StVO-Novelle: Das Verkehrsministerium plant, noch in diesem Jahr einen Großteil des Straßenverkehrsrechts zu ändern. Wir haben den 142-seitigen Referentenentwurf des Verkehrsministeriums für Sie durchgearbeitet, um für Sie die wichtigsten Änderungen zusammenzufassen!

Sinn und Zweck der StVO-Novelle

Zweck der Änderungen ist es laut Bundesverkehrsministerium (BMVI), die deutschen Straßen sicherer, klimafreundlicher und gerechter zu machen“. Insbesondere sollen Radfahrer besser geschützt, und Fahrgemeinschaften und umweltfreundliche Verkehrsmittel begünstigt werden. Außerdem soll es für das Blockieren von Rettungsgassen härter bestraft werden.

Neue Schilder

Mit der Gesetzesnovelle sollen zu den über 200 Piktogrammen 14 neue Piktogramme in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen werden. Einige davon werden Ihnen trivial erscheinen. Von „Haifischzähnen“, „Fahrradzonen“ oder „Radschnellwegen“ werden aber bislang die wenigsten gehört haben. Um den Überblick zu behalten, folgt nun eine kurze Darstellung mit den wichtigsten Eckpunkten:

1.: Das Linksabbiegerzeichen für Fahrräder

Kaum jemandem wird im deutschen Schilderwald auffallen, dass es dieses Zeichen bislang noch nicht gab: Der grüne Abbiegerpfeil für Fahrräder. Bislang gab es schon einen Grünpfeil, der aber allgemein für alle Fahrzeuge galt. Näheres dazu ergibt sich aus dem Gesetzestext in § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO:

„Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Wer ein Fahrzeug führt, darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. Dabei muss man sich so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.“

Bei dem neuen Verkehrszeichen gilt das nur für Fahrräder: Sie dürfen auch bei rot – sofern es ein entsprechendes Schild an der Ampel gibt – nach rechts abbiegen. Hier das Piktogramm dazu:

Grünpfeil_Radfahrer

2.: Lastenfahrräder

Im innerstädtischen Verkehr sollen vermehrt Fahrräder zum Befördern von Lasten eingesetzt werden. Das – so die Idee – setze weniger Schadstoffe frei als der motorisierte Verkehr, und sei somit umweltschonender. Um die Verwendung von Lastenfahrrädern zu begünstigen, gibt es nun ein neues Piktogramm, das dazu dienen soll, bestimmte Parkflächen und Ladezonen für Lastenfahrräder freizuhalten:

Lastenrad Piktogramm Symbolbild

3.: Radschnellwege

Radschnellwege – das klingt nicht nur wie „Autobahn für Fahrräder“, auch die Piktogramme sehen entsprechend aus:

Radschnellweg_SymbolbildRadschnellweg Symbolbild Ende

Bei Radschnellwegen handelt es sich um Straßen, deren Nutzung ausschließlich Fahrrädern vorbehalten ist. Fußgänger haben dort nichts zu suchen, Fahrradfahrer können also Gas geben. Dadurch sollen kurze Strecken, die alltäglich vor allem mit dem Auto zurückgelegt werden, für den Fahrradverkehr attraktiv gemacht werden. Vor allem sollen also Wohngebiete mit Arbeits- und Ausbildungsstätten sowie Verkehrsknotenpunkten verknüpft werden.

4.: „Mehrfachbesetzte Personenkraftwagen“

Auch Fahrzeuge, die mehr als drei Personen befördern, sollen im Straßenverkehr begünstigt werden. Dadurch sollen Verkehrsteilnehmer zur Bildung von Fahrgemeinschaften angeregt werden, denn bislang werden pro Auto durchschnittlich weniger als 1,5 Personen befördert. Gäbe es mehr Fahrgemeinschaften, dann gäbe es weniger Staus und Abgase. Die Behörden können deshalb bald den Busstreifen für solche Fahrzeuge durch dieses Sonderzeichen freigeben:

Mehrfachbesetzte Personenkraftwagen Autos mehrere Insassen Symbolbild

Der Busstreifen wird aber nicht generell für Fahrzeuge mit mehr als drei Insassen freigegeben! Immer auf entsprechende Schilder achten!

5.: Wohnmobile

Dass mit der Novelle Wohnmobile ein eigenes Piktogramm erhalten, hängt weniger mit einem Sicherheits- oder Umweltbedürfnis zusammen. Vielmehr gibt es einfach ein Bedürfnis danach, Parkplätze für Wohnmobile zu schaffen und entsprechend zu kennzeichnen. Das war bislang mangels Rechtsgrundlage nicht möglich. Die Parkplätze werden mit folgendem Piktogramm versehen:

Wohnmobil Symbolbild

6.: Elektrokleinstfahrzeuge

Nicht nur Lastenfahrräder sollen im Straßenverkehr bevorzugt werden können. Auch für andere umweltfreundliche Fahrzeuge soll das möglich sein. Wem folgendes Bild nicht bekannt vorkommt, der sich hier mit unserem Beitrag zur Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) informieren:

eKFV Elektrokleinstfahrzeug E-Roller Symbolbild

Es handelt sich dabei um E-Roller, die inzwischen überall in deutschen Großstädten anzutreffen sind.

7.: Carsharing-Dienste

Carsharingdienste sollen wie Taxis beim Parken besondere Rechte erhalten. Carsharing kann nun wie folgt gekennzeichnet werden:

Carsharing Symbolbild

Carsharing-Fahrzeuge sollen einen Ausweis und eine entsprechende Plakette tragen:

Carsharing Plakette Symbolbild

8.: Fahrradzonen und Überholverbote

Neben der Einrichtung von Radschnellwegen soll es nun auch die Möglichkeit geben, an bestimmten Orten das Überholen von Fahrrädern, Mofas und Motorrädern komplett zu verbieten. Das neue Verkehrszeichen sieht so aus:

Überholverbot Symbolbild

Zudem werden neue Fahrradzonen eingerichtet. Innerhalb dieser Zonen dürfen nur Elektrokleinstfahrzeuge (E-Roller) und Fahrräder als Fahrzeuge erlaubt sein. Fahrradzonen werden wie folgt gekennzeichnet:

Fahrradzone SymbolbildFahrradzone Symbolbild Ende

9.: „Haifischzähne“

Mit so genannten „Haifischzähnen“ soll auf den Kreuzungen und Einmündungen von Radschnellwegen die Vorfahrt geregelt werden. Die „Haifischzähne“ sind in den Niederlanden bereits als offizielles Verkehrszeichen („Haaientanden“) bekannt und bewährt. Dort regeln sie die Vorfahrt wie folgt: Wer auf der Straße mit Haifischzähnen fährt, der muss warten, bis andere Verkehrsteilnehmer die jeweilige Fahrbahnstelle passiert haben. Haifischzähne sehen so aus:

Haifischzähne Symbolbild Straßenverkehr

Mehr Ordnungswidrigkeiten, härtere Sanktionen

Nicht nur die StVO, sondern auch die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) und auch die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) werden ergänzt. Punkte im Fahreignungsregister und höhere Geldsanktionen werden bei bestimmten Verstößen nun fällig. Auch ein neuer Fall für ein Fahrverbot ist vorgesehen.

Rettungsgassen unbedingt freihalten!

Bislang war das Nutzen oder Blockieren einer Rettungsgasse schon illegal. Allerdings wurden die Sanktionen drastisch verschärft: Wer eine Rettungsgasse unerlaubt nutzt oder nicht bildet, der riskiert nicht nur ein Bußgeld in Höhe von 240 bis 320 Euro (je nachdem, ob eine Verkehrsbehinderung, Gefährdung oder gar Sachbeschädigung herbeigeführt wurde), sondern auch zwei Punkte im Fahreignungsregister und einen Monat Fahrverbot. Außerdem handelt es sich dabei nun um einen „A-Verstoß“: Wer einen Verstoß dieser Art begeht, und eine Fahrerlaubnis auf Probe hat, der hat also viel zu verlieren.

Park- und Halteverstöße

Wer unerlaubt in der zweiten Reihe oder auf dem Radweg parkt, der bekommt nun erhebliche Probleme: Das Bußgeld für Verstöße wurde von 20-35,- auf 70-100,- Euro erhöht. Der Bußgeldrahmen wurde also teilweise vervierfacht! Außerdem droht auch hier nun ein Punkt im Fahreignungsregister. Das ist für das Falschparken eigentlich ungewöhnlich. Bislang sind nur Punkte im Fahreignungsregister vorgesehen, wenn jemand auf Autobahnen oder Kraftstraßen parkt, oder durch Parken an Engstellen oder Feuerwehrzufahrten Rettungsfahrzeuge behindert.

Abschalten eines Bremsassistenten

Für bestimmte Fahrzeuge sind Notbremsassistenzsysteme verpflichtend. Wer ein solches System vorschriftswidrig bei einer Geschwindigkeit von über 30 km/h nicht nutzt oder abschaltet, der kann nun auch einen Punkt im Fahreignungsregister bekommen. Der Verstoß hat auch ein Bußgeld in Höhe von 100,- Euro zur Folge. Das hat auch Gründe. Laut dem ADAC könnte eine verpflichtende Einführung eines Notbremsassistenten für alle Fahrzeuge etwa 300 Fußgänger- und Radfahrerleben jährlich retten.

Schutz und Vereinfachungen für Fahrradfahrer

Deutschlandweit gibt es mehr als 80.000 Verkehrsunfälle jährlich, bei denen Radfahrer verletzt werden. Dabei sterben etwa 400 Fahrradfahrer. Deshalb sollen Fahrradfahrer nun besser geschützt werden. Einerseits gibt es nun Fahrradzonen und Radschnellbahnen, die Verstöße beim Parken auf Radwegen werden auch härter bestraft (siehe oben).

Es gibt auch eine weitere Neuerung: Der Mindestabstand beim Überholen von Fahrrädern war bislang nie exakt festgelegt. Während im Gesetz immer die Rede von einem „ausreichenden Seitenabstand“ war, gibt es nun eine genaue Größe: Innerorts muss man beim Überholen eines Fahrrads 1,5 Meter Abstand halten, außerorts sind es 2 Meter.

Schwere Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen dürfen bald innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit (7-11 km/h) nach rechts abbiegen, was Radfahrer und Fußgänger schützen soll.

Zuletzt sollen Fahrradfahrer in Einbahnstraßen künftig öfters in Gegenrichtung fahren dürfen. Auch wenn das bisher sowieso kaum beachtet wird, wird es einige Fahrradfahrer freuen.

Weitere Änderungen

Wer auf einem Parkplatz für Elektrofahrzeuge parkt, obwohl er keines fährt, muss künftig ein Bußgeld in Höhe von 55,- Euro zahlen. Auch das vorschriftswidrige Befahren einer Fahrradzone oder eines Fahrradschnellweges wird nun logischerweise bebußt.

Im Übrigen gibt es viele kleinere Änderungen, die meisten davon werden einfache Verkehrsteilnehmer nicht wesentlich betreffen. Teilweise stellen die neuen Regelungen auch nur die bisherige Gesetzeslage klarer dar, geben den Behörden einen weiteren Handlungsspielraum, oder sollen Verwaltungsaufgaben vereinfachen. Auch für den Großraum- und Schwertransportverkehr gibt es Neuregelungen. Diese Regelungen haben wir der Einfachheit halber nicht erwähnt.

Da es sich bislang um einen Entwurf handelt, und die Bundesländer noch nicht zugestimmt haben, werden wir Sie über aktuelle Entwicklungen weiter auf dem Laufenden halten.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin