Bei dem Begriff „Verdienstausfall“ geht es um den Ausfall von Arbeitskraft. Dieses Thema wird regelmäßig im Rahmen von Schadensersatzansprüchen relevant. Wenn jemand seine Pflichten schuldhaft verletzt und dadurch jemandem einen Schaden zufügt, dann begründet das grundsätzlich einen Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger. Der Schädiger muss dem Geschädigten dann den entstandenen Schaden ersetzen. Er muss den Geschädigten nach dem Grundsatz der Naturalrestitution so stellen, als wäre das schädigende Ereignis nie geschehen. Bei einer Sachbeschädigung werden vor allem Kosten für die Reparatur oder die Beschaffung einer neuen Sache vom Schadensersatzanspruch erfasst. In Bezug auf Personenschäden (Körperverletzung, Gesundheitsschädigung) heißt das, dass vor allem Heilbehandlungskosten und Schmerzensgeld ersatzfähig sind. Aber es können auch Nachteile für das wirtschaftliche Fortkommen erfasst sein, zum Beispiel entgangener Arbeitslohn. Wie umfangreich der Schadensersatz ausfällt, ist vor allem in den §§ 249 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), also im Schadensrecht, geregelt.

Nicht arbeiten können – ein Schaden?

Die Arbeitskraft selbst ist nicht per se geschützt. Sie müsste auch ohne das schädigende Ereignis zumindest gewinnbringend eingesetzt worden sein können. Sonst könnte der Geschädigte unter dem Strich durch den Schaden dazuverdienen, denn er bekäme Geld, das er sonst nicht verdient haben könnte. Das darf nicht passieren, denn der Geschädigte soll nach den Grundsätzen des Schadensrechts weder besser noch schlechter stehen. Eine Besserstellung verstieße gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot. Deshalb ist eine Beeinträchtigung der Arbeitskraft nur in bestimmten Fällen ersatzfähig.

Der entgangene Gewinn

In § 252 BGB ist geregelt, was als entgangener Gewinn ersetzt werden muss:

„Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.“

Der nach den §§ 249 Abs. 1, 252 Satz 1 BGB zu ersetzende entgangene Gewinn umfasst laut Bundesgerichtshof (BGH) alle Vermögensvorteile, die zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zum Vermögen des Geschädigten gehörten, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären (Urteile vom 11. Mai 1989 und vom 20. Juli 2011). Die Regelung in § 252 BGB stellt vor allem eine Beweiserleichterung für den Geschädigten dar. Er muss nicht vollumfänglich beweisen, dass er den Gewinn tatsächlich erlangt hätte.

Voraussetzungen für den Ersatz entgangenen Gewinns

Voraussetzung für den Ersatz des entgangenen Gewinns ist zunächst, dass zumindest eine „hinreichend konkrete tatsächliche Erwerbsaussicht“ vorliegt (BGH, Urteil vom 30. Mai 2000). Eine bloße Einladung zu einem Bewerbungsgespräch reicht demnach wohl nicht aus, um einen potentiellen Verdienstausfall nach einem Verkehrsunfall geltend machen zu können. Anders sieht es aus, wenn man zwar noch nicht gearbeitet hat, aber der Werkvertrag oder Arbeitsvertrag schon abgeschlossen ist.

Außerdem muss der Erwerb legal gewesen sein. Gewinne aus Drogengeschäften oder Schwarzarbeit werden zum Beispiel nicht berücksichtigt. Gewinne, die durch Verstoß gegen die guten Sitten oder Verletzung eines gesetzlichen Verbots (das einen solchen Gewinn verhindern soll) erlangt worden sind, gehören nämlich nicht zum rechtlich geschützten Vermögensbereich (BGH, Urteil vom 30. Mai 2000).

Der Forderungsübergang („cessio legis“)

Es gibt einige gesetzliche Regelungen, die in bestimmten Fällen vorsehen, dass ein Anspruch des Geschädigten auf einen Dritten übergeht. Man spricht dabei auch vom „gesetzlichen Forderungsübergang“ oder der „cessio legis“. Das heißt für den Geschädigten, dass er gar nicht alle Schäden gegenüber dem Schädiger geltend machen kann, weil er einige Ansprüche nicht mehr hat. Grund für solche Regelungen ist vor allem, dass der Geschädigte von dem Dritten Leistungen erhält. In Bezug auf den Verdienstausfall ist hier vor allem das Entgeltfortzahlungsgesetz relevant:

§ 6 Abs. 1 des EFZG

„Kann der Arbeitnehmer […] von einem Dritten Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls beanspruchen, […] so geht dieser Anspruch insoweit auf den Arbeitgeber über, als dieser dem Arbeitnehmer nach diesem Gesetz Arbeitsentgelt fortgezahlt […] hat.“

Wenn ein Arbeitnehmer also nicht arbeiten kann, weil er von jemandem geschädigt wurde, und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer trotzdem den Lohn fortzahlen muss, kann der Arbeitgeber vom Schädiger unter bestimmten Voraussetzungen den gezahlten Betrag ersetzt verlangen. Der Geschädigte kann den Anspruch dann nicht mehr vollumfänglich einklagen. Für Selbständige oder Freiberufler gilt das logischerweise nicht.

Ähnliche Forderungsübergänge gibt es zum Beispiel für die Krankenkassen mit § 116 SGB X (Sozialgesetzbuch 10) oder für Versicherer in § 86 I des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Die sind zwar nicht besonders relevant in Bezug auf den Verdienstausfall, können aber im Hinblick auf Heilbehandlungskosten oder Kaskoversicherungen wichtig sein.

Verdienstausfall bei unerlaubten Handlungen

Neben den allgemeinen schadensrechtlichen Regelungen gibt es auch besondere Regelungen für Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung (im Deliktsrecht). Eine unerlaubte Handlung ist zum Beispiel eine vorsätzliche oder fahrlässige rechtswidrige Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Das Recht der unerlaubten Handlungen und daraus resultierende Schadensersatzansprüche sind weitestgehend in den §§ 823 ff. BGB geregelt. Es gibt daneben auch Regelungen in anderen Gesetzen, zum Beispiel im Straßenverkehrsgesetz (StVG), im Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) oder im Arzneimittelgesetz (AMG).

Sonderregelungen bei unerlaubten Handlungen

Gemäß § 842 BGB ist der Verdienstausfall vom deliktischen Schadensersatzanspruch umfasst:

„Die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung erstreckt sich auf die Nachteile, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeiführt.“

§ 843 Abs. 1 BGB präzisiert Art und Umfang des Ersatzanspruchs:

„Wird infolge einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit des Verletzten aufgehoben oder gemindert oder tritt eine Vermehrung seiner Bedürfnisse ein, so ist dem Verletzten durch Entrichtung einer Geldrente Schadensersatz zu leisten.“

Selbständige und Freiberufler

Wer unregelmäßige Einkünfte hat, der hat unter Umständen Schwierigkeiten dabei, den exakten Umfang des Verdienstausfalls nachzuweisen. Das betrifft vor allem Selbständige und Freiberufler. In der Regel wird hier an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem schädigenden Ereignis angeknüpft (BGH, Urteil vom 06. Februar 2001). Allgemeine Regeln darüber, welcher Zeitraum vor dem Unfall als Grundlage der Prognose für die künftige (hypothetische) Geschäftsentwicklung heranzuziehen ist, lassen sich dabei nicht aufstellen. Das kann von Fall zu Fall variieren.

Besonders problematisch wird es, wenn jemand gerade erst selbständig geworden ist. Bisherige Geschäftsergebnisse gibt es kaum. In der Gründungsphase gibt es außerdem regelmäßig mehr Ausgaben als Einkünfte. Kaum jemand könnte deshalb voraussagen, ob ein neu gegründetes Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich wird, oder direkt insolvent geht. Auch hier sieht die Rechtsprechung allerdings Beweiserleichterungen vor.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin