Vorstellungsgespräch –

was darf der Chef (nicht) fragen?

1. Die meisten von uns kennen die Situation. Ein freudiger Moment – Sie wurden zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Doch je näher der Termin rückt, desto mehr überkommt die anfängliche Freude ein Gefühl von Nervosität und Anspannung. Diverse Frage schwirren durch den Kopf:

„Wie soll ich mich anziehen?“

„Wie fest sollte mein Händedruck sein?“

„Wie verhalte ich mich am besten?“

„Was und wieviel gebe ich von mir Preis uns was erzähle besser nicht?“

„Und vor allem – was darf mich der Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch überhaupt fragen?

Gerade hinsichtlich der letzte Frage sollten Bewerber/innen ihre Rechte und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber kennen. Denn nicht alles muss dem Arbeitgeber offenbart werden. Nicht selten haben Bewerber/innen das Recht eine Antwort zu verweigern oder sogar die Unwahrheit zu sagen. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz ist nicht ausgeschlossen.

Vorstellungsgespräch – was darf der Chef nicht fragen?

2. Grundsätzlich gilt:

a) Eine Frage des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch ist nur dann zulässig, wenn dieser an der Beantwortung ein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse hat – die Frage muss also im Zusammenhang mit dem angestrebten Arbeitsverhältnis stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist die Frage grundsätzlich unzulässig. Zulässige Fragen müssen Bewerber/innen grundsätzlich wahrheitsgemäß beantworten. Bei unzulässigen Fragen darf die Beantwortung verweigert werden.

Nur wie soll man das in einem Vorstellungsgespräch umsetzen? Schließlich läuft man als Bewerber/in Gefahr, allein aufgrund der Nichtbeantwortung von Fragen, die angestrebte Stelle nicht zu bekommen.

Aus diesem Grund spricht die Rechtsprechung allen Bewerbern in solch einer Situation ein „Recht zur Lüge“ zu. Bewerber dürfen also auf unzulässige Fragen des Arbeitgebers – ohne insoweit rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen – bewusst unwahr antworten.

b) Sollte der Arbeitgeber meinen, er könne das Arbeitsverhältnis später anfechten, weil ihn der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch angelogen habe und stellt sich heraus, dass es sich bei der gestellten Frage um eine unzulässige Frage gehandelt hat, zieht er in jedem Fall den Kürzeren. Das Arbeitsverhältnis kann aus diesen Grund nicht angefochten werden.

Aber welche Fragen sind denn nun typischerweise unzulässig?

a) Schwangerschaft

Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft und/oder geplanten Schwangerschaft sind in jeder Konstellation unzulässig. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um ein befristetes oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis handelt.

b) Schwerbehinderteneigenschaft, Behinderung und Gesundheit

Fragen des Arbeitgebers nach einer Schwerbehinderteneigenschaft oder einer Behinderung sind regelmäßig unzulässig. Eine dahingehende Frage wird man wohl nur ausnahmsweise dann als zulässig ansehen können, wenn das Nichtvorliegen einer Behinderung wesentlich und entscheidend für die Anforderungen an die im Einzelfall angestrebte Stelle ist. Genauso verhält es sich für Fragen in Bezug auf schwere und/oder chronische Krankheiten.

d) Vermögensverhältnisse

Fragen zu den Vermögensverhältnissen sind grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gelten lediglich dann, wenn Stellen in einem Unternehmen besetzt werden sollen, die durch in besonderes Vertrauensverhältnis geprägt sind.

e) Vorstrafen

Die allgemeine Frage nach Vorstrafen ist unzulässig. Der künftige Arbeitgeber darf nur gezielt nach etwaigen Vorstrafen fragen, sofern dies für die zu besetzende Stelle von Bedeutung sein könnte. Ein Beispiel hierfür wäre die Frage nach Verkehrsstraftaten bei Kraftfahrern. Dies wäre eine zulässige Frage. Das Gleiche gilt für gezielte Fragen nach laufenden Ermittlungsverfahren. Das Bundesarbeitsgericht hat hier entschieden, dass allein aus der grundsätzlichen Unschuldsvermutung nicht der generelle Schluss gezogen werden darf, dass einem Betroffenen aus einem laufenden Ermittlungsverfahren überhaupt keine Nachteile entstehen dürften. Bewerber/innen dürfen sich jedoch als unbestraft bezeichnen, wenn arbeitsplatzbezogene Vorstrafen im >Bundeszentralregister< (BZRG) nicht, beziehungsweise nicht mehr eingetragen oder nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen sind.

Ungefragt müssen Bewerber/innen keine Vorstrafen offenbaren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn feststeht, dass Bewerber/innen demnächst eine Freiheitstrafe anzutreten haben. Dies wäre dem Arbeitgeber auch ungefragt mitzuteilen.

f) Gewerkschaftszugehörigkeit

Auch die Frage nach Gewerkschaftszugehörigkeit ist grundsätzlich unzulässig.

g) Parteimitgliedschaft und Religionsgemeinschaften

Fragen nach der Mitgliedschaft in einer Partei oder Religionsgemeinschaften sind ebenfalls unzulässig. Eine Ausnahme kann bei Bewerbungen auf eine Stelle in sogenannten Tendenzbetrieben gelten.

 „Alles schön und gut, aber habe ich möglicherweise auch einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, weil ich die Stelle aufgrund der von mir beantworteten Fragen nicht bekommen habe?“

4. Schadensersatz

Ein möglicher Schadenersatzanspruch des/der Bewerbers/Bewerberin hängt entscheidend davon ab, ob Bewerber/innen aufgrund einer Antwort auf eine diskriminierende Frage im Sinne des Allgemeinen >Gleichbehandlungsgesetzes< (AGG) abgelehnt wurde.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist ein arbeitsrechtliches Spezialgesetz und schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen.

Von einer Benachteiligung im Sinne des AGG ist demnach auszugehen, wenn sich die Fragen des Arbeitgebers im Vorstellungsgespräch auf die Rasse, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion, die Weltanschauung, eine Behinderung, das Alter und/oder die sexuelle Identität des Bewerbers beziehen und dieser aufgrund seiner Antwort den angestrebten Arbeitsplatz nicht bekommt.

Wenn diese Benachteiligung darüber hinaus durch keinen der in den §§ 8, 9 und 10 AGG genannten Gründe gerechtfertigt ist, liegt eine Diskriminierung von Bewerber/innen vor, die einen Schadensersatzersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG gegen den Arbeitgeber begründet.

Dies gilt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 sogar dann, wenn der Bewerber /die Bewerberin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Der Schadensersatzanspruch ist dann jedoch in der Höhe auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt. Es gelten jedoch Ausschlussfristen. Der Schadensersatzanspruch wegen einer Diskriminierung kann in der Regel nur innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Hinsichtlich der >Beweislastverteilung< ist zu beachten, dass betroffene Bewerber/innen zwar nicht die volle Beweislast hinsichtlich der ungerechtfertigten Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG trifft, diese/r jedoch zumindest Indizien darzulegen hat, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen.

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Tino Sieland – Rechtsanwalt aus Berlin – Interessenschwerpunkt Arbeitsrecht