkservice in die Tiefgarage des Hotels gefahren wird. Nach dem Spa-Besuch kehrte er zu dem Fahrzeug zurück und stellte fest, dass das Fahrzeug statt in der Tiefgarage in einer Parkbucht in der Nähe des Hotels stand. Aus beiden Reifen der rechten Fahrzeugseite war die Luft entwichen. Der Kläger klagte gegen das Hotel und den Hotelmitarbeiter auf Schadensersatz. Das Hotel wies jede Verantwortung für den Schaden von sich und wandte ein, dass die Reifen schon vorher beschädigt gewesen seien und der Luftverlust somit schleichend vonstatten ging.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Klage abgewiesen. Der mitverklagte Hotelmitarbeiter hatte geschildert, wie er unmittelbar nach dem Losfahren ein ungewöhnliches Abrollgeräusch und dann einen schleichenden Luftverlust an den Reifen festgestellt hat, weshalb er das Fahrzeug in der Parkbucht statt in der Tiefgarage abgestellt hatte. Der Kläger trug hier die Beweislast. Insoweit musste der Kläger beweisen, dass der Schaden durch den Hotelmitarbeiter verursacht wurde. Trotz der für den Kläger sprechenden Aussage der Ehefrau, konnte das Landgericht allerdings nicht ausschließen, dass der Schaden schon vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Hotelmitarbeiter vorgelegen habe.

3. Wie hat das Oberlandesgerichts Köln entschieden?

Das Oberlandesgericht Köln hat der Berufung stattgegeben und das Hotel und dessen Mitarbeiter zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rund 6.000 Euro verurteilt.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde festgestellt, dass die Angaben des Hotelmitarbeiters nicht der Wahrheit entsprechen konnten. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat festgestellt, dass die Reifen an zwei Stellen derart große Löcher aufwiesen, dass die Luft sofort entwichen sein musste, sodass der Schaden nicht schleichend aufgetreten sein konnte. Das Berufungsgericht zog daraus den Schluss, dass die Löcher durch einen Fahrfehler des Hotelmitarbeiters mit einer massiven Krafteinwirkung auf die Räder entstanden sind.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Haftet ein Hotelbetreiber für einen Glatteisunfall? – lesen Sie >>hier die Antwort<<.

Vorstellungsgespräch

Vorstellungsgespräch

Vorstellungsgespräch –

was darf der Chef (nicht) fragen?

1. Die meisten von uns kennen die Situation. Ein freudiger Moment – Sie wurden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Doch je näher der Termin rückt, desto mehr überkommt die anfängliche Freude ein Gefühl von Nervosität und Anspannung. Diverse Frage schwirren durch den Kopf:

„Wie soll ich mich anziehen?“

„Wie fest sollte mein Händedruck sein?“

„Wie verhalte ich mich am besten?“

„Was und wieviel gebe ich von mir Preis uns was erzähle besser nicht?“

„Und vor allem – was darf mich der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch überhaupt fragen?

Gerade hinsichtlich der letzte Frage sollten Bewerber/innen ihre Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber kennen. Denn nicht alles muss dem Arbeitgeber offenbart werden. Nicht selten haben Bewerber/innen das Recht eine Antwort zu verweigern oder sogar die Unwahrheit zu sagen. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz ist nicht ausgeschlossen.

Vorstellungsgespräch – was darf der Chef nicht fragen?

2. Grundsätzlich gilt:

a) Eine Frage des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch ist nur dann zulässig, wenn dieser an der Beantwortung ein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse hat – die Frage muss also im Zusammenhang mit dem angestrebten Arbeitsverhältnis stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die Frage grundsätzlich unzulässig. Zulässige Fragen müssen Bewerber/innen grundsätzlich wahrheitsgemäß beantworten. Bei unzulässigen Fragen darf die Beantwortung verweigert werden.

Nur wie soll man das in einem Vorstellungsgespräch umsetzen? Schließlich läuft man als Bewerber/in Gefahr, allein aufgrund der Nichtbeantwortung von Fragen, die angestrebte Stelle nicht zu bekommen.

Aus diesem Grund spricht die Rechtsprechung allen Bewerbern in solch einer Situation ein „Recht zur Lüge“ zu. Bewerber dürfen also auf unzulässige Fragen des Arbeitgebers – ohne insoweit rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen – bewusst unwahr antworten.

b) Sollte der Arbeitgeber meinen, er könne das Arbeitsverhältnis später anfechten, weil ihn der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch angelogen habe und stellt sich heraus, dass es sich bei der gestellten Frage um eine unzulässige Frage gehandelt hat, zieht er in jedem Fall den Kürzeren. Das Arbeitsverhältnis kann aus diesen Grund nicht angefochten werden.

Aber welche Fragen sind denn nun typischerweise unzulässig?

a) Schwangerschaft

Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft und/oder geplanten Schwangerschaft sind in jeder Konstellation unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um ein befristetes oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt.

b) Schwerbehinderteneigenschaft, Behinderung und Gesundheit

Fragen des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderteneigenschaft oder einer Behinderung sind regelmäßig unzulässig. Eine dahingehende Frage wird man wohl nur ausnahmsweise dann als zulässig ansehen können, wenn das Nichtvorliegen einer Behinderung wesentlich und entscheidend für die Anforderungen an die im Einzelfall angestrebte Stelle ist. Genauso verhält es sich für Fragen in Bezug auf schwere und/oder chronische Krankheiten.

d) Vermögensverhältnisse

Fragen zu den Vermögensverhältnissen sind grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gelten lediglich dann, wenn Stellen in einem Unternehmen besetzt werden sollen, die durch in besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind.

e) Vorstrafen

Die allgemeine Frage nach Vorstrafen ist unzulässig. Der künftige Arbeitgeber darf nur gezielt nach etwaigen Vorstrafen fragen, sofern dies für die zu besetzende Stelle von Bedeutung sein könnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Frage nach Verkehrsstraftaten bei Kraftfahrern. Dies wäre eine zulässige Frage. Das Gleiche gilt für gezielte Fragen nach laufenden Ermittlungsverfahren. Das Bundesarbeitsgericht hat hier entschieden, dass allein aus der grundsätzlichen Unschuldsvermutung nicht der generelle Schluss gezogen werden darf, dass einem Betroffenen aus einem laufenden Ermittlungsverfahren überhaupt keine Nachteile entstehen dürften. Bewerber/innen dürfen sich jedoch als unbestraft bezeichnen, wenn arbeitsplatzbezogene Vorstrafen im >Bundeszentralregister< (BZRG) nicht, beziehungsweise nicht mehr eingetragen oder nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen sind.

Ungefragt müssen Bewerber/innen keine Vorstrafen offenbaren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn feststeht, dass Bewerber/innen demnächst eine Freiheitstrafe anzutreten haben. Dies wäre dem Arbeitgeber auch ungefragt mitzuteilen.

f) Gewerkschaftszugehörigkeit

Auch die Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit ist grundsätzlich unzulässig.

g) Parteimitgliedschaft und Religionsgemeinschaften

Fragen nach der Mitgliedschaft in einer Partei oder Religionsgemeinschaften sind ebenfalls unzulässig. Eine Ausnahme kann bei Bewerbungen auf eine Stelle in sogenannten Tendenzbetrieben gelten.

 „Alles schön und gut, aber habe ich möglicherweise auch einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, weil ich die Stelle aufgrund der von mir beantworteten Fragen nicht bekommen habe?“

4. Schadensersatz

Ein möglicher Schadenersatzanspruch des/der Bewerbers/Bewerberin hängt entscheidend davon ab, ob Bewerber/innen aufgrund einer Antwort auf eine diskriminierende Frage im Sinne des Allgemeinen >Gleichbehandlungsgesetzes< (AGG) abgelehnt wurde.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein arbeitsrechtliches Spezialgesetz und schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen.

Von einer Benachteiligung im Sinne des AGG ist demnach auszugehen, wenn sich die Fragen des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch auf die Rasse, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion, die Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter und/oder die sexuelle Identität des Bewerbers beziehen und dieser aufgrund seiner Antwort den angestrebten Arbeitsplatz nicht bekommt.

Wenn diese Benachteiligung darüber hinaus durch keinen der in den §§ 8, 9 und 10 AGG genannten Gründe gerechtfertigt ist, liegt eine Diskriminierung von Bewerber/innen vor, die einen Schadensersatzersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG gegen den Arbeitgeber begründet.

Dies gilt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 sogar dann, wenn der Bewerber /die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Der Schadensersatzanspruch ist dann jedoch in der Höhe auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt. Es gelten jedoch Ausschlussfristen. Der Schadensersatzanspruch wegen einer Diskriminierung kann in der Regel nur innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Hinsichtlich der >Beweislastverteilung< ist zu beachten, dass betroffene Bewerber/innen zwar nicht die volle Beweislast hinsichtlich der ungerechtfertigten Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG trifft, diese/r jedoch zumindest Indizien darzulegen hat, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.

Sie haben weitere Fragen? Senden Sie mir eine Mail und ich helfe Ihnen gerne weiter!

Tino Sieland – Rechtsanwalt aus Berlin – Interessenschwerpunkt Arbeitsrecht