Als Vertragswerkstatt werden die Fahrzeugwerkstätten bezeichnet, die vom jeweiligen Fahrzeughersteller zur Reparatur autorisiert sind. Sie stehen mit dem Hersteller oder dessen Partnern in einer vertraglichen Geschäftsbeziehung (daher auch der Name). Die Hersteller versorgen Vertragswerkstätten mit Fachwissen und Originalersatzteilen. Der Gegenbegriff zur Vertragswerkstatt ist die „freie Werkstatt“.

Nicht nur Hersteller, sondern auch Versicherer und Leasinggeber haben vertragliche Bindungen mit Werkstätten. Auch in diesem Kontext fallen häufig die Worte „Vertragswerkstatt“ und „Werkstattbindung“.

Vor- und Nachteile

Wer ein Fahrzeug kauft, der steht spätestens bei der ersten Untersuchung oder Reparatur vor der Frage, ob er sein Fahrzeug entweder bei einer Vertragswerkstatt oder bei einer freien Werkstatt aufgibt. Es gibt Argumente für beide Arten von Werkstätten:

  • Vertragswerkstätten sind regelmäßig teurer.
  • In Vertragswerkstätten kennt man sich aber mit den Markenmodellen regelmäßig besser aus.
  • Ersatzteile sind bei Vertragswerkstätten meist sofort verfügbar.
  • Die Fahrzeuggeschichte kann bei Vertragswerkstätten oft besser dokumentiert werden.
  • Freie Werkstätten bieten dafür Dienstleistungen für alle Fahrzeugmodelle an.
  • Bei Unfallschäden kann man außerdem nur unter bestimmten Voraussetzungen die Reparatur in einer Markenwerkstatt ersetzt verlangen (dazu später mehr).

Die Werkstattbindung: Ein Problem?

Werkstattbindung bedeutet, dass man sich vertraglich dazu verpflichtet, ein Fahrzeug nur in bestimmten Werkstätten reparieren zu lassen, die vom Vertragspartner vorgegeben sind. Eine Werkstattbindung ist vor allem bei Kaskoversicherungen und Leasingverträgen üblich.

Werkstattbindung bei der Kaskoversicherung

Eine Kaskoversicherung sichert Schäden am eigenen Fahrzeug ab. Wer eine solche Versicherung haben möchte, muss einen Versicherungsvertrag abschließen. Bei einem solchen Vertrag gibt es verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. So kann man weitere Arten von Schäden absichern (Wildunfälle, Unwetterschäden) oder eine Werkstattbindung wählen.

Im Gegenzug für eine Werkstattbindung bieten Kaskoversicherer regelmäßig bestimmte Vorteile an. Häufig gibt es einen beachtlichen Preisnachlass. Daneben werden Zusatzleistungen angeboten, zum Beispiel ein kostenloser Fahrzeugtransport zur Werkstatt oder die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs im Schadensfall. Der große Nachteil ist allerdings, dass man nicht mehr selbst bestimmen kann, in welcher Werkstatt man das Fahrzeug reparieren lassen möchte. Weil es sich bei den Vertragswerkstätten der Versicherer regelmäßig um freie Werkstätten handelt, kann eine solche Bindung dann zum Problem werden, wenn man das Fahrzeug in einer Markenwerkstatt reparieren lassen möchte. Außerdem kann es sein, dass die nächste Vertragswerkstatt weiter weg ist.

Werkstattbindung beim Leasing

Der Leasingvertrag ist ein „atypischer Mietvertrag“ (siehe hierzu auch Finanzierung). Anders als bei einem normalen Mietvertrag ist der Leasingnehmer (sozusagen der „Mieter“) aber selbst verpflichtet, die Sache zu pflegen und zu reparieren. Einige Leasingverträge sehen dabei vor, dass der Leasingnehmer nur bei bestimmten Werkstätten das Fahrzeug reparieren darf. Was sich so unscheinbar anhört – immerhin hat der Leasingnehmer ja sowieso kein Eigentum an dem Fahrzeug – kann zu einem entscheidenden Kostenfaktor werden. Daher ist es ratsam, sich vor Abschluss eines Leasingvertrags zu solchen Regelungen genauer zu informieren.

Unfall: Reparaturkosten

Bei einem Verkehrsunfall haben die Unfallbeteiligten – sofern sie ein Kraftfahrzeug fahren – eine Haftpflichtversicherung. Alles andere wäre illegal. Die Haftpflichtversicherungen schützen den Schädiger vor großen Schadensersatzsummen, indem sie bei einem Unfall auf Schadensersatzansprüche des Unfallgeschädigten leisten. Sie müssen also für den entstandenen Schaden grundsätzlich aufkommen.

Wie der Schaden behoben wird, wie also insbesondere das Fahrzeug repariert wird, ist Sache des Geschädigten. Er kann sich eigentlich die Werkstatt aussuchen. Ein Problem gibt es allerdings, wenn der Geschädigte wirtschaftlich unvernünftig handelt. Wählt er von allen örtlich verfügbaren Werkstätten die teuerste aus, dann hat er normalerweise keinen Anspruch darauf, die Reparaturkosten vollständig ersetzt zu bekommen. Er muss nämlich nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot handeln und seiner Schadensminderungspflicht nachkommen. Problematisch ist hier, dass Vertragswerkstätten ziemlich teuer sind. Muss also jemand, der regelmäßig sein Fahrzeug in einer Markenwerkstatt reparieren lässt, dem Schädiger den „Gefallen“ tun, sein Fahrzeug nun in einer billigen Werkstatt reparieren zu lassen?

Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Die Frage, in welchen Fällen eine Reparatur durch eine Vertragswerkstatt ersatzfähig ist, spielt in der Praxis eine große Rolle. Häufig haben Versicherer versucht, die Reparaturkosten zu vermeiden, und haben Schadensersatzansprüche der Geschädigten nicht vollständig ausgezahlt. Daher musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) als höchstes deutsches Gericht in Zivilsachen schon oft damit beschäftigen. Die wichtigsten Grundsätze dazu finden sich in einem Urteil vom 20. Oktober 2009 wieder.

Zunächst stellt der BGH fest:

„[Es] ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten, die sowohl dem Interesse des Geschädigten an einer Totalreparation als auch dem Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens angemessen Rechnung trägt. Die Zumutbarkeit für den Geschädigten, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, setzt […] jedenfalls eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur voraus. Will der Schädiger […] den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht […] auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dabei sind dem Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm […] zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen […].“

Im Urteil wird weiter ausgeführt:

Steht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es für den Geschädigten [trotzdem] unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Im Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung bestehen deshalb bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen eine (generelle) tatrichterliche Schätzung der erforderlichen Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt.“

Was, wenn das Fahrzeug älter ist als drei Jahre?

Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann […] die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, „scheckheftgepflegt“ oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. [Dieser Umstand kann] es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt […], dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – im Fall der konkreten Schadensberechnung – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt.“

Garantieverlust bei Reparatur in freier Werkstatt?

Bis vor kurzem haben etliche Autohändler regelmäßig vereinbart, dass nur dann die Garantie gilt, wenn das Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt repariert wird. Vor wenigen Jahren hat der BGH dieser Praxis einen Riegel vorgeschoben, und damit die Rechte der Autokäufer deutlich gestärkt. Mit Urteil vom 25. September 2013 stellte der BGH fest, dass es sich bei dieser Garantiebedingung um eine allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) handelt, „die wegen unangemessener Benachteiligung des [Garantienehmers] gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist“.

Wer also seinen Gebrauchtwagen mit Händlergarantie entgegen der Garantievereinbarung nicht in einer Vertragswerkstatt reparieren lässt, behält in der Regel seinen Anspruch auf Garantie. Ein ähnliches Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2011 traf zu Herstellergarantien eine ähnliche Aussage.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin