1. Definition des Begriffs Erfüllungsgehilfe

Ein Erfüllungsgehilfe ist eine Person, derer sich der Schuldner einer Leistung zur Erfüllung einer bestimmten Verbindlichkeit bedient.

2. Erklärung des Begriffs Erfüllungsgehilfe

In Schuldverhältnissen wird einem Schuldner (die Person, die dazu verpflichtet ist, eine Leistung zu erbringen) das Handeln seines Erfüllungsgehilfen zugerechnet, der Schuldner wird so behandelt als hätte er selbst agiert. Die Konstellation sieht in etwa so aus: Der Schuldner möchte oder kann die Leistung möglicherweise nicht persönlich erbringen. Er tut dies etwa weil er verhindert ist oder für die Leistung lieber eine fachkundigere Person beauftragt. Daher schaltet er diese Person ein, die ihm bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten hilft. Damit der Schuldner für die Handlung des Erfüllungsgehilfen haftbar ist, muss die pflichtwidrige Handlung des Erfüllungsgehilfen auch in einem Zusammenhang mit der beauftragten Tätigkeit stehen. Die gesetzliche Regelung bezüglich Erfüllungsgehilfen findet sich in § 278 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diese lautet wie folgt:

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden.

Grund der Regelung

Die Idee dahinter ist folgende: Gäbe es diese Regelung nicht, dann könnte der Schuldner stets die Verantwortung auf eine dem Gläubiger (der Person, die die Leistung fordern kann) unbekannte Person abwälzen. Dem Grundsatz der Privatautonomie ist es jedoch geschuldet, dass sich jede Person grundsätzlich ihren Vertragspartner aussuchen kann. In diesem Fall ist dies insbesondere nötig, weil der Gläubiger ein Risiko trägt. Das Risiko besteht darin, dass die Gegenpartei zahlungsunfähig bzw. leistungsunfähig sein kann. Außerdem besteht zwischen dem Gläubiger und dem Erfüllungsgehilfen kein vertragliches Schuldverhältnis. Aus diesem Grund könnte bei Nicht- oder Schlechterfüllung höchstens auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung oder vertragsähnliche Ansprüche zurückgegriffen werden, die unter Umständen schlechter durchsetzbar sind.

Das Phänomen, dass das Handeln anderer Personen jemandem zugerechnet wird, besteht auch bei anderen Rechtsinstituten. So erfolgt die Zurechnung fremden Handelns zum Beispiel bei der Überbringung von Erklärungen durch Erklärungsvertreter, Erklärungsboten und Empfangsboten. Wird eine Erklärung zu spät von einer Person überbracht, die der Abgebende zur Übermittlung ausgewählt hat, dann wird er so behandelt, als hätte er die Erklärung selbst zu spät erbracht.

3. Abgrenzung zum Verrichtungsgehilfen

Von dem Erfüllungsgehilfen ist der Verrichtungsgehilfe zu unterscheiden. Der Verrichtungsgehilfe ist eine Figur aus dem Recht der unerlaubten Handlungen. Im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen untersteht sie den Weisungen des Schuldners, ist gewissermaßen Abhängig von dem Schuldner. Fügt ein Verrichtungsgehilfe einer anderen Person widerrechtlich einen Schaden hinzu, ist der Geschäftsherr, der den Verrichtungsgehilfen ausgewählt hat, grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Verrichtungsgehilfen können beispielsweise fest angestellte Arbeitnehmer sein.

Selbständige Unternehmer sind keine Verrichtungsgehilfen. Während die Haftung für das schuldhafte Handeln des Erfüllungsgehilfen ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt, kann bei Verrichtungsgehilfen auch durch schuldhaftes Handeln eine Haftung begründet werden.

Ein Beispiel hierzu:

Unternehmer 1 möchte ein Gebäude errichten. Da er weder über nötige Kenntnisse noch über die entsprechende Gerätschaft verfügt, beauftragt er das von seinem Unternehmen unabhängige Bauunternehmen von Unternehmer 2. Einer der Baggerfahrer beschädigt beim Bau fahrlässig das Eigentum Dritter. Unternehmer 1 muss sich in diesem Fall weder das Handeln des Unternehmers 2 noch das Handeln des Baggerfahrers zurechnen lassen. Diese agieren selbständig und unabhängig von ihm. Der Baggerfahrer ist allerdings ein Verrichtungsgehilfe des Unternehmers 2. Daher haftet Unternehmer 2 grundsätzlich für den Schaden, der von dem Baggerfahrer schuldhaft verursacht wurde.

4. Beispiele für Erfüllungsgehilfen

Folgende Personen und Unternehmen können beispielsweise Erfüllungsgehilfen sein:

  • Ein Handwerker (z.B. Klempner oder Maler), der vom Vermieter für die Vornahme von Reparaturen in der Mietwohnung bestellt wurde
  • Ein Abschleppunternehmen kann Erfüllungsgehilfe der beauftragenden Person sein.
  • Eine Fluggesellschaft kann Erfüllungsgehilfe eines Reiseveranstalters sein.

Die Auflistung ist bei weitem nicht abschließend. Es gibt zahllose weitere beispielhafte Sachverhalte in denen ein Beteiligter Erfüllungsgehilfe sein kann. Außerdem gibt es ähnlich scheinende Sachverhalte, in denen kein Erfüllungsgehilfe vorliegt. Insbesondere ist ein Gutachter, der nach einem Unfall für den Unfallgeschädigten ein Gutachten anfertigt, kein Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB:

„Da der von dem Geschädigten beauftragte Sachverständige nicht sein Erfüllungsgehilfe ist, kann dem Geschädigten nur ein eigenes Mitverschulden nach § 254 Abs. 2 S. 1, 2. Alt. BGB angelastet werden, was dann in Betracht kommt, wenn er hätte erkennen können, dass die Restwertermittlung des Sachverständigen keine verlässliche Grundlage darstellte.“ – Urteil des KG Berlin vom 06.08.2015

Dass ein Gutachter kein Erfüllungsgehilfe des Unfallgeschädigten ist, hat insbesondere folgende Wirkung: Die Fehler des Gutachters können grundsätzlich nicht zu Lasten des Geschädigten gehen. Ein früheres Urteil des OLG Schleswig vom 30. August 2012 hat sich mit folgendem Sachverhalt befasst: Ein Gutachter benötigte erheblich mehr Zeit als üblich für ein Gutachten. Dadurch entstanden Verbringungskosten und daraus resultierende mit dem Nutzungsausfall verbundene Kosten. Es stellte sich die Frage, ob diese Kosten dem Auftraggeber des Gutachtens anzulasten sind:

„Der Senat hatte bereits mit Verfügung vom 30.05.2012 darauf hingewiesen, dass die ungewöhnlich lange Dauer zwischen der Beauftragung des Sachverständigen S. am Unfalltage und dem Zugang des Gutachtens genau einen Monat später (27.04.2011) nicht zulasten des Klägers geht. Denn der vom Unfallgeschädigten beauftragte Sachverständige ist nicht dessen Erfüllungsgehilfe, sodass sich der Geschädigte ein Verschulden des Sachverständigen grundsätzlich nicht zurechnen lassen muss. Einer der Ausnahmefälle, in denen der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten sein kann, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen, liegt ersichtlich nicht vor.“

Abschließende Zusammenfassung

Der Erfüllungsgehilfe wird im konkreten Fall mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer Verbindlichkeit als Hilfsperson tätig. Der Schuldner haftet für solche Handlungen des Gehilfen, die auch bei Ausführung der Hilfstätigkeit zu einem rechtswidrig und schuldhaft verursachten Schaden führen. Gutachter, die von dem Geschädigten nach einem Unfall beauftragt wurden, sind keine Erfüllungsgehilfen.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.