Was ist eine Industrie- und Handelskammer?

Die Industrie- und Handelskammern (IHK) sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die sich aus Gewerbetreibenden einer Region zusammensetzen. Das bedeutet, dass sie zwar vom Staat berechtigt und verpflichtet werden, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen, aber sie setzen sich aus Unternehmensvertretern zusammen.

Alle Gewerbetreibenden gehören ihrer jeweiligen Industrie- und Handelskammer per Gesetz an. Ausgenommen davon sind Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler (Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten, …). Handwerksunternehmen sind allerdings in Handwerkskammern organisiert. Für die meisten Freiberufler gilt ähnliches: Sie sind in Ärztekammern, Anwaltskammern, Architektenkammern und Ingenieurskammern organisiert.

Die Pflichtmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern ist laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Juli 2017 (Az.: 1 BvR 2222/12) verfassungsgemäß.

Aufgaben und Ziele einer IHK

Die wesentlichen Aufgaben und Ziele der Industrie- und Handelskammern sind in § 1 Abs. 1 des IHK-Gesetzes (IHKG) wie folgt festgeschrieben:

„Die Industrie- und Handelskammern haben, soweit nicht die Zuständigkeit der Organisationen des Handwerks nach Maßgabe des Gesetzes zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) vom 17. September 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 1411) gegeben ist, die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirkes wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen; dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“

Einzelne Aufgaben und Ziele:

Öffentliche Bestellung von Sachverständigen

Neben den oben genannten Kammern (Ingenieur-, Architektenkammern etc.) sind auch regelmäßig die Industrie- und Handelskammern für die öffentliche Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen zuständig (§ 36 GewO in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften). Die Sachverständigen werden darauf vereidigt, dass sie ihre Aufgaben unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllen und die Gutachten persönlich erstatten. Sie müssen vor allem über entsprechende Lebens- und Berufserfahrung verfügen, in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, und es darf keine Bedenken gegen ihre Eignung geben.

Register- und Verzeichnisführung

Grundsätzlich herrscht in Deutschland Gewerbefreiheit (§ 1 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO)). Allerdings ist für bestimmte Gewerbe eine Erlaubnis vorgesehen. Diese erlaubnispflichtigen Gewerbe sind in den §§ 29-36 GewO angegeben. Dazu gehören auch Versicherungsvermittler, Versicherungsberater, Finanzanlagenvermittler, Honorar-Finanzanlagenberater und Immobiliardarlehensvermittler. Wer ein Vermittlergewerbe betreiben möchte, muss sich ins Vermittlerregister der IHK eintragen lassen (§ 34d X S 1, § 34f V, § 34h I S 4 und § 34i VIII GewO). Gemäß § 11a GewO ist die IHK also Registerbehörde. Das Register dient Transparenz und Verbraucherschutz.

Die Industrie- und Handelskammern führen auch Verzeichnisse der Berufsausbildungsverhältnisse für kaufmännische und gewerbliche Ausbildungsberufe und nehmen die Lehrabschlussprüfungen ab.

Sachkundeprüfungen

Bestimmte erlaubnispflichtige Gewerbe setzen auch eine Sachkundeprüfung voraus. Im Rahmen solcher Prüfungen kontrollieren die IHK, ob jemand die nötigen rechtlichen und praktischen Kenntnisse hat, um ein solches Gewerbe auszuüben. Eine Sachkundeprüfung braucht man zum Beispiel für das Bewachungs- oder Vermittlergewerbe.

Daneben stellen die Industrie- und Handelskammern auch andere Bescheinigungen aus. Wer zum Beispiel einen Glücksspielautomaten aufstellen möchte, muss gemäß § 33c Abs. 2 Nr. 2 GewO mit einer Bescheinigung einer IHK nachweisen, dass er über die nötigen Kenntnisse zum Spieler- und Jugendschutz unterrichtet wurde.

Anhörung bei Gewerbeuntersagung

Wer sich als unzuverlässig erweist, etwa gegen gesetzliche Vorschriften oder Auflagen verstößt, kann seine Gewerbeerlaubnis verlieren. Vor so einer Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit muss aber die jeweilige IHK (neben eventuellen staatlichen Aufsichtsbehörden, Handwerkskammern und Prüfungsverbänden) angehört werden.

Überwachung des Wettbewerbs

Die Industrie- und Handelskammern können Unternehmen, die unlautere Handlungen vornehmen, abmahnen oder verklagen. Unlautere geschäftliche Handlungen können zum Beispiel irreführende Werbung, aggressive Werbung oder Verstöße gegen Verbraucherschutznormen sein. Die Rechtsgrundlagen hierzu finden sich vor allem in den §§ 1 bis 3 des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) und in §§ 1 bis 12 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Wahrung von Anstand und Sitte

Das Bild des ehrbaren, gewissenhaften, fleißigen und ehrlichen Kaufmanns kommt noch aus der Gründungszeit des deutschen Reichs. Oft ist dabei die Rede von den kaufmännischen Tugenden. So ist in § 1 Abs. 1 des IHKG die „Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns“ genannt. Auch im Handelsgesetzbuch (HGB), das auf Regelungen aus dem Jahr 1861 zurückgeht und schon 1896 in Kraft trat, ist die Rede von der „Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes“. Handelsvertreter haben ihre Pflichten gemäß § 86 Abs. 3 HGB mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ wahrzunehmen, und in § 130a Abs. 1 HGB ist die Rede von einem „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“. Auch durch GmbH-Gesetz und Aktiengesetz werden Geschäftsführer und Vorstand von Kapitalgesellschaften verpflichtet, die „Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ anzuwenden.

Einige Industrie- und Handelskammern haben Leitlinien oder Leitbilder für „ehrbare Kaufleute“ veröffentlicht. Dazu gehören Grundsätze wie das faire Verhalten gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern, die Ablehnung kurzfristigen Gewinnstrebens, und das Halten von Absprachen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin