Kostenerstattungsanspruch

Kostenerstattungsanspruch

Das Wort „Kostenerstattungsanspruch“ ist ein juristischer Begriff. Definiert ist der Begriff des Anspruchs in § 194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Demnach ist der Anspruch ein Recht, von jemandem ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.

Anspruchsarten

Unterscheidung nach Anspruchsgrundlage

Es gibt verschiedene Arten von Ansprüchen. Einige Ansprüche haben einen Vertrag als Grundlage (vertragliche Ansprüche). So verhält es sich zum Beispiel mit dem Anspruch eines Käufers auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache. Andere Ansprüche bestehen, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind (außervertragliche / gesetzliche Ansprüche). Beispiel: Der Eigentümer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Besitzer seine Sache herausgibt.

Unterscheidung nach Anspruchsinhalt

Neben der Unterscheidung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen kann auch danach unterschieden werden, worauf ein Anspruch konkret gerichtet ist, also nach dem Anspruchsinhalt. Der oben genannte Anspruch des Eigentümers ist darauf gerichtet, den Besitz an einer Sache zu erlangen (Besitzverschaffungsanspruch). Andere Ansprüche sind auf eine Geldzahlung gerichtet (Zahlungsanspruch). Kostenerstattungsansprüche sind darauf gerichtet, entstandene Kosten ersetzt zu bekommen. Das können einerseits Kosten sein, die freiwillig geleistet werden („freiwilliges Vermögensopfer“, „Aufwendung“), andererseits können es Kosten sein, die ungewollt entstehen („unfreiwilliges Vermögensopfer“, „Schaden“).

Handelt es sich bei den Kosten, um die es im Rahmen des Anspruchs geht, um Aufwendungen, also um freiwillig übernommene Kosten, spricht man von einem Aufwendungsersatzanspruch. Bei unfreiwillig entstandenen Kosten (Schäden) spricht man von einem Schadensersatzanspruch.

Materieller Kostenerstattungsanspruch

Juristen unterscheiden außerdem zwischen zwei verschiedenen Arten von Kostenerstattungsansprüchen, nämlich zwischen materiellen und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen.

Materielle Ansprüche sind Ansprüche, die im einfachen Privatrecht wurzeln, das die Rechtsverhältnisse privater Personen zueinander regelt. Erstes Beispiel: Der Mieter einer Wohnung bemerkt, dass dringend Reparaturen nötig sind, weil die Wohnung sonst beschädigt wird. Weil er den Eigentümer nicht erreichen kann, ruft er selbst einen Handwerker, und verlangt später von dem Eigentümer der Wohnung die Handwerkerkosten zurück (Ein Anspruch aus „Geschäft ohne Auftrag“). Zweites Beispiel: Der Unfallgeschädigte verlangt vom Unfallverursacher die Reparaturkosten für sein beschädigtes Fahrzeug und den Ersatz der Mietwagenkosten, die entstanden sind, weil er sein Fahrzeug nicht nutzen konnte („deliktischer Anspruch“). Drittes Beispiel: Die vielfach gefürchteten Abmahnungen. Wer jemanden abmahnt, der fordert ihn dazu auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben, und die Kosten für die Erstellung dieses Schreibens zu ersetzen. Eine berechtigte Abmahnung hat regelmäßig einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Abgemahnten zur Folge.

Prozessualer Kostenerstattungsanspruch

Prozessuale Ansprüche sind solche, die sich aus Verfahrensvorschriften ergeben. Dazu gehören vor allem Ansprüche auf Grundlage der Zivilprozessordnung (ZPO). Im Zivilprozess können Privatpersonen ihre eigenen Rechte mit staatlichem Zwang durchsetzen lassen. Das heißt grob: Jemand mit einem Anspruch geht vor Gericht, holt sich dort ein Urteil, und lässt es vom Gerichtsvollzieher vollstrecken. Bei der Erwirkung eines Urteils fallen allerdings immer Kosten an: Rechtsverfolgungskosten oder Rechtsverteidigungskosten. Dazu gehören vor allem verauslagte Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten (vor allem die Rechtsanwaltsvergütung).

Wer zahlt die Rechtsdurchsetzungskosten?

In § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO findet sich folgende Regelung:

Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten [Kostenerstattungsanspruch!], soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

Die Regelung trifft also vereinfacht gesagt folgende Aussage: Wer verliert, zahlt die Prozesskosten. Dabei ist „Verlieren“ nicht gleich „Verlieren“: Wer zu 100% unterliegt, trägt grundsätzlich alle Kosten. Wer zu 80% unterliegt, trägt 80% der Kosten, 20% trägt dann die Gegenseite. Die Anwaltskosten der Gegenseite trägt eine unterliegende Partei allerdings nur insoweit, als sie nicht über die gesetzlichen Regelsätze im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hinausgehen. In anderen Gerichtsbarkeiten gelten teilweise abweichende Vorschriften.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Prognoserisiko

Prognoserisiko

Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff „Prognoserisiko“ nichts Anderes als „das Risiko, mit seiner Vorhersage falsch zu liegen“.

Das Prognoserisiko in der Wirtschaft

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Prognoserisiken eines Unternehmers. Er muss ständig zukünftige Geschehnisse vorhersagen, die für ihn mit finanziellen Risiken behaftet sind: Wie viele Produkte muss ich anfertigen? Würde sich ein Investitionskredit für mich lohnen? Wie viele Arbeiter muss ich dafür einstellen? Lohnt sich eine Investition im Ausland?

Liegt der Unternehmer mit seinen Einschätzungen falsch, dann verwirklicht sich das Prognoserisiko. Das bedeutet regelmäßig, dass er kostbare Ressourcen verschwendet, und nicht den optimalen Nutzen aus seinen Möglichkeiten zieht. Fertigt er zu viele Produkte an, dann hat er höhere Kosten. Fertigt er zu wenige an, dann hätte er mehr Einnahmen erzielen können. Stellt er zu viele Arbeiter ein, ist der Betrieb zu unproduktiv, und stellt er zu wenige ein, kann er nicht genug produzieren.

Der Begriff des Prognoserisikos ist daher essentiell für die Wirtschaft, und Prognosen müssen möglichst präzise getroffen werden, wenn das damit verbundene Risiko hoch ist.

Schadensersatz beim Unfall

Ein Prognoserisiko kann es auch im Rahmen von Verkehrsunfällen geben. Wer im Rahmen eines Verkehrsunfalls geschädigt wird, hat gegen den Unfallverursacher einen Schadensersatzanspruch. Er kann also von diesem Schädiger verlangen, dass er ihn so stellt, als wäre der Unfall nie passiert (Naturalrestitution). Das heißt vor allem, dass er Reparaturkosten, Gutachterkosten, Mietwagenkosten und weitere Schadenspositionen ersetzt bekommen kann. Der Schadensersatzanspruch ist aber nicht grenzenlos. Geschädigte sollen durch den Schadensersatz nicht bessergestellt werden als vorher (schadensrechtliches Bereicherungsverbot). Sie dürfen außerdem nicht die Kosten explodieren lassen, um dem Schädiger „eine reinzuwürgen“, sondern müssen sich bei der Schadensbehebung wirtschaftlich vernünftig verhalten (Wirtschaftlichkeitsgebot). Die Reparaturkosten bekommt der Geschädigte deshalb nur dann ersetzt, wenn sie noch wirtschaftlich sinnvoll sind. Würde es deutlich mehr kosten, das Fahrzeug wieder in Stand zu setzen, als sich ein neues zu beschaffen, dann muss sich der Geschädigte ein neues Fahrzeug beschaffen, oder einen Teil der Reparaturkosten selbst tragen.

Wo ist das Problem?

Ein Laie muss sich nach dem Verkehrsunfall folgende Frage stellen: „Kann ich das Auto reparieren, oder trage ich dann die Kosten?“ – Als Laie kann er aber selbstverständlich nicht mit eigenen Augen einschätzen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, ein Fahrzeug noch zu reparieren, oder sich ein neues Fahrzeug zu beschaffen. Das Risiko, dass das die gewählte Art der Schadensbeseitigung (Reparatur) unwirtschaftlich ist, trägt grundsätzlich der Unfallgeschädigte. Aber das gilt nicht ausnahmslos.

Der Geschädigte kann nämlich auch die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur durch ein Gutachten eines Kfz-Sachverständigen herausfinden. Ein gut ausgebildeter Sachverständiger kann eine Einschätzung dazu abgeben, wie viel eine Reparatur kostet, und ob sich eine Reparatur noch in einem angemessenen Rahmen befindet.

Wann ist eine Reparatur wirtschaftlich angemessen?

Liegen die Reparaturkosten zusammen mit dem merkantilen Minderwert 130% unter dem Wiederbeschaffungswert, dann sind sie ersatzfähig (siehe hierzu auch „130%-Grenze“).

Was, wenn unwirtschaftlich repariert wird?

Im Rahmen unwirtschaftlicher Reparaturen sind verschiedene Fehlerquellen zu unterscheiden:

  1. Fehler des Sachverständigen
  2. Fehler der Werkstatt
  3. Falsche Angaben des Unfallgeschädigten gegenüber dem Sachverständigen
  4. Auswahl des falschen Sachverständigen oder Überwachungsverschulden

Fehler des Sachverständigen

Wenn sich der Sachverständige sich irrt, und die Reparaturkosten höher sind, geht das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers. Das heißt: Wenn der Geschädigte im Gutachten einen Reparaturwert prognostiziert (der Sachverständige irrt sich aber), und der Geschädigte auf dieser Grundlage das Fahrzeug in Reparatur gibt, muss der Schädiger trotzdem den vollen Betrag zahlen, wenn die Reparatur diesen Betrag übersteigt. Das gilt auch für andere Fehleinschätzungen des Sachverständigen (Wiederbeschaffung dauert länger, Reparatur dauert länger, Preis für ein Ersatzfahrzeug ist höher als der ermittelte Wiederbeschaffungswert). Der Geschädigte darf sich also grundsätzlich auf die Angaben eines Sachverständigen verlassen.

Eigentlich wären die Reparaturkosten also nicht ersatzfähig gewesen – aber dieses Prognoserisiko trägt bei Vorliegen eines Gutachtens regelmäßig der Unfallverursacher, nicht der Geschädigte. Nachlesen lässt sich das in einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 11.10.2000 und in einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.10.1991 (>>>hier verfügbar<<<).

Fehler der Werkstätten

Mit den Fehlern der Werkstatt verhält es sich wie mit denen des Sachverständigen: Wenn bei der Reparatur Mehrkosten entstehen, ohne dass der Geschädigte das verschuldet hat, trägt das Risiko dafür der Schädiger. Er muss also dem Geschädigten sogar dann den kompletten Betrag zahlen, wenn die Reparatur teurer wird. Das gilt sogar dann, wenn die Werkstätten und Sachverständigen den Fehler zu verantworten haben (Fehler bei der Untersuchung des Fahrzeugs, Fehler bei der Reparatur). Werkstätten und Sachverständige sind nämlich keine Erfüllungsgehilfen des Geschädigten. Ein Verschulden der Werkstätten und Sachverständigen kann einem Geschädigten deshalb nicht zugerechnet werden.

Eigenes Verschulden des Geschädigten

Ausnahmsweise kann den Geschädigten dann das Prognoserisiko treffen, wenn ihn selbst ein eigenes Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft. Beispiel: Er beauftragt jemanden, der erkennbar zur Erstellung eines Gutachtens nicht geeignet ist, oder bemerkt, dass der Sachverständige oder die Werkstatt grobe Fehler anstellt, ignoriert das aber. Mit der Beauftragung eines besonders qualifizierten Sachverständigen kann sich der Geschädigte dahingehend absichern. Wie mit der Auswahl des Sachverständigen verhält es sich auch mit falschen Angaben des Geschädigten gegenüber der Werkstatt oder dem Sachverständigen: Wenn eigenes Verschulden des Geschädigten zu den Mehrkosten führt, trägt er das Prognoserisiko. Wenn laut Gutachten die Reparaturkosten über der 130%-Grenze liegen, trägt er ebenfalls das Risiko.

Sollte man also blind auf ein Gutachten vertrauen?

Grundsätzlich darf man als Unfallgeschädigter auf das Gutachten eines Sachverständigen vertrauen, es sei denn, ein gravierender Fehler hätte auch einem Laien auffallen müssen. Einer solcher Fall ist uns nicht bekannt, so dass man als Unfallgeschädigter vom Gutachten des Sachverständigen „geschützt“ wird. Das ist einer der großen Vorteile, einen unabhängigen Sachverständigen zu beauftragen.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Regelbesteuerung

Regelbesteuerung

Die Begriffe Regelbesteuerung und Differenzbesteuerung sind vor allem im Hinblick auf den Gebrauchtwarenhandel und kleine Unternehmen relevant. „Regelsteuer“ und „Differenzsteuer“ sind keine eigenen Steuerarten wie zum Beispiel die Einkommenssteuer oder die Gewerbesteuer. Die beiden Begriffe beschreiben Varianten der Besteuerung im Rahmen der Umsatzsteuer. Zum Begriff „Umsatzsteuer“ siehe auch Mehrwertsteuer und Vorsteuer.

Was heißt Regelbesteuerung?

Unternehmer müssen grundsätzlich Umsatzsteuer zahlen, wenn sie Sachen veräußern („Lieferungen“) oder sonstige Leistungen erbringen und dadurch Umsätze generieren. Wenn sie allerdings weniger als 17.500,- Euro im Jahr (ab 2020 voraussichtlich 22.000,- Euro) verdienen, und im nächsten Jahr voraussichtlich weniger als 50.000,- Euro verdienen, können sie sich als beim Finanzamt als Kleinunternehmer melden. Das hat den Vorteil, dass sie von der Umsatzsteuer befreit werden.

Der Vorsteuerabzug

Ein Unternehmer muss die Umsatzsteuer gegenüber seinen Abnehmern ausweisen und ans Finanzamt abführen. Er bekommt dafür die Umsatzsteuer, die er beim Kauf einer Sache von einem anderen Unternehmer zahlt, vom Finanzamt erstattet. Im Endeffekt wird also nur derjenige durch die Steuer belastet, der als Käufer bzw. Abnehmer am Ende der Kette steht. Der Unternehmer müsste also Geld ans Finanzamt zahlen, und später einen Betrag zurückbekommen. Stattdessen kann er aber auch einfach den Betrag, den er zurückbekommt, von dem Betrag abziehen, den er selbst zahlt, und nur die Differenz an das Finanzamt zahlen. Eine detailliertere Erklärung mit anschaulicher Darstellung finden Sie hier.

Nur wer keinen Gebrauch von der Kleinunternehmerregelung macht, also der Regelbesteuerung unterliegt, kann vom Vorsteuerabzug Gebrauch machen. Das ist auch konsequent, denn wer keine Umsatzsteuer ausweisen und abführen muss, kann sie nicht mit der gezahlten Umsatzsteuer verrechnen.

Differenzbesteuerung

Bei Gebrauchtwaren wäre es unsinnig, für den Gesamtwert der Ware die volle Umsatzsteuer in Höhe von 19% (oder 7% bei ermäßigtem Steuersatz, zum Beispiel bei Büchern und Kunstgegenständen) zu verlangen. Deshalb wird bei „Wiederverkäufen“ (§ 25a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)) nur der Unterschied zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis von der Umsatzsteuer erfasst.

Durchschnittssatzbesteuerung

Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gibt es eine Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG. Das heißt einerseits, dass sie keine Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen können. Andererseits wird das Besteuerungsverfahren erleichtert, weil für die Berechnung der Steuer Pauschalbeträge („Durchschnittssätze“) verwendet werden. Auch hier kann zur Regelbesteuerung optiert werden, die manchmal sinnvoller ist.

Kurze Zusammenfassung der Vorteile und Nachteile

Die Regelbesteuerung hat den Nachteil, dass ein höherer bürokratischer Aufwand als bei der Kleinunternehmerregelung nötig ist. Gerade für kleinere Gelegenheitseinkünfte lohnt sich also die Kleinunternehmerregelung. Außerdem bietet sie gegenüber der Regelbesteuerung den Vorteil, dass der Gewinn im Vergleich zum Gesamtpreis bei Privatkunden relativ hoch ist.

Allerdings hat die Regelbesteuerung auch deutliche Vorteile gegenüber der Kleinunternehmerregelung: Wer große Investitionen tätigen möchte, kann diese teilweise bei Regelbesteuerung vom Finanzamt erstattet bekommen. Zu beachten ist auch, dass Unternehmenskunden von ihrer Möglichkeit des Vorsteuerabzugs Gebrauch machen, weswegen diese beim Einkauf auf den Nettopreis angebotener Ware abstellen.

Wissenswertes zur Regelbesteuerung

Mehrwertklauseln bei Kaskoversicherungen:

Kaskoversicherungen sollen einen Schaden decken, der am eigenen Fahrzeug entsteht (anders als eine Haftpflichtversicherung, die deckt Schäden an fremden Fahrzeugen und Personen ab). Eine Vollkaskoversicherung deckt auch Unfallschäden ab. Im allgemeinen Schadensrecht ist auch die Mehrwertsteuer gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ersatzfähig, wenn sie tatsächlich anfällt.

Allerdings haben einige Versicherer Klauseln in den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), die den Anspruch eines Geschädigten um die Umsatzsteuer kürzen. Sowohl das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), als auch das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken gehen davon aus, dass entsprechende „Mehrwertsteuerklauseln“ zulässig sind. Ein Urteil hierzu können Sie >>>hier<<< nachlesen.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Sachverständiger

Sachverständiger

Ein Sachverständiger ist eine natürliche Person mit besonderen Fachkenntnissen auf einem bestimmten Gebiet. Insofern unterscheidet sich der Sachverständige nicht von einem Gutachter. Oft werden die Begriffe „Gutachter“ und „Sachverständiger“ daher synonym verwendet. Aber gibt es dennoch Unterschiede?

In Gesetzen finden sich die Begriffe „Sachverständiger“ und „Gutachter“ an verschiedenen Stellen. Definiert werden diese Begriffe aber trotzdem nirgends. Während zum Beispiel die Zivilprozessordnung (ZPO) und die Strafprozessordnung (StPO) fast ausschließlich das Wort „Sachverständiger“ aufführen, findet sich das Wort „Gutachter“ in anderen Gesetzen. So erwähnt die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nicht ein einziges Mal das Wort „Sachverständiger“, sondern nur das Wort „Gutachter“. Insgesamt ist der Begriff des Sachverständigen häufiger in Rechtsnormen erwähnt als der des Gutachters.

Neben diesen prozessualen und spezialgesetzlichen Regelungen gibt es auch Normen aus dem Berufsrecht, die eine besondere Bezeichnung für bestimmte Sachverständige vorsehen (dazu später mehr).

Gibt es einen Grund für die unterschiedliche Benennung?

Den größten Unterschied bildet die Verwendung der beiden Begriffe. Wer das Gesetz zur Hand nimmt, erkennt rasch, dass der Begriff des Sachverständigen häufig im prozessualen Kontext genannt wird. Das heißt, dass es vor allem dann um diesen Begriff geht, wenn ein Gerichtsverfahren den Kontext bildet. Der Sachverständigenbeweis ist nämlich ein Beweismittel im Sinne des Strengbeweises.

Prozessrecht: Gerichtliche Sachverständige

Wenn also in der ZPO oder der StPO von einem „Sachverständigen“ oder dem „Sachverständigenbeweis“ die Rede ist, handelt es sich immer um eine Person, die vom Gericht bestellt wurde, um einen bestimmten Sachverhalt aufzuklären. Solche Sachverständige kann das Gericht dann hinzuziehen, wenn es mit eigenem Fachwissen nicht mehr weiterkommt. Vor Gericht muss der Sachverständige dann mündlich aussagen, auch wenn er regelmäßig ein Gutachten anfertigt. Meist geht es um sehr technische Fragen: Ist ein Gebäude bewohnbar? War das Fahrzeug vor dem Unfall beschädigt? Unter den Sachverständigenbegriff dieser Gesetze fallen also nicht die Gutachter, die die beiden Parteien außergerichtlich beauftragen.

Freie Sachverständige

Im allgemeinen Sprachgebrauch fallen beide Begriffe zusammen, es wird nicht zwischen Sachverständigen und Gutachtern unterschieden. „Sachverständiger“ und „Gutachter“ darf sich auch jeder nennen. Diese Begriffe sind grundsätzlich nicht rechtlich geschützt (Ausnahmen sind weiter unten aufgeführt). Wenn jemand keine besondere Qualifikation durch staatliche Ernennung oder Prüfung eines Verbandes hat, spricht man bei ihm von einem „freien Sachverständigen“.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige

Im Gegensatz zu diesen Begriffen ist der Titel des „öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen“ (kurz: „ö.b.u.v.“) allerdings rechtlich geschützt. Wer ihn trägt, obwohl er hierzu nicht berechtigt ist, macht sich nach § 132a Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbar:

Wer unbefugt […] die Bezeichnung öffentlich bestellter Sachverständiger führt […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Daneben riskiert man eine Abmahnung oder Unterlassungsklage nach den §§ 8, 12 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG).

Wie wird man öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger?

Sachverständige können gemäß § 36 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) für folgende Fachgebiete bei Bedarf öffentlich bestellt werden:

  • Wirtschaft (einschließlich Bergwesen),
  • Hochsee- und Küstenfischerei,
  • Land- und Forstwirtschaft (einschließlich Garten- und Weinbau)

Sie werden gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 GewO und § 91 Abs. 1 Nr. 8 der Handwerksordnung (HwO) darauf vereidigt, dass sie ihre Aufgaben „unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen“ und auch die Gutachten nach diesen Vorgaben erstatten.

Je nach Fachrichtung und Landesgesetz kann ein Antrag auf Bestellung eingereicht werden bei einer

  • Handwerkskammer, einer
  • Industrie- und Handelskammer (IHK), einer
  • Architektenkammer, einer
  • Ingenieurskammer, einer
  • Landwirtschaftskammer oder bei einer
  • sonstigen Körperschaft, einer Behörde, oder einem Regierungspräsidium.

Die jeweilige Stelle prüft daraufhin die Fachkunde und sonstige Befähigung.

Amtlich anerkannte Sachverständige

Neben den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen gibt es auch amtlich anerkannte Sachverständige (auch „staatlich anerkannte Sachverständige“ genannt). Das bekannteste Beispiel ist dabei der „amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr“. Er wird von einer „technischen Prüfstelle“ (Überwachungsorganisation wie DEKRA, TÜV) ausgebildet, muss ein technisches Studium abschließen, und wird von einer Landesbehörde auf Antrag ernannt. Diese Art des „amtlich anerkannten Sachverständigen“ ist im Kraftfahrsachverständigengesetz (KfSachvG) geregelt. Es gibt ähnliche Normen für andere Gruppen amtlich anerkannter Sachverständiger.

Privatrechtliche Bezeichnungen

Mittlerweile haben sich für Sachverständige in der Wirtschaft weitere Bezeichnungen und Zertifizierungen etabliert. Zum Beispiel gibt es bereits DIN-Normen für Sachverständige (nötige Qualifikationen, Fähigkeiten). DIN-Normen sind keine Gesetze oder sonstigen Rechtsnormen, sondern werden durch das Deutsche Institut für Normung festgelegt. Solchen Organisationen gehören viele Unternehmen an, die versuchen, einheitliche Standards zu etablieren. Inzwischen gibt es auch Sachverständigenverbände, denen man unter bestimmten Voraussetzungen beitreten kann. Für Bezeichnungen, die durch Wirtschaftsverbände festgelegt werden, gibt es keine besonderen Schutzgesetze. Stattdessen kann es wettbewerbsrechtliche Ahndungen solcher Verstöße geben (Abmahnungen, Unterlassungsklagen).

Bei Gericht wird allerdings nur selten auf freie Sachverständige zurückgegriffen. In der Regel wird ein Gericht einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hinzuziehen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Beweisaufnahme

Beweisaufnahme

Mit dem Begriff „Beweisaufnahme“ ist die Erhebung von Beweisen durch ein Gericht gemeint. Die Beweisaufnahme spielt in allen Gerichtsbarkeiten (ordentliche Gerichtsbarkeit, also Strafrecht und Streitigkeiten zwischen Bürgern; Verwaltungsgerichtsbarkeit, weitere Gerichtsbarkeiten sind in Art. 95 des Grundgesetzes aufgeführt) und auch an den Verfassungsgerichten eine große Rolle. Sie betrifft also den Großteil der gerichtlichen Tätigkeit.

Erklärung des Begriffs

Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit ist nämlich die Wahrheitsfindung auf Grundlage eines streitigen Sachverhalts, um zu einem verwertbaren rechtlichen Ergebnis zu kommen. Was sich kompliziert anhört ist tatsächlich relativ einfach. Hierzu ein kleines Beispiel. Der streitige Sachverhalt lautet zum Beispiel wie folgt: Herr Y behauptet, Herr X habe eine seiner Sachen beschädigt. Vor Gericht behauptet Herr X, das sei gar nicht wahr. Herr Y behauptet, dass es stimme. Um hier zu einer Entscheidung zu gelangen, muss das Gericht herausfinden, was tatsächlich passiert ist. Richter ermitteln aber nicht eigenständig den Sachverhalt, die Parteien eines Rechtsstreits (hier Herr X und Herr Y) müssen ihre Behauptungen glaubhaft machen. Dazu dienen Beweismittel. Die Beweismittel werden im Rahmen der Beweisaufnahme in den Prozess auf Antrag der Parteien eingeführt.

Gesetzliche Regelungen zur Beweisaufnahme

Regelungen zur Beweisaufnahme finden sich zum Beispiel in den §§ 355 – 494a. der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Regelungen beschreiben vor allem, wie eine Beweisaufnahme erfolgt, und welche Beweismittel zulässig sind. Für andere Gerichtsbarkeiten verweist das Gesetz regelmäßig auf diese zivilprozessualen Regeln, sie sind also weitgehend identisch:

  • Verwaltungsgerichtsbarkeit: § 98 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  • Finanzgerichtsbarkeit: § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
  • Sozialgerichtsbarkeit: § 118 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)
  • § 46 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG)

Unterschiede zwischen Zivilprozess und Strafprozess

Auch in der Strafprozessordnung (StPO) gibt es Regelungen zur Beweisaufnahme. Hier gibt es aber große Unterschiede zum Zivilprozess. Es gibt hier nämlich nicht den Freibeweis, sondern der Strengbeweis. Das heißt, dass für einige gerichtliche Feststellungen nur folgende Beweisarten zulässig sind:

    • Der Zeugenbeweis,
    • der Urkundenbeweis,
    • der Sachverständigenbeweis und
    • der Augenscheinbeweis.

Andere Gerichtsbarkeit? Andere Verfahrensgrundsätze!

Je nach Gerichtsbarkeit gibt es unterschiedliche Verfahrensgrundsätze. Anders als im Zivilprozess gibt es zum Beispiel im Strafrecht keine Beweislastumkehr zu Lasten des Angeklagten. Im Rahmen einer Beweislastumkehr müsste man zum Beispiel beweisen, dass man etwas nicht getan hat. Stattdessen muss die Staatsanwaltschaft vollumfänglich darlegen, dass sich der Angeklagte strafbar gemacht hat. Ein Grundsatz des Strafprozesses lautet nämlich, dass jeder als unschuldig gilt, bis das Gegenteil bewiesen ist („Unschuldsvermutung“, „in dubio pro reo“).

Unterschiede bei der Beweiswürdigung

Grundsätzlich gilt: Das Gericht entscheidet darüber, wie ein bestimmter Beweis zu werten ist. Das ergibt sich unter anderem aus § 286 ZPO und § 261 StPO. Aber auch bei der Beweiswürdigung gibt es Unterschiede. Am Ende eines Strafprozesses dürfen keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, sonst ist er freizusprechen. Im Strafprozess wird auch ein Geständnis eines Angeklagten nicht ohne zu hinterfragen für wahr gehalten. Hier gilt der Amtsermittlungsgrundsatz („Inquisitionsmaxime“), wie auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Gericht darf sich also nicht blind auf das verlassen, was die Beteiligten im Rahmen der Verhandlung vortragen, sondern muss den Sachverhalt – sofern möglich – erforschen.

Im Zivilprozess werden dagegen Tatsachen, über die sich beide Parteien einig sind, grundsätzlich als wahr angesehen. Hier gilt nämlich nicht der Dispositionsgrundsatz. Wenn die Parteien sagen, dass das (tatsächlich grüne) Auto blau ist, dann ist es für das Gericht blau.

Ein weiterer Unterschied: Unmittelbarkeitsgrundsatz

Das klassische Beispiel zum Unmittelbarkeitsgrundsatz: Die Polizei vernimmt einen Zeugen. Der Zeuge erzählt auf der Polizeiwache alles bis ins kleinste Detail. Darüber wird auch Protokoll geführt. Der Zeuge ist allerdings mit dem Angeklagten verwandt und hat ein Zeugnisverweigerungsrecht. Deshalb verweigert er vor Gericht die Aussage. Der Zeugenbeweis kann also nicht geführt werden. Aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes kann auch nicht das Protokoll vor Gericht als Urkundenbeweis geführt werden, der Zeuge müsste vernommen werden. Im Zivilrecht ist das anders: Hier kann zum Beispiel ein Auszug aus einer Strafakte im Rahmen der Beweiserhebung eingebracht werden.

Worüber wird Beweis erhoben?

Die Beweisaufnahme ist immer auf die Tatsachen beschränkt, welche für eine Entscheidung erheblich sind („Entscheidungserhebliche Tatsachen“). Wenn es im Zivilprozess zum Beispiel um eine Schadensersatzforderung geht, weil jemand einen Unfall verursacht hat, ist für dieses konkrete Verfahren nicht erheblich, dass die Person jeden Tag Blumen an das Bett des Unfallopfers geschickt hat. Das mag zwar eine nette Geste sein, wirkt sich aber nicht auf die Höhe des Schadensersatzes aus. Deshalb wird darüber auch nicht Beweis erhoben.

Ein prominentes Beispiel hierzu, das bei vielen auf Unverständnis gestoßen ist, ist das Verfahren zu den NSU-Morden: In einem Strafprozess sollte nur über die Schuld der konkret Angeklagten befunden werden. Trotzdem haben einige Nebenklägeranwälte Anträge gestellt, die darauf hinwirken sollten, herauszufinden, warum Geheimdiensten grobe Fehler unterlaufen sind. Die Anträge wurden ohne weiteres abgelehnt, weil sie zur Feststellung der Schuld der Angeklagten nichts beitragen konnten. Damit muss sich stattdessen ein Untersuchungsausschuss befassen.

Einstweiliger Rechtsschutz: Besonderheiten

Neben den üblichen Klagearten (Leistungsklage, gerichtet auf Schadensersatz, oder Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung, dass ein Vertrag nicht besteht) gibt es auch den so genannten „einstweiligen Rechtsschutz“. Dieses Verfahren soll jemanden davor schützen, dass Folgen eintreten, die man nicht mehr beseitigen kann, wenn alles so weiterläuft wie bisher. Ein Beispiel: Eine Behörde verbietet einem Bürger etwas, und ordnet die sofortige Vollziehung an. Wenn man nun dagegen klagen würde, würde es bis zum Urteil zwischen sechs und acht Monaten dauern. Blöd nur, wenn die Klage dem Bürger nichts bringt, weil er ein schnelles Urteil braucht.

Nur „summarische Prüfung“ im einstweiligen Rechtsschutz!

Genau hier greift der einstweilige Rechtsschutz ein. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wird nur grob geprüft, ob der Bürger mit einer normalen Klage Erfolg hätte. Trifft das zu, wird dem Antrag stattgegeben. Eine umfangreiche Beweisaufnahme wie im Hauptverfahren gibt es nicht. Im Zivilrecht kann eine einstweilige Verfügung sogar innerhalb eines Tages erfolgen. Sofern die andere Partei keine Schutzschrift eingereicht hat, gibt es nicht mal eine mündliche Verhandlung, sondern nur einen Beschluss!

Unterschied: Berufung und Revision

Wer mit einer gerichtlichen Entscheidung nicht zufrieden ist, der kann dagegen regelmäßig mit Berufung oder Revision vorgehen. Dabei ist das Berufungsverfahren eine Tatsacheninstanz. Es werden also die Tatsachen, die für eine Entscheidung erneut erhoben werden müssen, durch das Gericht erneut im Rahmen der Beweisaufnahme ins Verfahren eingebracht. Anders ist es bei der Revision: Im Rahmen der Revision wird eine Entscheidung nur auf Rechtsfehler überprüft, eine erneute Beweisaufnahme findet nicht statt!

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Rote Kennzeichen und grüne Kennzeichen

Rote Kennzeichen und grüne Kennzeichen

Rote Kennzeichen; Jeder hat sie mal gesehen, aber kaum jemand weiß. Um zu erklären, wieso es sie gibt, und was sie bedeuten, folgt eine kurze Erläuterung, wie es sich grundsätzlich mit Kennzeichen verhält.

Warum gibt es Kennzeichen?

Ursprünglich haben die Bundesländer Kennzeichen für Fahrräder und Autos eingeführt, um die Fahrerflucht zu bekämpfen. Sollte jemand nach einem Unfall mit dem Fahrzeug einfach wegfahren, lässt sich anhand des Kennzeichens eindeutig erkennen, wem das Fahrzeug zuzuordnen ist. Auch Fußgänger und Radfahrer können sich der Unfallflucht nach § 142 des Strafgesetzbuchs strafbar machen, dennoch müssen sie keine Erkennungsschilder tragen. Aufgrund der vielen Fälle der Unfallflucht durch Fahrradfahrer gibt es aber immer wieder politische Debatten um eine Einführung der Kennzeichenpflicht für Fahrräder.

Was hat sich geändert?

Auch heute steht im Vordergrund nach wie vor die eindeutige Zuordnung des Fahrzeugs zum Fahrer. Es gibt aber auch Unterschiede: Heute werden Kennzeichen von elektronischen Systemen automatisch erkannt. Das ist vor allem in Bezug auf Mautsysteme wichtig, es gibt inzwischen aber auch Geschwindigkeitsmesssysteme für lange Strecken, die mittels Kennzeichenüberprüfung die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ermitteln. Mit der Zeit sind Kennzeichen auch länger, fälschungssicherer und vielfältiger geworden, was vor allem daran liegt, dass es deutlich mehr Fahrzeuge gibt, dass es einen enormen technologischen Fortschritt gab, und dass sich das Staatsgebiet in der Zeit mehrfach gewandelt hat. Bestimmte Fahrzeuge sollen auch zulassungstechnisch oder steuerrechtlich begünstigt werden, was auch mit den Kennzeichen zum Ausdruck kommt.

Welche Arten von Kennzeichen gibt es?

Einfache Euro-Kennzeichen bestehen aus maximal 8 Zeichen. Wie Kennzeichen aufgebaut sein müssen richtet sich in Deutschland nach der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV). Demnach stehen am Anfang immer die so genannten „Unterscheidungszeichen“. Dabei handelt es sich um Buchstabenkombinationen mit bis zu drei Buchstaben. In der Regel wird nach Region unterschieden. „B“ steht zum Beispiel für Berlin, „HH“ für die Hansestadt Hamburg und „CUX“ für Cuxhaven. Regierungsfahrzeuge, Einsatzfahrzeuge der Polizei und der Bundeswehr, das Technische Hilfswerk und NATO-Fahrzeuge haben besondere Unterscheidungszeichen.

Nach den Unterscheidungszeichen folgt die Erkennungsnummer. Diese besteht aus ein bis zwei Buchstaben und bis zu vier Zahlen. Ein einfaches Kennzeichen sieht also insgesamt wie folgt aus:

Einfaches Kennzeichen FZV

Rote Kennzeichen

Gewöhnliche Kennzeichen haben schwarze Schrift auf weißem Untergrund. Es gibt allerdings auch farbige Kennzeichen, zum Beispiel rote Kennzeichen (rote Schrift auf weißem Untergrund). Als Erkennungsnummern haben rote Kennzeichen nur Ziffern, die mit „06“ beginnen:

Rotes Kennzeichen

In § 16 Abs. 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung ist vorgesehen, dass nicht zugelassene Fahrzeuge aus folgenden Gründen trotzdem mit rotem Kennzeichen in Betrieb genommen werden dürfen:

  • Zwecks Prüfungsfahrt,
  • Probefahrt, oder im Rahmen einer
  • Überführungsfahrt, außerdem
  • für notwendige Fahrten zum Tanken und zur Reinigung,
  • zwecks Reparatur oder
  • zur Wartung.

Wichtig ist allerdings: Das Fahrzeug muss trotzdem mit einer Haftpflichtversicherung versichert sein, auch wenn es keine Zulassung hat. Wer sein Fahrzeug entgegen des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG) nicht versichert, und es im öffentlichen Verkehr gebraucht, begeht eine Straftat!

Gemäß § 16 Abs. 2 FZV kann übrigens ein rotes Kennzeichen an verschiedenen Fahrzeugen verwendet werden.

Gefährliche Irrtümer bei roten Kennzeichen

Nur gewerblicher Gebrauch erlaubt!

Anders als früher gibt es rote Kennzeichen nicht mehr für den privaten Gebrauch, sondern nur noch für die gewerbliche Nutzung. Sie dürfen nur noch von

  • Fahrzeugherstellern,
  • Herstellern von Fahrzeugteilen,
  • Werkstätten und
  • Fahrzeughändlern verwendet werden.

Verleihen verboten, Nutzung nur zu Betriebszwecken!

Ein verbreiteter Irrglaube ist auch, dass man rote Kennzeichen verleihen darf. Das ist nicht der Fall! Wer rote Kennzeichen verleiht, oder ein rotes Kennzeichen ausleiht, und das Fahrzeug nutzen lässt oder nutzt, bekommt Probleme in Bezug auf das Zulassungs-, das Steuer- und das Versicherungsrecht! Wenn das Fahrzeug mit rotem Kennzeichen zu betriebsfremden Zwecken gebraucht wird, kann es sein, dass der Versicherungsschutz (etwa einer Vollkaskoversicherung) entfällt, denn in vielen Versicherungsverträgen ist eine so genannte „Verwendungsklausel“ vorgesehen.

Unfall mit rotem Kennzeichen: Vorsicht vor Tricks!

Wenn ein Unfallverursacher ein rotes Kennzeichen hat, kann es vorkommen, dass dessen Haftpflichtversicherung deswegen den Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu Unrecht kürzt, zum Beispiel in Bezug auf Gutachterkosten. Aber auch bei betriebsfremder Verwendung eines Fahrzeugs mit rotem Kennzeichen muss der Haftpflichtversicherer den Unfallschaden ersetzen! Lassen Sie sich davon als Unfallgeschädigter nicht beeindrucken, als Unfallgeschädigter kann man die vollständige Schadensersatzsumme inklusive Gutachterkosten geltend machen!

Ausfuhrkennzeichen

Bei Ausfuhrkennzeichen handelt es sich nichtum rote Kennzeichen. Die Schrift ist schwarz, auf der rechten Seite befindet sich ein roter Untergrund. Man kann sie schnell mit Saisonkennzeichen verwechseln, weil sich auf dem roten Untergrund übereinander drei Zahlenpaare befinden. Das letzte große Zeichen ist immer ein A:

Ausfuhrkennzeichen mit rotem Rand

Kurzzeitkennzeichen, gelbe Kennzeichen

Für den privaten Gebrauch gibt es seit 1998 das Kurzzeitkennzeichen. Wie das „rote Kennzeichen“ darf das Kurzzeitkennzeichen auch nur für bestimmte Fahrten verwendet werden (Überführungsfahrten, Test- und Probefahrten, TÜV). Es wird eine gültige Hauptuntersuchung („TÜV“) für die Anmeldung benötigt. Die Kennzeichen gelten maximal fünf Tage lang. Teilweise können sie online beantragt werden.

Kurzzeitkennzeichen sind auch als „gelbe Kennzeichen“ bekannt, weil sie auf der rechten Seite einen gelben Hintergrund haben, auf dem das Auslaufdatum angegeben ist. Statt mit einer „06“ beginnt die Erkennungsnummer mit einer „04“:

Gelbes Kurzzeitkennzeichen

Grüne Kennzeichen

Fahrzeuge, deren Halter von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind, bekommen gemäß § 9 Abs. 2 FZV grundsätzlich ein grünes Kennzeichen zugeteilt. Dazu gehören vor allem:

  • Von der Zulassungspflicht befreite Fahrzeuge (Arbeitsmaschinen und Stapler, Elektrokleinstfahrzeuge,
  • bestimmte Landwirtschafts- und Forstwirtschaftsmaschinen und Anhänger, …)
  • Straßenreinigungsfahrzeuge,
  • Rettungs- und Katastrophenschutzfahrzeuge
  • Anhänger zur Beförderung von Sportgeräten oder Sporttieren,
  • Fahrzeuge für Kranken- und Behindertentransport, und
  • Fahrzeuge gemeinnütziger Organisationen (unter bestimmten Voraussetzungen).

Grünes Kennzeichen

Die Steuerbefreiung bringt dem Fahrzeughalter einen deutlichen finanziellen Vorteil (etwa 200,- Euro pro Jahr). Allerdings benötigt man hierfür eine Bestätigung des Zolls oder des Finanzamts. Als Halter muss man außerdem den Nutzungszweck bei jeder Verkehrskontrolle nachweisen können. Das Fahrzeug darf auch nicht einfach für gebrauchsfremde Zwecke verwendet werden (Milchtransporter für Wasser- oder Kraftstofftransport; Pferdeanhänger nicht zwecks Sport sondern zwecks Pferdeankauf und –verkauf). Wer etwa vorsätzlich falsche Angaben macht, um an der Kraftfahrzeugsteuer zu sparen, macht sich wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) strafbar.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin