Abgasskandal: OLG Koblenz verurteilt VW

Abgasskandal: OLG Koblenz verurteilt VW

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat mit Urteil vom 12. Juni 2019 die Volkswagen AG zum Schadensersatz verurteilt. Geklagt hat ein Käufer eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (ein Geschädigter des Abgasskandals).

Rechtlicher Kontext der Entscheidung

Das Urteil ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Einerseits zückt das Gericht mit der Verurteilung zur Schadensersatzzahlung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ein sehr scharfes Schwert. Andererseits richtet sich das Urteil – anders als viele andere Urteile – nicht gegen die jeweiligen Händler, sondern gegen VW selbst. Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH), das höchste deutsche Gericht in Zivilsachen, noch kein abschließendes, höchstrichterliches Urteil zu dieser Frage gefällt. Bislang gibt es nur einen Hinweisbeschluss des BGH zu der Frage, ob eine Abschalteinrichtung einen Sachmangel darstellt. Wohl auch, weil VW viel daran liegt, negative Urteile zu verhindern, und VW deshalb häufig Vergleiche mit den Klägern schließt. Das Urteil reiht sich aber in mehrere Urteile höherer Gerichte ein, die einen direkten Schadensersatzanspruch von Käufern gegen VW bejaht haben. Zuletzt haben das OLG Karlsruhe am 5. März 2019 und das OLG Köln am 3. Januar 2019 zugunsten der Käufer auf gleicher rechtlicher Grundlage einen Anspruch bejaht.

Sachverhalt: Was ist passiert?

Der Kläger kaufte am 10. Januar 2014 einen VW Sharan Gebrauchtwagen zu einem Preis von 31.490,- Euro brutto. Dieses Fahrzeug war mit einer „Schummel-Software“ ausgestattet. Die Software bewirkt, dass die Abgase des Fahrzeugs in den Motor zurückgeleitet werden, wenn eine Abgasmessung stattfindet. Dadurch werden weniger Stickoxide gemessen als bei normalem Fahrbetrieb.

Nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), das für die Fahrzeuggenehmigung zuständig ist, handelt es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Daraus folgen Probleme mit der Typengenehmigung. Das Kraftfahrt-Bundesamt kann nämlich gemäß § 25 Abs. 3 der Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) die Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen, wenn Fahrzeuge oder deren Bauteile nicht mit dem genehmigten Typen übereinstimmen.

Am 15. September 2017 forderte der Kläger deshalb VW auf, den Kaufpreis zu erstatten. Im Gegenzug bot er Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs an. Da VW darauf nicht einging, klagte er vor dem Landgericht (LG) Bad Kreuznach. Das Gericht wies die Klage ab.

Wie genau hat das OLG geurteilt?

Gegen die Klageabweisung des Landgerichts legte der Kläger Berufung ein. Diese war weitgehend erfolgreich: Das Oberlandesgericht verurteilte VW wegen eines Anspruchs aus § 826 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Verbindung mit § 31 BGB vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zur Zahlung von 25.616,10 Euro. Wer einen Blick nach oben wirft, der bemerkt, dass es sich dabei nicht um den ursprünglichen Preis von 31.490,- Euro handelt. Das liegt daran, dass sich der Kläger die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss – immerhin ist er 40.000-50.000 Kilometer mit dem Fahrzeug gefahren. Daraus folgt, dass der Kläger auch 19% der Prozesskosten tragen musste, weil er insoweit VW im Rechtsstreit unterlag. Das ergibt sich aus § 92 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Begründung des Urteils

Jeder Anspruch hat bestimmte Voraussetzungen. Bei einem Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ist es regelmäßig schwierig, alle Voraussetzungen nachzuweisen. Das liegt einerseits daran, dass den Anspruchsinhaber eine sehr umfangreiche Beweislast trifft, was die Tatsachen anbelangt. Anders als bei einem vertraglichen Schadensersatzanspruch gibt es keine Beweislastumkehr. Man spricht hierbei auch von einer der „Schwächen des Deliktsrechts“. Außerdem muss der Anspruchsinhaber auch darlegen, dass der Gegner vorsätzlich und sittenwidrig handelte. Insbesondere das stellt sich häufig als schwierig dar. Die Argumentation des Gerichts wird im Folgenden dargelegt.

Täuschung als Tathandlung

VW hat zwar nicht explizit vor dem Verkauf behauptet, dass sich im Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen befinden. Eine Täuschung liegt aber nicht nur dann vor, wenn jemand aktiv lügt. Stattdessen liegt laut BGH eine Täuschung bei jeder „Einwirkung […] auf die Vorstellung des Getäuschten [vor], die geeignet und dazu bestimmt ist, beim Adressaten der Erklärung eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie [kann] in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen [bestehen].“ Das OLG führt dazu folgerichtig aus:

„Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der [Abgasrückführung] unter bewusstem Verschweigen der (gesetzwidrigen) Softwareprogrammierung stellt eine […] Täuschung dar, da der Hersteller mit dem Inverkehrbringen konkludent die Erklärung abgibt, der Einsatz des Fahrzeugs sei im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig. […] Unerheblich bleibt [dabei], dass [VW] an dem Erwerb des hier streitgegenständlichen Fahrzeuges weder unmittelbar noch über einen Händler beteiligt war. […] Auch bei Gebrauchtwagenkäufen bilden die allgemeinen Herstellerangaben und die Typengenehmigung die Grundlage des Erwerbsgeschäftes“

Wie zur Täuschung hat das Gericht auch zur Sittenwidrigkeit eine ausführliche Argumentation dargelegt. Zunächst geht es auf die allgemeinen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit ein, danach fasst es den konkreten Sachverhalt unter diese Grundsätze:

Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter […] mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt [was hier der Fall ist] oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann.“

Zu Ziel, Mittel, Folgen und Gesinnung

„Der Beweggrund für die Verwendung der Software ist (auch) in einer von der Beklagten angestrebte Profitmaximierung zu sehen. […] Zu berücksichtigen ist auch, dass […] die Täuschung gegen […] eine große Zahl getäuschter Personen als Ziel hatte. […] Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass das Vorgehen der Beklagten systematisch erfolgte. Über Jahre hinweg wurde die Abschalteinrichtung bei mehreren Tochterunternehmen des Konzerns in diversen Fahrzeugvarianten eingesetzt. […] Die unstreitige Gesamtzahl der betroffenen Fahrzeuge zeigt die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten, das sich nicht auf ein Fehlverhalten in einer Nischentätigkeit beschränkt, sondern den Kernbereich ihres Handelns betroffen hat. […] Es liegt mithin ein rechtlich nicht erlaubtes, in großem Stil angelegtes Vorgehen der Beklagten aus reinem Gewinnstreben vor. Die Verwerflichkeit wird durch das systematische Vorgehen und den großen betroffenen Personenkreis vertieft.“

Erforderlich für einen Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB ist bedingter Schädigungsvorsatz (auch „dolus eventualis“ genannt). Das heißt, dass der Schädiger zumindest billigend in Kauf nehmen hätte müssen, dass jemand geschädigt wird. Es muss ihm also zumindest egal gewesen sein. Dazu stellt das OLG Folgendes fest:

„Die Software wurde bewusst [also vorsätzlich] in die Motorsteuerung eingebaut, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und so die Typengenehmigung zu erhalten. […] Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass eine Entdeckung der verwendeten Software dazu führen würde, dass die Betriebserlaubnis der betroffenen Fahrzeuge würde erlöschen können. Die Beklagte hat dabei das Risiko der darin liegenden Schädigung der Kunden als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen.

Zurechnung

Klar ist: Ein Unternehmen wie VW hat keine Arme und Beine. Es kann also nicht selbst handeln. Also kann es auch nicht eigenständig täuschen. Allerdings muss es sich – wie jede andere Kapitalgesellschaft auch – das Handeln und das Wissen seiner „Organe“ (Vorstand, Aufsichtsrat) zurechnen lassen. Dabei muss nicht unbedingt der Vorstand oder Aufsichtsrat Bescheid gewusst haben. Für eine Zurechnung nach § 31 BGB reicht es sogar aus, wenn einer Person davon gewusst hat, der „bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren“ (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967). Dazu gehören also auch leitende Angestellte. Das OLG geht davon aus, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung von der Verwendung wusste. Interessant ist dabei, dass der Kläger den Beweis allein über öffentlich zugängliche Quellen führte. Dementsprechend ist das sittenwidrige Verhalten auch der Volkswagen AG zurechenbar.

Kausaler Schaden

Zuletzt hat das OLG auch festgestellt, dass durch den Kauf eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung dem Kläger ein Schaden entstanden ist, der auf die Täuschung zurückgeführt werden kann. Dementsprechend ist der geschädigte Kläger so zu stellen, wie er stünde, wenn er nie getäuscht worden wäre – er kann also Schadensersatz gegen Herausgabe des Fahrzeugs verlangen, wobei ihm die gezogenen Nutzungen (40.000-50.000 km gefahren) abzuziehen sind.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Finanzierung

Finanzierung

Mit dem Begriff „Finanzierung“ beschreibt man die Beschaffung finanzieller Mittel zu einem bestimmten Zweck. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein bestimmtes Vorhaben zu finanzieren.

Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung

Eigenfinanzierung bedeutet: Man zahlt für sein Vorhaben aus eigener Tasche. Zum Beispiel spart man längere Zeit Geld, um sich ein Auto kaufen zu können. Fremdfinanzierung bedeutet: Man stellt kein eigenes Geld zur Verfügung, sondern lässt ein Vorhaben von jemand anderem finanzieren. Das heißt regelmäßig, dass man ein Darlehen bzw. Kredit aufnimmt.

Die Geldbeschaffung per Darlehen ist eine klassische Art der Fremdfinanzierung. Meistens wird ein Darlehen aufgenommen, um eine größere Anschaffung zu tätigen, also zum Beispiel um eine Wohnung oder ein Grundstück zu kaufen. Kurze Anmerkung hierzu: Oft wird vom „Hauskauf“ gesprochen. Das ist meistens falsch, denn ein Haus (Ausnahme: zu liefernde Fertighäuser) ist als Gebäude rechtlich gesehen ein Bestandteil des Grundstücks, siehe § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Begriff „Grundstückskauf“ ist also präziser, denn mit dem Kauf des Grundstücks geht das Eigentum am Haus auf den Käufer über. Für Eigentum an Wohnungen gilt das Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Das Darlehen

Der Darlehensvertrag ist in den §§ 488 ff. BGB geregelt. Bei einem Darlehen gibt es einen Darlehensnehmer und einen Darlehensgeber. Der Darlehensgeber, zum Beispiel eine Bank, stellt die benötigte Geldsumme (das Darlehen) bereit. Der Darlehensnehmer kann sich von diesem Geld zum Beispiel ein Grundstück kaufen. Im Gegenzug muss er allerdings auch eine Leistung erbringen: Er muss in regelmäßigen Abständen Raten zurückzahlen, die insgesamt einen höheren Betrag als die ursprüngliche Darlehenssumme darstellen.

Risiko: Finanzierer wollen Sicherheiten

Bei Fremdfinanzierungen gibt es praktisch immer Risiken. Eine Bank, die einen Grundstückskauf finanziert, geht zum Beispiel das Risiko ein, dass der Darlehensnehmer plötzlich zahlungsunfähig ist. Das kann ganz verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel einen Unfall, der Arbeitsunfähigkeit und somit einen Verdienstausfall zur Folge hat. Aber auch eine Bank, die einem Unternehmer Geld gibt, trägt das Risiko, dass dieses Unternehmen insolvent wird, oder dass das Unternehmen das Darlehen nicht rechtzeitig zurückzahlen kann. Deshalb lässt sich ein Finanzierer praktisch immer eine Sicherheit geben. Als Sicherheit kann zum Beispiel eine wertvolle Sache dienen, die der Finanzierer bei einem Zahlungsausfall verwerten kann.

Sicherungsmittel

Das wahrscheinlich simpelste Sicherungsmittel ist das Pfand. Wer schnell Geld braucht, kann zum Pfandleihhaus gehen, und seine Wertgegenstände verpfänden. Dafür bekommt man Geld als Darlehen ausgezahlt. Wenn man das Geld inklusive Zinsen nicht mehr zurückzahlen kann, verwertet der Pfandleiher die Gegenstände.

Das Pfand ist aber relativ unpraktisch, denn man muss die Sachen irgendwo verwahren. Banken verwenden deshalb bei der Finanzierung von Grundstückskäufen andere Sicherungsmittel. Dazu gehören vor allem Grundschuld und Hypothek. Dabei wird ein Grundstück mit einer Schuld belastet. Wenn die Forderung der Bank nicht beglichen wird, darf sich die Bank aus dem Versteigerungserlös des Grundstücks befriedigen.

Eigentum als Sicherungsmittel

Ein anderes Sicherungsmittel, das Banken verwenden, ist das Sicherungseigentum. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel neues Arbeitsgerät kauft, erhält zunächst die Bank Eigentum an dieser Sache. Tatsächlich kann die Bank nichts mit einem Kipplader oder einem Kran anfangen. Aber das Arbeitsgerät hat einen bestimmten Wert. Die Bank lässt dann den Unternehmer das Gerät weiter nutzen. Wenn der Unternehmer das Geld nicht mehr zurückzahlen kann, kann die Bank das Arbeitsgerät verkaufen. Sobald der Unternehmer das Geld abgezahlt hat, gehört das Gerät aber ihm.

Ähnlich verhält es sich mit dem Eigentumsvorbehalt. Im Falle des Eigentumsvorbehalts kommt ein Kaufvertrag zwischen einem Käufer und einem Verkäufer zustande. Der Käufer zahlt aber in Raten, und das Eigentum an der Sache geht erst auf den Käufer über, wenn er die letzte Rate bezahlt hat. Der Eigentumsvorbehalt ist in § 449 BGB gesetzlich geregelt.

Die Finanzierung von Fahrzeugen

Die Fahrzeugfinanzierung ist in Deutschland ein großer Markt. Inzwischen gibt es etliche Anbieter, die sich auf die Finanzierung von Kfz spezialisiert haben. Dazu gehören nicht nur kleine Nischenanbieter, auch große Banken haben diesen Markt für sich entdeckt, und viele Autohersteller haben sogar ihre eigene Bank gegründet. Es gibt zum Beispiel die BMW Bank, die Mercedes-Benz Bank, und die Volkswagen Bank. Diese Banken regeln inzwischen nicht nur die Fahrzeugfinanzierung, sondern bieten auch Versicherungen und andere Dienstleistungen an.

Die unterschiedlichen Anbieter bieten etliche verschiedene Finanzierungskonzepte an. Grob kann allerdings zwischen zwei Modellen unterschieden werden: „Leasing“ und „Finanzierung“.

Was ist Leasing?

Leasingverträge sind Mischverträge und können sich voneinander unterscheiden (Null-Leasing, Restwert-Leasing, Kilometer-Leasing etc.). Grundsätzlich funktioniert Leasing aber ähnlich wie ein Mietvertrag. Der Leasingnehmer zahlt nur für die Nutzung des Fahrzeugs. Für Gewerbetreibende und Freiberufler bestehen dabei regelmäßig steuerliche Vorteile. Je nach Leasingvertrag ist der Nutzer dazu verpflichtet, das Fahrzeug selbst zu reparieren, und in einem angemessenen Gebrauchszustand zu halten. Es kann auch sein, dass man daran gebunden ist, Reparaturen am Leasingfahrzeug nur bei bestimmten Vertragswerkstätten vorzunehmen. Diese Reparaturen können ein entscheidender Kostenfaktor sein.

Es gibt auch Leasingverträge mit Kaufoption. Leasingnehmer können sich dann zu Ende des Leasingvertrags dafür entscheiden, das Fahrzeug zu einem bestimmten Preis zu kaufen. Leasingverträge können sinnvoll sein, wenn ein Fahrzeug nur für eine bestimmte Zeit oder gewerblich genutzt wird. Sie sind regelmäßig günstiger als die Finanzierung eines Fahrzeugs (dazu gleich mehr). Allerdings sind Leasingverträge oft ziemlich komplex. Vor- und Nachteile abzuwägen, kann deshalb im Einzelfall schwerfallen.

Was bedeutet „Finanzierung“ bei Fahrzeugen?

Mit der „Finanzierung“ ist bei Fahrzeugen der Fahrzeugkauf auf Kredit gemeint. Das Eigentum am Fahrzeug geht erst auf den Käufer über, wenn er alle Raten abgezahlt hat (Eigentumsvorbehalt, siehe oben). Eine solche Finanzierung kann über die Bank des Fahrzeugherstellers (BMW, VW), aber auch über die Hausbank abgewickelt werden.

Sonstige Finanzierungsmodelle und -konstellationen

Was ist Factoring?

Auch das Factoring ist eine Art der Finanzierung. Beim Factoring werden Ansprüche übertragen. Ein Beispiel dazu: Eine Bank hat eine Forderung in Höhe von 50.000,- Euro gegen einen Unternehmer. Sie kann diese Forderung aber nur in Raten à 5.000,- Euro geltend machen, und braucht schnell Geld für ein großes Projekt, das sehr gewinnversprechend ist. Sie verkauft also die Forderung an ein Factor für 47.000,- Euro. Der Factor kann die Forderung dann gegenüber dem Unternehmer geltend machen. Beim echten Factoring trägt er dafür auch das Risiko des Forderungsausfalls, also das Risiko, dass der Unternehmer nicht zahlen kann oder will. Beim unechten Factoring trägt der vorherige Inhaber das Risiko des Forderungsausfalls auch noch nach der Übertragung der Forderung.

Was bedeutet Prozessfinanzierung?

Prozessfinanzierung bedeutet, dass ein Gerichtsprozess nicht vom Kläger, sondern von einem Dritten, nämlich von einem „Prozessfinanzierer“ finanziell übernommen wird. Im Gegenzug wird der Prozessfinanzierer am finanziellen Gewinn des Prozesses beteiligt. Vorab unterziehen Prozessfinanzierer den jeweiligen Fall einer juristischen Prüfung, um beurteilen zu können, ob ein Anspruch werthaltig ist. Damit sich dieser Aufwand lohnt, gibt es auch eine Mindestgrenze für den Streitwert.

Vorfinanzierung beim Unfall

Nach einem Unfall kommen auf den Schädiger, aber auch auf den Geschädigten Kosten zu. Praktisch immer hat der Schädiger eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Wer ohne Versicherung fährt, begeht eine Straftat nach § 6 Abs. 1 des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG). Zwar schützt die Haftpflichtversicherung den Schädiger vor einem Schadensersatzanspruch. Allerdings wird nach jedem Unfall die Schadensfreiheitsklasse zurückgestuft, was eine höhere Prämie zur Folge hat. Auch die Kaskoversicherung kann teurer werden. Außerdem muss der Schädiger – sofern er keine Vollkaskoversicherung hat – auch für die Schäden am eigenen Fahrzeug aufkommen.

Der Geschädigte steht auch vor einem Kostenberg. Einerseits hat er einen Anspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer. Andererseits kann ein Unfall besonders dann zur Unzeit kommen, wenn man einen finanziellen Engpass hat. Muss man also die Kosten zunächst selbst tragen, die nach einem Unfall entstehen? Zusammen mit Rechtsverfolgungs- und Gerichtskosten, Sachverständigen- und Reparaturkosten kann diese Summe nämlich in die Tausende gehen.

Vorfinanzierung durch eigene Mittel Pflicht?

Der Unfallgeschädigte hat einen Anspruch auf sofortigen Schadensersatz. Er ist deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen, oder zur Vermeidung von Folgeschäden einen Kredit aufzunehmen. Laut Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf muss er auch nicht – sofern er eine hat – zuerst die Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen, um die Reparaturkosten vorzufinanzieren. Lesen Sie dazu hier mehr. Außerdem muss er auch nicht 6 Monate lang auf sein Geld warten, wie dieses Urteil des Bundesgerichtshofs klarstellt.

Vorfinanzierung durch Rechtsanwälte

Einige Rechtsanwälte haben ihren Mandanten (Unfallgeschädigten) angeboten, bestimmte Kosten (Abschleppkosten, Sachverständigen- und Reparaturkosten) vorab zu übernehmen. Werkstätten und Sachverständige haben sich natürlich über die sofortigen Zahlungen gefreut, und dementsprechend diese Anwälte weiterempfohlen. Irgendwann kam es dann aber zu Komplikationen, und es wurde mehr Geld ausgegeben, als eingenommen wurde. Diese Methode ist illegal. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sie als Verstoß gegen die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) inzwischen untersagt. Lesen Sie dazu hier mehr.

Finanzierungskosten als Schaden

Man stelle sich vor: Herr M schafft es geradeso, sich finanziell über Wasser zu halten, und wird plötzlich in einen Unfall verwickelt. Die Versicherung weigert sich jedoch, den kompletten Schaden zu zahlen, und wartet einen Gerichtsprozess ab. Bis dahin entstehen Herrn M Kosten, die er nur zahlen könnte, wenn er ein Darlehen aufnimmt.

Grundsätzlich kann der Geschädigte solche Zinsschäden bzw. Finanzierungskosten ersetzt verlangen. Er muss dabei allerdings die Schadensminderungspflicht und das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten. Wer also geschädigt wurde, darf wegen des Unfalls nicht einfach das Girokonto überziehen, denn Dispositionskredite („Dispo“) sind sehr teuer. Stattdessen muss er gegebenenfalls die gegnerische Haftpflichtversicherung darauf hinweisen, dass er ein Darlehen aufzunehmen gedenkt (die Hinweispflicht ergibt sich aus § 254 BGB). So entschied bereits das Kammergericht (KG) Berlin mit Urteil vom 10. April 1997. Wer gegen die Schadensminderungspflicht verstößt, bleibt in der Regel auf einem Teil seiner Kosten sitzen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Vertragswerkstatt

Vertragswerkstatt

Als Vertragswerkstatt werden die Fahrzeugwerkstätten bezeichnet, die vom jeweiligen Fahrzeughersteller zur Reparatur autorisiert sind. Sie stehen mit dem Hersteller oder dessen Partnern in einer vertraglichen Geschäftsbeziehung (daher auch der Name). Die Hersteller versorgen Vertragswerkstätten mit Fachwissen und Originalersatzteilen. Der Gegenbegriff zur Vertragswerkstatt ist die „freie Werkstatt“.

Nicht nur Hersteller, sondern auch Versicherer und Leasinggeber haben vertragliche Bindungen mit Werkstätten. Auch in diesem Kontext fallen häufig die Worte „Vertragswerkstatt“ und „Werkstattbindung“.

Vor- und Nachteile

Wer ein Fahrzeug kauft, der steht spätestens bei der ersten Untersuchung oder Reparatur vor der Frage, ob er sein Fahrzeug entweder bei einer Vertragswerkstatt oder bei einer freien Werkstatt aufgibt. Es gibt Argumente für beide Arten von Werkstätten:

  • Vertragswerkstätten sind regelmäßig teurer.
  • In Vertragswerkstätten kennt man sich aber mit den Markenmodellen regelmäßig besser aus.
  • Ersatzteile sind bei Vertragswerkstätten meist sofort verfügbar.
  • Die Fahrzeuggeschichte kann bei Vertragswerkstätten oft besser dokumentiert werden.
  • Freie Werkstätten bieten dafür Dienstleistungen für alle Fahrzeugmodelle an.
  • Bei Unfallschäden kann man außerdem nur unter bestimmten Voraussetzungen die Reparatur in einer Markenwerkstatt ersetzt verlangen (dazu später mehr).

Die Werkstattbindung: Ein Problem?

Werkstattbindung bedeutet, dass man sich vertraglich dazu verpflichtet, ein Fahrzeug nur in bestimmten Werkstätten reparieren zu lassen, die vom Vertragspartner vorgegeben sind. Eine Werkstattbindung ist vor allem bei Kaskoversicherungen und Leasingverträgen üblich.

Werkstattbindung bei der Kaskoversicherung

Eine Kaskoversicherung sichert Schäden am eigenen Fahrzeug ab. Wer eine solche Versicherung haben möchte, muss einen Versicherungsvertrag abschließen. Bei einem solchen Vertrag gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. So kann man weitere Arten von Schäden absichern (Wildunfälle, Unwetterschäden) oder eine Werkstattbindung wählen.

Im Gegenzug für eine Werkstattbindung bieten Kaskoversicherer regelmäßig bestimmte Vorteile an. Häufig gibt es einen beachtlichen Preisnachlass. Daneben werden Zusatzleistungen angeboten, zum Beispiel ein kostenloser Fahrzeugtransport zur Werkstatt oder die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs im Schadensfall. Der große Nachteil ist allerdings, dass man nicht mehr selbst bestimmen kann, in welcher Werkstatt man das Fahrzeug reparieren lassen möchte. Weil es sich bei den Vertragswerkstätten der Versicherer regelmäßig um freie Werkstätten handelt, kann eine solche Bindung dann zum Problem werden, wenn man das Fahrzeug in einer Markenwerkstatt reparieren lassen möchte. Außerdem kann es sein, dass die nächste Vertragswerkstatt weiter weg ist.

Werkstattbindung beim Leasing

Der Leasingvertrag ist ein „atypischer Mietvertrag“ (siehe hierzu auch Finanzierung). Anders als bei einem normalen Mietvertrag ist der Leasingnehmer (sozusagen der „Mieter“) aber selbst verpflichtet, die Sache zu pflegen und zu reparieren. Einige Leasingverträge sehen dabei vor, dass der Leasingnehmer nur bei bestimmten Werkstätten das Fahrzeug reparieren darf. Was sich so unscheinbar anhört – immerhin hat der Leasingnehmer ja sowieso kein Eigentum an dem Fahrzeug – kann zu einem entscheidenden Kostenfaktor werden. Daher ist es ratsam, sich vor Abschluss eines Leasingvertrags zu solchen Regelungen genauer zu informieren.

Unfall: Reparaturkosten

Bei einem Verkehrsunfall haben die Unfallbeteiligten – sofern sie ein Kraftfahrzeug fahren – eine Haftpflichtversicherung. Alles andere wäre illegal. Die Haftpflichtversicherungen schützen den Schädiger vor großen Schadensersatzsummen, indem sie bei einem Unfall auf Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten leisten. Sie müssen also für den entstandenen Schaden grundsätzlich aufkommen.

Wie der Schaden behoben wird, wie also insbesondere das Fahrzeug repariert wird, ist Sache des Geschädigten. Er kann sich eigentlich die Werkstatt aussuchen. Ein Problem gibt es allerdings, wenn der Geschädigte wirtschaftlich unvernünftig handelt. Wählt er von allen örtlich verfügbaren Werkstätten die teuerste aus, dann hat er normalerweise keinen Anspruch darauf, die Reparaturkosten vollständig ersetzt zu bekommen. Er muss nämlich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot handeln und seiner Schadensminderungspflicht nachkommen. Problematisch ist hier, dass Vertragswerkstätten ziemlich teuer sind. Muss also jemand, der regelmäßig sein Fahrzeug in einer Markenwerkstatt reparieren lässt, dem Schädiger den „Gefallen“ tun, sein Fahrzeug nun in einer billigen Werkstatt reparieren zu lassen?

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Die Frage, in welchen Fällen eine Reparatur durch eine Vertragswerkstatt ersatzfähig ist, spielt in der Praxis eine große Rolle. Häufig haben Versicherer versucht, die Reparaturkosten zu vermeiden, und haben Schadensersatzansprüche der Geschädigten nicht vollständig ausgezahlt. Daher musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) als höchstes deutsches Gericht in Zivilsachen schon oft damit beschäftigen. Die wichtigsten Grundsätze dazu finden sich in einem Urteil vom 20. Oktober 2009 wieder.

Zunächst stellt der BGH fest:

„[Es] ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten, die sowohl dem Interesse des Geschädigten an einer Totalreparation als auch dem Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens angemessen Rechnung trägt. Die Zumutbarkeit für den Geschädigten, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, setzt […] jedenfalls eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur voraus. Will der Schädiger […] den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht […] auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dabei sind dem Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm […] zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen […].“

Im Urteil wird weiter ausgeführt:

Steht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es für den Geschädigten [trotzdem] unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Im Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung bestehen deshalb bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen eine (generelle) tatrichterliche Schätzung der erforderlichen Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt.“

Was, wenn das Fahrzeug älter ist als drei Jahre?

Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann […] die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. [Dieser Umstand kann] es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt […], dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – im Fall der konkreten Schadensberechnung – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt.“

Garantieverlust bei Reparatur in freier Werkstatt?

Bis vor kurzem haben etliche Autohändler regelmäßig vereinbart, dass nur dann die Garantie gilt, wenn das Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt repariert wird. Vor wenigen Jahren hat der BGH dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben, und damit die Rechte der Autokäufer deutlich gestärkt. Mit Urteil vom 25. September 2013 stellte der BGH fest, dass es sich bei dieser Garantiebedingung um eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handelt, „die wegen unangemessener Benachteiligung des [Garantienehmers] gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist“.

Wer also seinen Gebrauchtwagen mit Händlergarantie entgegen der Garantievereinbarung nicht in einer Vertragswerkstatt reparieren lässt, behält in der Regel seinen Anspruch auf Garantie. Ein ähnliches Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2011 traf zu Herstellergarantien eine ähnliche Aussage.

Lesen Sie hierzu auch:

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Unfallrekonstruktion

Unfallrekonstruktion

Nach einem Unfall herrscht zunächst Chaos: Autoteile liegen auf der Straße, der Verkehr stockt, und es besteht eine Gefahrenstelle für andere Verkehrsteilnehmer. Die Unfallbeteiligten sichern im besten Fall direkt die Unfallstelle ab, helfen – sofern es welche gibt –Verletzten, und rufen die Polizei. Dann dreht sich meist alles nur noch um eine Frage: Wer war eigentlich schuld an dem Unfall?

Dabei werden die Beteiligten häufig einen unterschiedlichen Unfallhergang beschreiben. Niemand gibt gerne eigene Fehler zu, insbesondere nicht gegenüber Fremden. Bei einem Schadensersatzprozess (der oft dem Unfall folgt) ist das auch nicht ratsam, denn wer einmal einen Fehler eingesteht – ob berechtigt oder nicht – kommt von dieser Behauptung nicht mehr so schnell weg. Und auch Zeugen machen oft widersprüchliche Angaben zu einem Unfall. Manchmal können sie zudem nicht viel zur Aufklärung beitragen, weil sie nur die Kollision gehört, aber nichts gesehen haben (Knallzeugen).

Eine Unfallrekonstruktion – die Lösung?

Aber wer beurteilt nun, wie sich ein Unfall tatsächlich abgespielt hat? Bei mehr als 2,5 Millionen Unfällen pro Jahr in Deutschland besteht ein reges Interesse daran, zuverlässige Aussagen zu dieser Frage zu bekommen. Und weil dahinter rechtlich und wirtschaftlich bedeutsame Fragen stehen, hat sich schon seit langem ein Markt für die Klärung solcher Fragen etabliert. Es gibt einen kompletten Wirtschaftszweig, der sich mit Unfallanalytik und Unfallrekonstruktion befasst.

Richter können die Frage nicht immer allein beantworten. In Zivilprozessen, bei dem Tatsachen strittig sind, kommen deshalb häufig Sachverständige zum Einsatz. Die können entweder von den beiden Parteien beauftragt oder vom Gericht bestellt werden. Es gibt Sachverständige für fast jedes Gebiet: Von der Frage, ob ein Fahrzeug ordnungsgemäß repariert wurde, bis zur Frage, ob eine Schlumpf-Sammelfigur ihren Preis wert ist, oder wann ein Bierkrug ein gefährliches Werkzeug ist. Für Unfallanalysen gibt es dementsprechend viele Sachverständige, weil es eine große Nachfrage gibt.

Wie läuft eine Unfallanalyse ab?

Fragen, die sich bei einem Unfallhergang regelmäßig stellen, sind folgende:

  • Welches Fahrzeug hat sich wie bewegt?
  • War die Beleuchtung eingeschaltet?
  • Hat einer der Beteiligten geblinkt?
  • Waren technische Mängel oder menschliches Fehlversagen die Ursache?
  • Wie schnell waren die Beteiligten unterwegs?
  • Wer hat gebremst?

Eine Unfallrekonstruktion soll auf solche Fragen die Antworten geben.

Die Grundlagen für eine Unfallrekonstruktion liefern vor allem:

  • Beschädigungen und Lackabrieb an Fahrzeugen und der Umgebung,
  • Reifenspuren und Flüssigkeiten auf der Straße,
  • die Ausbreitung von Trümmerteilen,
  • Informationen aus dem Bordcomputer und
  • die Position der Fahrzeuge zueinander.

Ist ein Rekonstruktionsgutachten sinnvoll?

Eine Unfallrekonstruktion ist kein Allheilmittel für fehlende Beweismittel. Anders als man es aus Kriminalfilmen kennt, können nicht immer alle Spuren zu einem perfekten Bild ergänzt werden. Wenn die Polizei nicht gerufen wurde, die Unfallstelle schon gereinigt ist, es keine Zeugen gibt, und keine Fotos von der Unfallstelle existieren, wird es im Gerichtsprozess immer schwierig, seinen Anspruch zu beweisen. Der Geschädigte als Kläger muss nämlich beweisen, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zusteht. Schafft er das nicht, geht er nicht nur leer aus, sondern trägt auch die Prozesskosten (Ausnahme: Rechtsschutzversicherung). Bei Unfällen mit erkennbar geringen Schäden (Bagatellschäden, z.B. 700,- Euro Lackschaden) ist es wegen der Schadensminderungspflicht unangebracht, ein teures Gutachten (ca. 1500-2000,- Euro) einzuholen, zumal sich aus kleinen Schäden oft kaum Schlussfolgerungen ableiten lassen. Außerdem kann nicht alles durch ein Rekonstruktionsgutachten ermittelt werden.

Wann muss das Gericht ein Gutachten einholen?

Zum verfassungsrechtlich verankerten rechtlichen Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)) gehört auch, dass erhebliche Beweisanträge (zu Unfallrekonstruktionsgutachten) berücksichtigt werden. So urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) am 10.04.2018. Ein Gericht darf also nicht Beweisanträge ablehnen, ohne dass es dafür eine Stütze im Zivilprozessrecht gibt. Tut es das doch, dann kann die Entscheidung des Gerichts durch Rechtsmittel (Berufung und Revision) angegriffen werden. Allerdings kann ein gerichtliches Unfallrekonstruktionsgutachten auch eine unzulässige Amtsermittlung darstellen. In diesem Fall ist es sinnlos, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ob sich ein Antrag als sinnvoll darstellt, kann ein Rechtsanwalt klären.

Wer trägt die Kosten?

Im Zivilprozess muss der Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) einen Kostenvorschuss tragen. Das gilt nicht nur für die Klageschrift, sondern auch für jede Antragsschrift (Beweisanträge). Egal, ob er das Rekonstruktionsgutachten also selbst einholt, oder durch das Gericht einholen lässt, die Kosten muss der Kläger vorstrecken. Sollte er den Prozess gewinnen, dann hat ihm der Beklagte die Prozesskosten gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu erstatten. Verliert er den Prozess, dann bleibt er auf den Kosten sitzen. Außergerichtliche Kosten (zum Beispiel außergerichtliche Gutachterkosten, Reparaturkosten, Mietwagenkosten) kann der Kläger – sofern die Kosten zur Rechtsdurchsetzung oder zur Behebung des Schadens erforderlich sind, und keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht oder das Wirtschaftlichkeitsgebot darstellen – als Teil seines Schadensersatzanspruchs geltend machen.

Lesen Sie auch:

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Werkstattrabatt

Werkstattrabatt

Ein Rabatt ist ein Preisnachlass. Der Werkstattrabatt ist dementsprechend eine Preisermäßigung auf eine Reparatur, Untersuchung oder eine sonstige Leistung, die von einer Werkstatt vorgenommen wird. Werkstätten geben – wie viele andere Unternehmer auch – häufig Rabatte, um einen Anreiz für Kunden zu schaffen, auf Angebote einzugehen. Es gibt auch Rabatte, die dazu dienen, Kunden dauerhaft an sich zu binden. Rabatte werden meist prozentual ausgewiesen („20% auf Kleidung“, „70% auf Haushaltswaren“).

Arten von Rabatten

Es gibt verschiedene Arten von Rabatten. Zu nennen sind hier insbesondere:

  • Mengenrabatt (wer mehr kauft, zahlt im Durchschnitt weniger)
  • Aktionsrabatt („Osterwochen“, „Weihnachts-Special“: Zeitlich befristet und regelmäßig auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen beschränkt)
  • Skonto (Sofortrabatt: Wer sofort zahlt, zahlt weniger)
  • Punkterabatt (zum Beispiel bei Nutzung von Payback oder Deutschlandcard)
  • Treuerabatt (Wer regelmäßig wiederkommt, oder länger Mitglied ist, zahlt weniger)
  • Naturalrabatt (zum Beispiel kostenlose Flüge für das Sammeln von Bonusmeilen, aber auch Tankgutscheine gegen Bonuspunkte)
  • Lagerräumungsrabatt („Dieser Laden schließt“, „Winterschlussverkauf“, „Alles muss raus“)

Diese Frage mag befremdlich sein. Denn klar ist: Rabatte geben eigentlich dem Kunden einen Vorteil, der sie in Anspruch nehmen kann. Aber sie können auch Nachteile für den freien Wettbewerb haben: Wenn Rabatte so lukrativ sind, dass für Kunden kein Anlass mehr besteht, zur Konkurrenz zu gehen, dann ist das wettbewerbsrechtlich problematisch. Die Konkurrenten können dann nämlich ihre Firma zu machen, und es gäbe nur noch einen Wettbewerber, der walten und schalten könnte wie er will. Unternehmen, die auf den Markt großen Einfluss haben, dürfen deshalb ihre Macht nicht dazu missbrauchen, Konkurrenten aus dem Wettbewerb zu drängen, indem sie die Märkte mit Rabatten fluten. Eine Zuwiderhandlung kann enorme Bußgelder zur Folge haben.

Regeln für besondere Berufe

Deutschland ist eine Marktwirtschaft. Grundsätzlich kann also jeder mit dem Vertragspartner die Preise so aushandeln, wie er das möchte. Grenzen sind hier eigentlich nur die guten Sitten (Wucher, § 138 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB; § 291 des Strafgesetzbuchs, StGB). Bestimmte Berufsgruppen dürfen aber grundsätzlich nicht unter einem bestimmten Grundgehalt tätig werden. Dazu gehören zum Beispiel Ärzte und Rechtsanwälte. Das hat folgenden Grund: Wenn es um gewichtige Interessen wie Gesundheit oder Rechte geht, dann soll kein „race to the bottom“ zwischen den Dienstleistern stattfinden. Ärztliche Behandlungen und Rechtsberatung sollen eine hohe Qualität behalten, und nicht zu Dumpingpreisen inflationär gehandelt werden. Rabatte können deshalb nicht gewährt werden. Regelungen dazu gibt es etwa in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Gebührenordnung für Ärzte (GoÄ).

Problem: Werkstattrabatte beim Unfall

Wer den Artikel aufmerksam gelesen hat, wird sich wundern: Warum können Werkstattrabatte problematisch sein? Es gibt etliche verschiedene Werkstätten, weswegen wahrscheinlich keine den Markt dominiert. Was den Wettbewerb angeht, wären Rabatte also weitgehend unproblematisch. Außerdem gehören Werkstätten keiner Berufsgruppe an, die an einen Mindestpreis gebunden ist. Nach dem, was oben erörtert wurde, kann die Antwort umso mehr verblüffen: Für den Kunden kann ein Werkstattrabatt problematisch werden.

Rabatte beim Unfall: Ein Bärendienst?

Um zu erklären, warum schädlich sein könnte, was doch eigentlich sehr günstig ist, muss ein kurzer Umweg durch das Schadensersatzrecht gemacht werden.

Nach einem Unfall hat der Geschädigte einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Dieser Anspruch erstreckt sich auf

Der Schädiger muss also grundsätzlich alle Kosten ersetzen, die dem Geschädigten durch das schädigende Ereignis entstehen. Allerdings setzt das Schadensersatzrecht dem Geschädigten Grenzen: Es gibt ein Bereicherungsverbot, eine Schadensminderungspflicht und ein Wirtschaftlichkeitsgebot. Der Geschädigte muss sich also vor und bei Schadensbehebung wirtschaftlich sinnvoll verhalten, wenn er alle Kosten ersetzt bekommen will. Sucht er sich also die teuerste Werkstatt, den teuersten Reparaturservice und das teuerste Ersatzfahrzeug aus, dann bleibt er auf einem großen Teil seiner Kosten sitzen.

Ausnahme: Die 130%-Grenze

In bestimmten Fällen muss der Geschädigte aber nicht den absolut wirtschaftlichsten Weg einschreiten. Er kann zum Beispiel in bestimmten Fällen die Kosten für eine teure Vertragswerkstatt geltend machen. Außerdem muss er keine günstigen Angebote des Schädigers annehmen, denn der Geschädigte ist „Herr des Restitutionsgeschehens“. Er kann sich grundsätzlich aussuchen, wie der Schaden zu beheben ist, und muss das beschädigte Fahrzeug nicht in die Hände des Schädigers geben. In einem spezifischen Fall kann sich der Geschädigte auch über eine eigentlich wirtschaftlich vernünftige Methode der Schadensbehebung hinwegsetzen: Im Rahmen der 130%-Grenze. Auch wenn Reparaturkosten und merkantiler Minderwert zusammen bis zu 130% des Wiederbeschaffungswerts des Fahrzeugs ausmachen, kann er das Fahrzeug reparieren lassen. Die Reparaturkosten muss ihm dann die gegnerische Haftpflichtversicherung komplett ersetzen.

Anrechnung des Rabatts

Der Geschädigte muss sich aber einen Werkstattrabatt anrechnen lassen. Wenn er also nur deshalb unter der 130%-Grenze bleibt, weil er sich mit einem Werkstattrabatt „künstlich“ unter die 130%-Grenze befördert, dann wird er so behandelt, als hätte er die 130%-Grenze überschritten. Das hat zur Folge, dass die Kosten nicht in einen „wirtschaftlich vernünftigen“ und einen „wirtschaftlich unvernünftigen Teil“ aufgespalten werden, und die Kosten bis zur 130%-Grenze getragen werden. Stattdessen kann der Geschädigte dann nur noch 100% des Wiederbeschaffungswerts verlangen (Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. Februar 2011)! Sonst, so der BGH, würden Anreize für unwirtschaftliche Reparaturen gesetzt werden. In diesen Fällen ist eine Reparatur mittels Werkstattrabatt also gerade nicht förderlich!

Lesen Sie hierzu auch:

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin