1. Erklärung des Begriffs Wiederbeschaffungswert

Der Begriff Wiederbeschaffungswert kann in verschiedenen Lebenssituationen zum Tragen kommen und ist ein wichtiger Rechtsbegriff. Der Wiederbeschaffungswert spielt sowohl nach einem Unfall (also im Haftpflichtfall) als auch im Kaskofall eine große Rolle. Der Wiederbeschaffungswert muss durch einen Sachverständigen ermittelt werden.

Die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes dient dazu, einer Person in einer bestimmten Situation (entweder nach einem Unfall oder nach einem Kaskofall), den Zahlungsanspruch zu ermitteln. Er ist also eine Größe, die zur Ermittlung eines Zahlungsanspruchs dient. Unter dem Wiederbeschaffungswert kann man zunächst pauschal den Betrag verstehen, den eine Person aufwenden muss, um eine beschädigte oder entwendete Sache zu erwerben. Man stellt sich also die Frage: Wie viel Geld muss der Unfallgeschädigte aufwenden, um das „gleiche“ Fahrzeug erneut erwerben zu können (Haftplichtfall)?

Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes muss unter anderem das Alter, der Abnutzungsgrad und die jeweiligen Marktumstände berücksichtigt werden. Bei Fahrzeugen können insbesondere die Ausstattung, Sonderzubehör, Laufleistung und die Unfalleigenschaft eine wert beeinflussende Rolle spielen. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Ist aufgrund der langen Nutzungsdauer oder aufgrund der Marktlage ein aktueller Betrag nicht zu ermitteln, so ist dieser auch theoretisch zu ermitteln. Bei Einzelanfertigungen wird es verständlicherweise am Markt keine vergleichbaren Objekte geben. Es ist möglich, auf Grundlage der allgemeinen Marktkenntnisse einen Wert zu bestimmen, der nach Ansicht des Sachverständigen für ein vergleichbares Fahrzeug gefordert würde, wenn es im Angebot wäre. In Einzelfällen kann für solche Einzelstücke, ausgehend von den Wiederherstellungskosten, ein theoretischer Wiederbeschaffungswert ermittelt werden.

Das Kaskorecht ist Vertragsrecht, da alle Rechte und Pflichten der Parteien vertraglich geregelt sind. Die Ansprüche eines Versicherungsnehmers bzw. die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes sind daher unter Berücksichtigung des jeweiligen Kaskovertrages zu ermitteln.

Beispiele:

a. Unfallschaden / Haftpflichtfall

Nach einem Unfallschaden wird ein Unfall-Gutachter beauftragt und ermittelt folgenden Schaden bzw. Beträge:

  • Wiederbeschaffungswert 10.000,- €
  • Reparaturkosten (brutto) 12.000,- €
  • Restwert 4.500,- €

Der Unfallgeschädigte möchte das Fahrzeug in einer Werkstatt vollständig und fachgerecht reparieren lassen. Unter den o.g. Umständen bzw. den ermittelten Werten wäre dies im Rahmen der 130%-Regelung auch problemlos möglich. Wenn der Unfallgeschädigte nun das Fahrzeug für 12.300,- € raparieren lässt, hat der gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung einen Zahlungsanspruch von 12.300,- €.

In solch einem Fall ist es jedoch gut denkbar, dass der Unfallgeschädigte entweder keinen eigenen Gutachter beauftragt oder er nicht anwaltlich vertreten bzw. schlecht beraten ist, und eine Nachbesichtigung zulässt. Erfahrungsbericht der Kanzlei Schleyer zeigen uns, dass dann das folgende Szenario eintreten könnte:

Der Gutachter der gegnerischen Haftpflichtversicherung rechnet hier nicht klein, sondern größer (nämlich die Reparaturkosten und den Restwert).

  • Wiederbeschaffungswert 9.000,- €
  • Reparaturkosten (brutto) 12.800,- €
  • Restwert 3.500,- €

Wenn man diese Werte als richtig unterstellen würde, dann würde der Zahlungsanspruch des Unfallgeschädigten plötzlich nur noch 5.500,- € betragen.

Bei der ersten Variante liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor. Da ein Fall im Rahmen der 130%-Grenze vorliegt, könnte der Unfallgeschädigte sein Fahrzeug reparieren lassen und die dafür erforderlichen Kosten verlangen, da die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht mehr als 30 % übersteigen. In solchen Fällen hat der Bundesgerichtshof das sogenannte Integritätsinteresse des Unfallgeschädigten gestärkt und dem Unfallgeschädigten eine vollständige Reparatur des beschädigten Fahrzeug zugebilligt. Das hat zur Folge, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung die Reparaturkosten vollständig bezahlen muss. Sobald die Reparaturkosten über 30% über dem Wiederbrschaffungswert liegen, hat der Unfallgeschädigte nur noch einen Anspruch auf den sogenannten Wiederbeschaffungsaufwand.

Der Wiederbeschaffungsaufwand wird ermittelt, in dem man den Restwert vom Wiederbeschaffungswert abzieht. Hier also 9.000,- minus 3.500,- = 5.500,- €.

Wenn man diese Berechnungsmethode kennt, weiß man auch, warum die Versicherungen regelmäßig ein großes Interesse daran haben, dass der Restwert so hoch wie möglich angesetzt wird. Unter dem Begriff Restwert, können Sie lesen, was richtig und vor allem wichtig für Sie ist.

b. Kaskofall – Diebstahl des Fahrzeugs

Bei Abschluss eines Kaskovertrages ist grundsätzlich auch der Diebstahl bzw. die Entwendung geregelt. In dem Kaskovertrag steht dann häufig folgende Klausel:

„Versichert ist die Entwendung, insbesondere durch Diebstahl und Raub.“

Weiter heisst es:

„Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs zahlen wir den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts des Fahrzeugs.“

Unter diesen Umständen sollte klar sein, warum die Versicherungen ein großes finanzielles Interesse daran haben, dass gewisse Beträge in einem Gutachten groß oder klein gerechnet werden. Entscheidend ist, dass am Schluss der Rechnung ein möglichst kleiner Betrag herauskommt und die Versicherung Geld spart bzw. sich am Kunden bereichert.

2. Definition des Begriffs Wiederbeschaffungswert

Der Begriff „Wiederbeschaffungswert“ ist gesetzlich nicht definiert.

Der Begriff wird jedoch in den Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) erwähnt und definiert. Dort steht unter Punkt A.2.6.6 unter anderem

Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den Sie für den Kauf eines gleichwertigen gebrauchten Fahrzeugs am Tag des Schadenereignisses bezahlen müssen.

3. Tricks der Versicherungen

Die Versicherungen versuchen oft, an der Stellschraube des „Wiederbeschaffungswertes“ zu drehen. Natürlich immer zu Gunsten der Versicherungen. Da der Wiederbeschaffungswert eine notwendige Größe darstellt, um einen Zahlungsanspruch des Geschädigten bzw. des Versicherungsnehmers zu ermitteln, ist es ein beliebtes Mittel, genau diese Größe/Betrag anzugreifen. Je nach Einzelfall, wird der Wiederberschaffungswert entweder klein oder groß gerechnet. Dies erfolgt meistens im Rahmen einer Nachbesichtigung oder durch zweifelhafte Prüfberichte. Es kommt wohl auch oft vor, dass sogenannte „Vergleichsfahrzeuge“ herangezogen werden, die vom streitgegenständlichen Fahrzeug an vielen Punkten abweichen, ohne dass es der Unfallgeschädigte bzw. Versicherungsnehmer merkt.Die Beträge fallen dann entsprechend niedrig aus.

Wenn es der Versicherung gelingt, ihren hauseigenen Gutachter rechnen zu lassen, dann ist das Kind meistens in den Brunnen gefallen, da viele Unfallgeschädigte oder Versicherungsnehmer entweder nicht wissen, dass sie eventuell an der Nase herumgeführt wurden oder Angst haben, den Differenzbetrag einzuklagen.

4. Tipps zum Thema Wiederbeschaffungswert

Der Wiederbeschaffungswert ist eine beliebte „Stellschraube“ der Versicherungen, da mit hier viel Geld gespart werden kann. Durch die Unwissenheit der Unfallgeschädigten bzw. der Versicherungsnehmer, können jährlich viele Millionen Euro unberechtigt gekürzt werden. Da das Thema rund um den Wiederbeschaffunsgwert kompliziert und umfangreich ist, kann Ihnen nur ein Auszug anhand von einigen Beispielen dargestellt werden. Die Aufzählungen und Beispiele sind nicht abschließend. Wenn Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte an die Kanzlei Schleyer.

Auch hier muss zwischen dem Unfallschaden(Haftpflichtfall) und dem Kaskofall (Kaskovertrag) unterschieden werden:

a. Unfall – Haftpflichtfall

Zunächst sollten Sie wissen, dass Sie sich auf die Ermittlungen Ihres Gutachters verlassen dürfen. Nach ständiger Rechtsprechung, ist der beauftragte Gutachter nicht der Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten. Das bedeutet für Sie als Unfallgeschädigten, sollte der Gutachter einen Fehler machen, dann darf dies nicht zu Ihren Lasten gehen.

Auch wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten deutlich über dem Wiederbeschaffungswert, aber noch innerhalb der 130-Prozent-Grenze liegen, geht es zu Lasten der gegnerischen Haftpflichtversicherung, wenn der vom Unfallgeschädigten eingeschaltete Gutachter den Wiederbeschaffungswert zu hoch angesetzt hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Unfallgeschädigte den Gutachter falsch ausgewählt hat, bei einer falschen Information des Gutachters oder bei einer erkennbar falschen Wertermittlung (dies kommt wohl so gut wie nie vor, da es nicht von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu beweisen ist). Dies hat das Oberlandesgericht Schleswig bereits rechtskräftig entschieden (Urteil vom 08.1.15). Wenn der Unfallgeschädigte also auf das ihm vorliegende Gutachten vertraut und das beschädigte Fahrzeug reparieren lässt, dann geht das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers. Im Fall eines Unfalls also zu Lasten der gegnerischen Versicherung. Dies ist selbst dann der Fall, wenn sich in einem späteren Rechtsstreit herausstellen sollte, dass die ursprüngliche Berechnung des beauftragten Gutachters falsch waren. Das Oberlandesgericht Schleswig hat dazu mit Urteil vom 08.01.2015 unter anderem Folgendes festgestellt:

„Die Beurteilung, ob die 130%-Grenze überschritten ist, ist auch der ex ante-Sicht des geschädigten vorzunehmen. Das Prognoserisiko trägt der Schädiger. Es realisiert sich dann, wenn die Reparaturkosten sich im Verlaufe der Reparatur unerwartet erhöhen, so dass aus diesem Grunde die 130%-Grenze überschritten wird. Das stellt die Beklagte nicht in Abrede.“

Infolgedessen geht eine falsche Bewertung des beauftragten Gutachters –also das sogenannte Prognoserisiko– zu Lasten der gegnerischen Versicherung, es sei denn, den Unfallgeschädigt trifftein Mitverschulden bzw. ein gänzlich untypisches Verhalten, das den Zurechnungszusammenhang unterbricht. Aber dies muss die gegnersiche Versicherung konkret vortragen und beweisen.

Das Gutachten des beauftragten Gutachters ist aber nicht das Maß aller Dinge. Gelingt es dem Unfallgeschädigten, sein Fahrzeug unter Verwendung von Gebrauchtteilen fachgerecht und vollständig instand setzen zu lassen, hat die gegnerische Haftpflichtversicherung die konkret angefallenen Reparaturkosten auch dann zu ersetzen, wenn sie zwischen 100 und 130 Prozent des Wiederbeschaffungswerts liegen, selbst wenn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige die voraussichtlichen Reparaturkosten auf einen Betrag oberhalb der 130-Prozent-Grenze geschätzt hat. Dies hat das Amtsgericht Marburg entschieden (Urteil vom 16.12.14).

Nach einem unverschuldeten Unfall sollten Sie unbedingt einen unabhängigen Gutachter sowie einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens beauftragen. Sollten Sie den Unfall nicht schuldhaft verursacht haben, dann müssen Ihnen grundsätzlich alle Schäden erstattet werden, die unfallbedingt eingetreten sind. Dazu zählen auch die Gutachter- und Rechtsanwaltskosten. Grundsätzlich rechnen der Gutachter und der Rechtsanwalt direkt mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung ab, ohne dass Sie etwas veranlassen müssen.

Einen großen Streitpunkt im Haftpflichtfall stellt die Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Mehrwertsteuer dar. Dieses Problem kann nicht pauschal beantwortet werden. Hier gilt, dass der Einzelfall betrachtet und bewertet werden muss. Im Haftpflichtfall sind unter anderem folgende Konstellationen denkbar:

(1) Der Unfallgeschädigte ist eine Privatperson und nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigt

Zunächst muss der Gutachter ermitteln, wie ein Fahrzeug wie das Beschädigte am Markt als Gebrauchtfahrzeug überwiegend angeboten wird. Dabei hat er sich an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird zu orientieren.

Kommt er zu dem Ergebnis, dass es nur „regelbesteuert“ angeboten wird, kann die Versicherung die volle Mehrwertsteuer aus dem Wiederbeschaffungswert (WBW) herausrechnen. Dies gilt auch, wenn der Unfallgeschädigte „nur“ fiktiv abrechnen möchte. Dazu hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.05.2006 unter anderem Folgendes festgestellt:

„Will der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist von einem dort angegebenen Brutto-Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen. Hierfür hat der Tatrichter zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden. Dabei ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung im Sinne des § 287 ZPO an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientiert, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird.[…] Verzichtet jedoch der Geschädigte – wie im Streitfall – auf eine Ersatzbeschaffung und fällt tatsächlich keine Umsatzsteuer an, dann ist eine solche im Rahmen einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nach der gesetzlichen Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht ersatzfähig, weil diese Vorschrift insoweit die Dispositionsfreiheit begrenzt (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/7752 S. 23). Der Rechtsstandpunkt der Revision hätte im Ergebnis zur Folge, dass auch ein Abzug eines 2%igen Umsatzsteueranteils bei überwiegender Differenzbesteuerung zu unterbleiben hätte, wenn die Möglichkeit bestünde, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Fahrzeug umsatzsteuerfrei von Privat erwirbt. Da diese Möglichkeit, mag sie im Einzelfall auch noch so gering sein, theoretisch immer besteht, wäre der Anwendbarkeit der gesetzlichen Neuregelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der fiktiven Schadensabrechnung die Grundlage entzogen. Steht mit der für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Wahrscheinlichkeit fest, dass ein Ersatzfahrzeug auf dem Gebrauchtwagenmarkt überwiegend regelbesteuert erworben werden kann, beschränkt sich der bei der fiktiven Schadensabrechnung vorzunehmende Abzug der Umsatzsteuer auch nicht – wie die Revision hilfsweise meint – auf einen Mittelwert aus dem Marktanteil der Regel- und dem der Differenzbesteuerung (vgl. Huber,NZV 2004, 105).“

Wichtig:

Wird so ein Fahrzeug jedoch überwiegend am Privatmarkt angeboten, stellt sich die Frage nach der Mehrwertsteuer gar nicht mehr, mit der Folge, dass die Mehrwertsteuer dann überhaupt keine Rolle spielt. Dies ist oft bei Fahrzeugen der Fall, die älter als 3-5 Jahre sind.

Sollte entweder die Variante regelbesteuert oder differenzbesteuert vorliegen, kommt es weiterhin darauf an, ob der Geschädigte eine Ersatzbeschaffung nachweist. Tut er dies und gibt er mindestens so viel aus, wie der Brutto-Wiederbeschaffungswert des beschädigten Fahrzeugs beträgt, kann er durch Vorlage einer Rechnung den vollen Mehrwertsteuerbetrag abrechnen.

Der Bundesgerichtshof hat auch entschieden, dass dem Geschädigten dann kein Mehrwertsteueranteil abgezogen werden darf. Es kommt dann im Ergebnis gar nicht darauf an, ob der Unfallgeschädigte ein Fahrzeug mit ausgewiesener Mehrwertsteuer kauft oder nicht (Urteil vom 1.3.2005).

Problematisch ist es allerdings, wenn der Geschädigte ein Fahrzeug kauft, dessen Brutto- oder Neutralkaufpreis unterhalb des Wiederbeschaffungswertes des beschädigten Fahrzeugs liegt. Nun muss er sich entscheiden, ob er konkret oder fiktiv abrechnen möchte. Was richtig ist, hängt vom Einzelfall ab.

(2) Der Unfallgeschädigte ist zum Abzug der Vorsteuer berechtigt

Ist der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt, hängt der Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer auch davon ab, wie alt das beschädigte Fahrzeug ist:

Fährt der geschädigte Kunde ein junges Fahrzeug, das in die Kategorie „als Gebrauchtwagen typischerweise regelbesteuert angeboten“ fällt, stellen sich die Probleme nicht. Der Wiederbeschaffungswert ist nur netto zu erstatten. Denn, wenn sich der Geschädigte so ein Fahrzeug wiederbeschafft, bekommt er die in der Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer vom Fiskus erstattet. Die Mehrwertsteuer ist also unter Schadengesichtspunkten neutral.

Nicht jeder Unternehmer fährt ein junges Fahrzeug. So kommt es immer wieder vor, dass der Kunde zwar zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, beim Unfall aber ein Fahrzeug beschädigt wurde, das so alt ist, dass es nicht mehr zum typischen Gebrauchtwagenbestand des Fahrzeughandels gehört. In solchen Fällen ist der Wiederbeschaffungswert als steuerneutral einzustufen oder als typischerweise differenzbesteuert.

Beachte:

Hat der Gutachter den Wiederbeschaffungswert zu Recht als steuerneutral eingestuft, weil solche Fahrzeuge typischerweise nur noch am Privatmarkt gehandelt werden, muss der Wiederbeschaffungswert auch dann als steuerneutral behandelt werden, wenn der Geschädigte ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist (Landgericht Ulm, Urteil vom 19.6.2013 und Landgericht Kaiserslautern (Urteil vom 14.6.2013).

b. Kaskofall (Kaskovertrag)

Auch im Kaskofall kann es zu Problemen kommen. Oft wird bestritten, dass ein Versicherungsfall überhaupt eingetreten ist oder die Versicherung rechnet den Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers klein. Dies ist im Kaskobereich noch einfacher, da die Kaskoversicherung zum Beispiel im Fall eines Diebstahls des kaskoversicherten Fahrzeugs berechtigt ist, einen hauseigenen Gutachter zu beauftragen. Es kommt häufig vor, dass die Versicherungsnehmer mit dem Ergebnis der Bewertung bzw. des Gutachters (der Kaskoversicherung) nicht zufrieden sind. In solch einem Fall hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, ein sogenanntes Sachverständigenverfahren anzustreben- Dies kann zur Folge haben, dass höhere Beträge ermittel werden und der Zahlungsanspruch des Versicherungsnehmers dann höher ausfällt. Dies ist auch möglich, wenn der Versicherungsnehmer der Meinung ist, dass der Wiederbeschaffungswert vom Gutachter der Kaskoversicherung zu niedrig angesetzt wurde.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.