Fahrverbot

Fahrverbot

Definition und Erklärung des Begriffs Fahrverbot

Ein Fahrverbot (§ 25 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 44 Strafgesetzbuch (StGB)) kann von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde verhängt werden. Das Fahrverbot ist, wie der Name schon nahelegt, ein Verbot, im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Es kann sich auf alle Arten von Kraftfahrzeugen oder auf eine bestimmte Art beziehen. Damit ein Fahrverbot verhängt werden darf, müssen die Voraussetzungen des § 44 StGB oder die des § 25 StVG vorliegen. Das Fahrverbot wird bei Ordnungswidrigkeiten mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung, bei Straftaten mit Gelangen des Führerscheins in amtliche Verwahrung oder ein Monat nach Eintritt der Rechtskraft wirksam.

Fahrverbot nach § 25 StVG

Der § 25 StVG regelt ein Fahrverbot bei der Begehung bestimmter Ordnungswidrigkeiten. Es handelt sich dabei um eine Nebenfolge. Bei den Ordnungswidrigkeiten muss es sich um solche handeln, die in § 24 StVG genannt sind. Dieser Paragraph verweist seinerseits auf Rechtsverordnungen und Anordnungen nach den §§ 6 Abs. 1, 6e Abs. 1 und 6g Abs. 4 des StVG. Wer dagegen verstößt, begeht also eine Ordnungswidrigkeit. Darüber hinaus verlangt § 24 Abs. 1 StVG, dass der Betroffene die Ordnungswidrigkeit „unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers“ begangen hat.

Verwirrende Verweisungen?

Die Verweisungstechnik zwischen mehreren Paragraphen, Gesetzen und Verordnungen kann verwirren. Hier deshalb eine kurze Erklärung: Hin und wieder dauert es relativ lange, bis ein Gesetz vom Parlament erlassen wird. Durch Bundesverordnungen können viel schneller Regelungen zum Straßenverkehr getroffen werden. Ein Gesetz ist aber bei jedem Eingriff in Grundrechte nötig. Das Parlament gibt hier deshalb per Gesetz Regelungskompetenz an die Regierung ab. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch möglich. Das Verkehrsministerium erlässt dann Rechtsverordnungen zur Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Straßenverkehr (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 StVG), zur Kennzeichnung, Beschaffenheit und Prüfung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a StVG), und zu sonstigen Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr (z.B. § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG).

Welche Ordnungswidrigkeiten gibt es?

Die Paragraphen 6, 6e und 6g StVG enthalten riesige Kataloge dessen, was das Verkehrsministerium überhaupt regeln darf. Weil das extrem unübersichtlich ist, und kaum jemand schnell herausfinden kann, was jetzt eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 24 StVG ist, haben wir Ihnen hier in aller gebotenen Kürze alle Ordnungswidrigkeiten aufgestellt, bei denen es regelmäßig ein Fahrverbot gibt und in welcher Höhe Bußgeld und Fahrverbote ausfallen (Stand: 17.07.2018):

Ordnungswidrigkeit Sanktion
Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO)
Überholung bei Überholverbot mit Gefährdung (§§ 5 II S 1, III Nr. 1, 19 I Nr. 5, 19a, § 41 I StVO) Bußgeld: 250,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Überholung bei Überholverbot mit Sachbeschädigung (§§ 5 II S 1, III Nr. 1, 19 I Nr. 5, 19a, § 41 I StVO) Bußgeld: 300,- €; Fahrverbot: 1 Monat
LKW bei Sichtweite von weniger als 50m überholen, mit Gefährdung (§§ 5 IIIa, 1 II, 49 I Nr. 1, 5 StVO) Bußgeld: 200,- €; Fahrverbot: 1 Monat
LKW bei Sichtweite von weniger als 50m überholen, mit Sachbeschädigung (§§ 5 IIIa, 1 II, 49 I Nr. 1, 5 StVO) Bußgeld: 240,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Keine Rettungsgasse gebildet, mit Behinderung (§ 11 II, 1 II, 49 I Nr. 11 StVO) Bußgeld: 240,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Keine Rettungsgasse gebildet, mit Gefährdung (§ 11 II, 1 II, 49 I Nr. 11 StVO) Bußgeld: 280,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Keine Rettungsgasse gebildet, mit Sachbeschädigung (§ 11 II, 1 II, 49 I Nr. 11 StVO) Bußgeld: 320,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Auf einer durchgehenden Fahrbahn wenden (§§ 18 VII, 2 I, 49 I Nr. 2, 18 StVO) Bußgeld: 200,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Bahnübergang trotz Wartepflicht überquert (§§ 19 II S 1 Nr. 2-5, 49 I Nr. 19 a StVO) Bußgeld: 240,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Über eine rote Ampel fahren (§§ 37 II Nr. 1 S 7, 11 Nr. 2, III S 1, 2; 1 II; 49 I Mr. 1, III Nr. 2 StVO) je nach Gefährdung, Sachbeschädigung oder Dauer der Rotphase: Bußgeld: 200-360,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Nicht rechtzeitig einem Einsatzfahrzeug mit blauem Blinklicht Platz gemacht (§§ 38 I S 2; 1 II; 49 III Nr. 3 StVO) je nach Gefährdung oder Sachbeschädigung: Bußgeld: 240-320,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Für Gefahrgut gesperrte Straße mit gefährlicher Ladung befahren Bei Eintragung einer Entscheidung im Fahreignungsregister: Bußgeld: 250,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz (StVG)
Kfz mit 0,5 Promille oder mehr Blutalkoholkonzentration gefahren (§ 24a I StVG) Bußgeld: 500,- €; Fahrverbot: 1 Monat
KfZ mit 0,5 Promille oder mehr Blutalkoholkonzentration gefahren (§ 24a I StVG), während schon Einträge wegen Alkohol- oder Rauschfahrten im Fahreignungsregister stehen Bußgeld: 1000-1500,- €; Fahrverbot: 3 Monate (!)
KfZ unter Wirkung eines Rauschmittels führen (§ 24a II S 1 i.V.m. III, Anlage zum StVG) Bußgeld: 500,- €; Fahrverbot: 1 Monat
KfZ unter Wirkung eines Rauschmittels führen, während schon Einträge wegen Alkohol- oder Rauschfahrten im Fahreignungsregister stehen (§ 24a II S 1 i.V.m. III, Anlage zum StVG) Bußgeld: 1000-1500,- €; Fahrverbot: 3 Monate (!)
Vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten nach StVO
Über die geschlossene Schranke eines Bahnübergangs fahren (§§ 19 II S 1 Nr. 3; 49 I Nr. 19 a StVO) Bußgeld: 700,- €; Fahrverbot: 3 Monate (!)
Elektronische Geräte (Handy, Tablet etc.) beim Fahren nutzen (§§ 23 Ia; 49 I Nr. 22 StVO) je nach Gefährdung oder Sachbeschädigung: Bußgeld: 150-200,- €; Fahrverbot: 1 Monat
Fahren eines Fahrzeugs, das laut Beschilderung zu schwer oder zu lang für die jeweilige Straße ist (§§ 41 I, 43 III S 2, 49 III Nr. 4, 6 StVO) Bußgeld: 500,- €; Fahrverbot: 2 Monate (!)

Fazit

Finger weg von Alkohol und Drogen, insbesondere beim Autofahren. Hier werden Verstöße besonders hart bestraft, vor allem, weil viele andere Verkehrsteilnehmer dadurch gefährdet werden. Außerdem sollte man die Finger von Handy und Tablet halten. Besonders wichtig ist es auch, niemals beschrankte Bahnübergänge zu überqueren. Schwere Unfälle sind oft die Folge!

Fahrverbote nach § 44 StGB

Neben den Fahrverboten bei Ordnungswidrigkeiten gibt es auch Fahrverbote, die bei der Begehung von Straftaten verhängt werden können. Bei Straftaten kann das Fahrverbot sogar bis zu sechs Monate dauern (im Jugendstrafrecht nur 3 Monate gemäß § 8 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG))! Seit einer umstrittenen Reform, die am 24. August 2017 in Kraft getreten ist, kann das Fahrverbot bei jeder Straftat verhängt werden. Es wird nicht mehr vorausgesetzt, dass es sich um ein Straßenverkehrsdelikt handelt!

Entziehung der Fahrerlaubnis

Wichtig: Ein Fahrverbot ist keine Entziehung der Fahrerlaubnis! Diese Begriffe müssen unbedingt auseinandergehalten werden! Während bei einem Fahrverbot der Betroffene seinen Führerschein in amtliche Verwahrung gibt, und ihn nach Ablauf des Fahrverbotes zurückbekommt, erlischt mit der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB, § 3 StVG, § 46 Fahrerlaubnisverordnung (FeV)) die Erlaubnis, ein Kraftfahrzeug zu führen! Der Führerschein wird dabei eingezogen und unbrauchbar gemacht!

Egal, ob Entziehung der Fahrerlaubnis oder Fahrverbot: Verstöße dagegen sind nach § 21 StVG strafbar! Außerdem haben viele Versicherer eine „Führerscheinklausel“: Wenn der Fahrer keine gültige Fahrerlaubnis hat, oder mit einem Fahrverbot belegt ist, muss der Versicherer dann nicht zahlen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Sachverständigengutachten

Sachverständigengutachten

Was ist ein Sachverständigengutachten?

Ein Sachverständiger oder Gutachter ist eine Person, die über ein überdurchschnittliches Fachwissen in einem bestimmtem Bereich verfügt (bzw. verfügen sollte). Mithilfe seiner Expertise kann ein Gutachter komplexe technische Fragen klären, die von Laien nur schwerlich eingeschätzt werden können. Das Sachverständigengutachten stellt demnach eine schriftliche Einschätzung eines Experten zu einer bestimmten Situation dar. Es kann auch als Beweismittel in einem Rechtsstreit dienen, muss es aber nicht.

Beispiele

Im Rahmen eines Sachverständigengutachtens kann zum Beispiel der Wert eines Gemäldes oder eines Sammlerstücks ermittelt werden. Medizinische Gutachten haben oft die Einschätzung gesundheitlicher Schäden und Fehlbehandlungen zum Inhalt. Psychologische Gutachten dagegen können wegen der Frage der Schuldfähigkeit von Straftätern in Strafprozessen relevant werden, oder über die geistige Reife von Jugendlichen Auskunft geben. Daneben gibt es auch Rechtsgutachten, die klären sollen, ob eine Handlung oder ein Zustand gegen Gesetze verstößt.

Wer kann Gutachter werden?

Für jede Frage gibt es eine Person, die eine Antwort darauf parat hat. So gibt es auch die verschiedensten Gutachter – Von A wie Anwalt bis Z wie Zahntechniker. Wer eine entsprechende Qualifikation hat, etwa ein abgeschlossenes Hochschulstudium, einen Meisterbrief oder langjährige Berufserfahrung, kann dem Grunde nach Gutachter sein. Strikte Regelungen gibt es hier aber nicht. Das wird zwar kritisiert, ist aber teilweise notwendig, weil es für die Einschätzung bestimmter Sachverhalte keine offiziell anerkannte Qualifikation gibt. Theoretisch kann sich also jeder, der eine gewisse Qualifikation hat, Gutachter nennen. Wer sich als Sachverständiger bezeichnet, muss im Zweifel sein besonderes Fachwissen auf einem besonderen Gebiet nachweisen. Vorsicht: Das gilt nicht für öffentlich bestellte Sachverständige. Wer diese Bezeichnung führt, ohne ein solcher Sachverständiger zu sein, macht sich nach § 132a Abs. 1 Nr. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) sogar strafbar!

Branchenstandards und außergesetzliche Normen

Auf privatrechtlicher Ebene haben sich für bestimmte Berufsstände und Sachverhalte aber bereits Standards gebildet. Es gibt die Norm 17024 vom Deutschen Institut für Normung (DIN) , zudem prüfen und zertifizieren bestimmte Verbände Sachverständige. Einige Verbände wie das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) setzen auch eigene Standards für Gutachten.

Parteigutachten

Zwei Arten von Gutachten sollte man unterscheiden: Privat- und Gerichtsgutachten. Jeder kann ganz unabhängig von Gerichtsverfahren privat ein Gutachten in Auftrag geben, etwa, um einen Dachbodenfund schätzen zu lassen. Ein anderes Beispiel: Der Unfallgeschädigte kann bei einem Kfz-Sachverständigen ein Gutachten in Auftrag geben, um festzustellen, wie groß der Schaden an seinem Fahrzeug ist. Diese Art der Sachverständigengutachten nennt man Privatgutachten. Wird ein Gutachten dagegen von Seiten des Gerichts in den Prozess eingebracht, spricht man von Gerichtsgutachten.

Gerichtsgutachten

Wie ein Gerichtsgutachten in den Prozess eingebracht wird, ist im Gesetz explizit geregelt.

Vorschriften zu Sachverständigengutachten finden sich vor allem in der Zivilprozessordnung (ZPO) in den §§ 402 ff. und in der Strafprozessordnung (StPO) in den §§ 72 ff. Andere Gesetze verweisen auf diese Vorschriften, zum Beispiel das Sozialgerichtsgesetz (SGG) in § 118 Abs. 1, oder die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in § 98.

Im Wesentlichen werden die Vorschriften, die die Gesetze für Zeugen vorsehen, auf Sachverständige angewandt. Die Auswahl der gerichtlichen Sachverständigen erfolgt durch den Richter. Wie Richter können auch gerichtliche Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit und aus anderen Gründen abgelehnt werden. Jeder öffentlich bestellte oder ermächtigte Sachverständige ist verpflichtet, nach Maßgabe des jeweiligen Auftrags ein Gutachten zu erstatten. Das Gericht kann auch anordnen, dass der gerichtliche Sachverständige erscheint und sein schriftliches Gutachten erläutert.

Der gerichtliche Auftrag

Der Auftrag des Gerichts umfasst immer nur eine ganz spezifische Frage. Er kann den Sachverständigen also fragen, welche Geschwindigkeit ein Auto zu einem bestimmten Zeitpunkt gehabt haben muss, oder ob ein ärztlicher Eingriff „lege artis“, also standesgemäß durchgeführt wurde. Der Richter fragt den Sachverständigen also nicht, wie er den Fall zu entscheiden hat. Das kann der Sachverständige auch gar nicht beurteilen. Rechtsgutachten werden höchstens dann in Auftrag gegeben, wenn es um ausländisches Recht geht, in allen anderen Fällen hat das Gericht sämtliche streitrelevanten Normen zu beherrschen.

Gutachter – die heimlichen Hinterzimmerrichter?

Trotzdem haben Gutachten einen bedeutsamen Einfluss auf den Ausgang eines Rechtsstreits. Daran gibt es gelegentlich Kritik, es ist sogar ein Buch mit dem Titel „Die unheimlichen Richter: Wie Gutachter die Strafjustiz beeinflussen“ erschienen. Die Kritik liegt vor allem darin, dass eine „Justiz im Hinterzimmer“ befürchtet wird, die niemand mehr kontrollieren kann. In Deutschland sind Gerichtsverfahren (mit wenigen Ausnahmen) öffentlich, und es gibt mit Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) eine verfassungsrechtliche Garantie, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Wenn nun große Teile des Verfahrens durch ein Gutachten entschieden werden, das die Öffentlichkeit nicht zu sehen bekommt, und der Richter sich in dem jeweiligen Gebiet nicht auskennt, erscheint das problematisch. Dazu kommt noch, dass bei manchen Sachgebieten, wie zum Beispiel der Psychologie, manche Methoden heftig umstritten sind.

Ein Gutachten als Sicherheitsfaktor

Richter sind allerdings häufig auf Fachkenntnisse angewiesen, die sie sich nicht einfach aneignen können. Gutachter werden also gebraucht, um manche Fälle adäquat zu entscheiden. Es gibt ohnehin regelmäßig ein Risiko, dass ein Fall falsch entschieden wird. Gelegentlich ist eine Fehlentscheidung auch auf ein Gutachten zurückzuführen. Gutachten mindern das Risiko einer Fehlentscheidung aber in der Regel, weil sie dem Richter mit ihrer Expertise nur zur Seite stehen. Der Richter darf sich auch nicht blind auf den Gutachter verlassen. Er muss jedes Gutachten zumindest auf Plausibilität überprüfen, und sollten Fehler im Gutachten auftreten, dann können die Parteien diese Fehler auch bemängeln.

Das Gutachten im Verkehrsrecht

Im Verkehrsrecht dient ein Sachverständigengutachten in der Regel der Beweissicherung nach einem Verkehrsunfall. Das erstellte Gutachten liefert eine umfangreiche und detaillierte Dokumentation zu Schadensbild, die Schadenshöhe, Reparaturweg sowie diversen allgemeinen Fahrzeugdaten. Ein Unfallgeschädigter darf immer einen unabhängigen Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens beauftragen. Das ist auch zu empfehlen, um eine ordnungsgemäße und neutrale Begutachtung zu erreichen. Die Kosten dafür kann er als Teil des Schadensersatzes geltend machen. Das Gutachten eines Sachverständigen nach einem Unfall ist aber kein Beweismittel im Sinne der Zivilprozessordnung. Sollte es zum Streit vor Gericht kommen und die Gegenseite die Richtigkeit des Gutachtens bestreiten, wird das Gericht in der Regel einen gerichtlich bestellten Gutachter beauftragen.

Tricks der Versicherungen

Es ist nicht unüblich, dass die gegnerischen Haftpflichtversicherer versuchen, den Geschädigten davon zu überzeugen, auf einen freien Sachverständigen zu verzichten und einen Gutachter der Versicherung zu beauftragen. Auch wenn der Preis dafür in der Regel günstiger ist, sollte ein Geschädigter sich davon nie täuschen lassen: Dieser Gutachter steht regelmäßig im Lager der Versicherung und rechnet den Schaden kleiner. Weil so oder so der Schädiger die Gutachterkosten tragen muss, hat die Versicherung noch dazu im Hinblick auf die Gutachterkosten ein gutes Geschäft gemacht.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Kündigung

Kündigung

Mit einer Kündigung können Dauerschuldverhältnisse aufgelöst werden. Ein Dauerschuldverhältnis ist ein Schuldverhältnis, bei dem über einen längeren Zeitraum wiederkehrende Leistungen von beiden Vertragspartnern erbracht werden. Beispiele hierfür sind:

  • Mietvertrag (§§ 535 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs, BGB),
  • Darlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB),
  • Pachtvertrag (§§ 581 ff. BGB),
  • Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB),
  • Leasingvertrag und
  • Arbeitsvertrag („Dienstvertrag“, §§ 611 ff. BGB).

Die Kündigung ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung.

Kündigung, Anfechtung, Aufhebung, Erlass

Die Kündigung sollte auf keinen Fall mit den Begriffen „Rücktritt“, „Aufhebung“, „Anfechtung“ oder „Erlass“ verwechselt werden. Es handelt sich hierbei um Rechtsbegriffe, mit denen ein ganz bestimmter Vorgang bezeichnet wird.

Unterschied zum Rücktritt

Anders als bei der Kündigung wird bei einem Rücktritt der bisherige Vertrag in ein so genanntes „Rückgewährschuldverhältnis“ umgewandelt. Das heißt vereinfacht, dass praktisch alles, was bisher im Rahmen des Vertrages geflossen ist, wieder zurückgegeben werden muss. Bei Dauerschuldverhältnissen (wie zB. Miete, Arbeitsvertrag usw.) wäre das aber schwierig. Daher wirkt die Kündigung nur für die Zukunft: Wer wirksam kündigt, der muss in Zukunft keine Leistungen mehr erbringen. Wenn also ein Dauerschuldverhältnis vorliegt, tritt die Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB an die Stelle des Rücktrittsrechts. Ein Vermieter kann sich gemäß § 572 Abs. 1 BGB auch explizit nicht auf Vereinbarungen berufen, die ihm ein Rücktrittsrecht nach Überlassung der Wohnung einräumen.

Unterschied zur Anfechtung

Auch eine Anfechtung ist eine einsitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Mit einer Anfechtung kann man eigene Willenserklärungen nichtig machen. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus § 142 Abs. 1 BGB. Weil sich ein Vertrag aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen zusammensetzt, besteht er nicht mehr, wenn eine der Willenserklärungen nichtig ist. Grundsätzlich könnte man also mit einer Anfechtung auch einen Miet- oder Arbeitsvertrag angreifen. Allerdings ist es hier wichtig, zwischen den verschiedenen Arten der Anfechtung zu unterscheiden: Während eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung nach § 123 I BGB immer möglich ist, ist eine Anfechtung wegen eines Irrtums nach den §§ 119 f. BGB bei Dauerschuldverhältnissen in der Regel ausgeschlossen. Es gibt bei einer Störung des Vertragsverhältnisses nämlich regelmäßig andere gesetzliche Möglichkeiten, die zuerst ausgeschöpft werden sollen. So jedenfalls die Vorstellung des Gesetzgebers.

Unterschied zum Erlass

Im Vergleich zu Anfechtung, Kündigung und Rücktritt ist der Erlass gemäß § 397 BGB ein Vertrag. Beide Vertragsparteien müssen also gemeinsam vereinbaren, dass keine Schulden mehr bestehen sollen, oder dass das Schuldverhältnis nicht mehr bestehen soll. Der Erlassvertrag wird auch als Aufhebungsvertrag bezeichnet, wenn der komplette Vertrag aufgehoben werden soll.

Ordentliche und außerordentliche Kündigung

Die Kündigung ist im BGB nicht komplett einheitlich geregelt. Je nach Vertragstyp (Mietvertrag, Dienstvertrag usw.) gibt es verschiedene Voraussetzungen für eine Kündigung. Insbesondere gibt es unterschiedliche Fristen.

Das Gesetz unterscheidet aber regelmäßig zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung. Die ordentliche Kündigung ist der „Regelfall“. Diese Art der Kündigung hat nicht besonders hohe Voraussetzungen und ist praktisch nur an Fristen gebunden. Darüber hinaus kann bei besonderen Ereignissen oft außerordentlich gekündigt werden. In der Regel ist Voraussetzung dafür, dass es einer Vertragspartei nicht mehr zumutbar ist, bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin am Vertrag festzuhalten. Das kann der Fall sein, wenn die andere Vertragspartei ihre vertraglichen Pflichten in grobem Maße verletzt hat. Das Gesetz nennt einen „wichtigen Grund“, der vorliegen muss (§§ 314 Abs. 1, 626 Abs. 1 BGB).

Besondere Vorschriften zur Kündigung

Es kann sein, dass eine Vertragspartei schutzbedürftiger ist als die andere. Sei es, weil eine der beiden Parteien erfahrener, zahlungskräftiger oder in anderer Weise überlegen ist, oder weil für die andere Partei außergewöhnlich viel auf dem Spiel steht, etwa die Existenzgrundlage. Damit das Kündigungsrecht nicht einseitig missbraucht wird oder eine unzumutbare Belastung für den Vertragspartner darstellt, gibt es bei manchen Schuldverhältnissen besondere Voraussetzungen und Schutzmöglichkeiten.

Vorschriften im Arbeitsrecht

Als Arbeiternehmer ist man in besonderer Weise durch das Gesetz geschützt. Es gibt zahlreiche Gesetze zum Schutz vor menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und zum Arbeitsschutz. Darüber hinaus trägt das Gesetz auch dem Umstand Rechnung, dass ein Arbeitsplatz für einen Menschen eine Lebensgrundlage darstellen kann.

Es gibt ein spezielles Gesetz für Kündigungen eines Arbeitnehmers, das Kündigunsschutzgesetz (KschG). Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes sind sozial ungerechtfertigte Kündigungen unwirksam. Wann eine solche Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, ist dort auch beschrieben. Wenn ein Arbeitnehmer seine Kündigung für unwirksam hält, kann er innerhalb von drei Wochen nach Zugang (sehr kurze Frist!) der schriftlichen Kündigung Kündigungsschutzklage beim jeweiligen Arbeitsgericht einreichen. Eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats ist nach § 102 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) unwirksam.

Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen

Hinzu kommt, dass es für eine Kündigung durch den Arbeitgeber Fristen gibt, die sich nach der Länge des Arbeitsverhältnisses richten. Bei einer Länge von zwei Jahren gibt es zum Beispiel eine Kündigungsfrist von einem Monat, bei einer Länge von zwanzig Jahren eine Frist von sieben Monaten (§ 622 BGB).

Form der Kündigung

Während die Begründung eines Arbeitsverhältnisses keiner Form bedarf (Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten den Vertrag sogar schließen, ohne zu reden), muss man ein Arbeitsverhältnis gemäß § 623 BGB in Schriftform kündigen. Das heißt, dass die Kündigung eigenhändig vom Aussteller unterschrieben werden muss (§ 126 Abs. 1 BGB).

Bei Arbeitsverhältnissen muss außerdem der „arbeitsrechtliche Sanktionenkatalog“ eingehalten werden: Der Arbeitnehmer muss in der Regel ermahnt und abgemahnt werden, bevor ihm gekündigt werden kann (siehe hierzu auch § 314 Abs. 2 BGB).

Vorschriften im Mietrecht

Wie im Arbeitsrecht gibt es auch besondere Schutzvorschriften im Wohnraummietrecht. Ein Mietvertrag muss gemäß § 568 Abs. 1 BGB schriftlich gekündigt werden. Außerdem kann der Mieter der Kündigung durch den Vermieter gemäß § 574 Abs. 1 BGB widersprechen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Schließlich darf der Vermieter laut § 573 Abs. 1 BGB nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse daran hat. Das ist etwa dann möglich, wenn der Mieter seine Pflichten erheblich verletzt, der Vermieter die Wohnung unbedingt selbst benötigt oder erhebliche Nachteile erleidet.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in

Unfallschaden – VHV kürzt und pokert

Unfallschaden – VHV kürzt und pokert

Unfallschaden

VHV kürzt und pokert!

1. Wir berichten unter anderem regelmäßig darüber, wie Unfallgeschädigte naiv und ohne Beauftragung eines Anwalts vergeblich versuchen, ihre Schadenersatzansprüche nach einem Unfall alleine gegen eine Haftpflichtversicherung durchzusetzen. Es kommt nicht selten vor, dass man nur ein Drittel von dem erhält, was einem tatsächlich zusteht. Sie glauben es nicht – dann lesen Sie >>>diesen Artikel<<<.

2. Viele Autobesitzer glauben, der „Fall ist doch klar, da braucht man keinen Anwalt„. In der Realität gibt es keine einfachen oder klaren Fälle mehr. Grund dafür ist, dass die Haftpflichtversicherungen versuchen, an allen Ecken und Kanten zu sparen. Dies geschieht auf dem Rücken der Unfallgeschädigten. Einen Unfallschaden zu regulieren, ist kein Kinderspiel.

3. Sogar bei „einfachen und klaren Fällenund anwaltlicher Vertretung ziehen die Haftpflichtversicherungen die Regulierung gerne in die Länge. Manchmal monatelang, manchmal sogar jahrelang. Die Versicherungen möchten mit dem Geld anderer „wirtschaften“. Darüber hatten wir unter anderem >>>hier berichtet<<<.

4. Leidtragende sind nicht nur die Unfallgeschädigten. Auch die vom Unfallgeschädigten beauftragten Personen/Unternehmen sind von der „Sparfalle“ der Haftpflichtversicherungen betroffen. Dazu zählen unter anderem Kfz-Sachverständige, Werkstätten, Autohäuser usw. Dazu kann man >>>hier mehr erfahren<<<.

5. Im vorliegenden Fall wurden nach einem „einfachen und klaren Unfall“ die Kosten des Kfz-Sachverständigen, die Wertminderung und die Reparaturkosten zu Unrecht gekürzt. Der Unfallgeschädigte bekam also die komplette „Kürzungswelle“ der VHV Versicherung zu spüren. Der Kürzung wurde widersprochen und Klage angedroht. Daraufhin zahlte die VHV die Wertminderung und die restlichen Reparaturkosten. Bei den Kosten des Kfz-Sachverständigen pokerte sie und blieb stur. Das kann die VHV gut.

6. Daraufhin haben wir vor dem Amtsgericht Mitte eine Zahlungsklage gegen die VHV erhoben. Das können wir gut. Nachdem die Klage der VHV zugestellt wurde, hat sie plötzlich vollständig und auch die angefallenen Zinsen bezahlt. Das Abrechnungsschreiben kann man >>>hier nachlesen<<<.

Es geht doch!

Die VHV pokert gerne. Viele Unfallgeschädigte fallen darauf rein. Kfz-Sachverständige, Werkstätten und Autohäuser leider auch. Das muss nicht sein. Wenn es der Versicherung nicht weh tut, werden solche „Sparfallen“ weiter erfolgen. Leidtragende werden vor allem Kfz-Sachverständige, Werkstätten und Autohäusern sein, da über diese erfahrungsgemäß Statistiken geführt werden. Die Versicherungen wissen also ganz genau, bei wem man ohne Probleme kürzen kann und beim wem nicht!

7. Wer pokert kann gewinnen, aber auch verlieren. Wer verliert muss bezahlen. Das kann man >>>hier nachlesen<<<.

Jeder kann selbst entscheiden, ob er in die Falle tappen und Geld verlieren möchte. Alle anderen sollten nach einem unverschuldeten Unfall sofort einen kompetenten Anwalt und einen Kfz-Sachverständigen seiner Wahl beauftragen. Und zwar immer, da es keine „einfachen und klaren Unfälle“ gibt.

Umut Schleyer – Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Haftung der Deutsche Bahn

Haftung der Deutsche Bahn

Sturz zwischen S-Bahn Spalt und Gleis

Haftung der Deutschen Bahn ?

1. Nein, entschied das Amtsgericht München am 25.04.2017. Die Deutsche Bahn haftet nicht, wenn ein Fahrgast in einen Spalt zwischen S-Bahn und Gleis stürzt.

2. Was war passiert ?

Eine 1,50 cm große Dame im Alter von 64 Jahren rutschte an einem Münchener Bahnsteig in einen Spalt zwischen Zug und Steig. Dieser war 14 cm breit. Zwei andere Fahrgäste konnten sie retten, bevor die S-Bahn losfuhr. Die Beine und Knöchel der Dame erlitten Quetschungen und Prellungen. Für vier Wochen war sie arbeitsunfähig. Daraufhin forderte sie knapp 4.000,- Euro Schmerzensgeld und die Zahlung der ihr entstandenen Reinigungskosten von Mantel und Hose. Die Frau gab an das Bahnnetz seit 1974 regelmäßig zu nutzen. Ihrer Ansicht nach sei die Bahn für den Unfall verantwortlich. Sie hätte dafür sorgen müssen, dass der Spalt durch ausfahrbare Trittbretter oder ähnliches geschlossen würde. Die Bahn selbst sah sich jedoch nicht als Verantwortliche. Der Abstand zwischen Bahnsteig und Bahn sei technisch notwendig. Zudem argumentierte sie, dass die Klägerin von dem Abstand habe wissen müssen. Die Frau erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht München.

3. Was sagt das Amtsgericht München?
Das Amtsgericht München wies die Klage zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Dafür sei das Mitverschulden ihrerseits zu groß. Als Unfallursache nannte die Frau lediglich den 14 cm großen Spalt. Einen Entstehung des Unfalls durch Fremdeinwirkung sei daher ausgeschlossen. Da die Klägerin selbst die Angabe machte, seit vielen Jahren regelmäßig Bahn zufahren, hätte sie von der Spalte wissen müssen. Diese sei allen Nutzern des Bahnsystems bewusst. Zudem sei die Spaltgröße mühelos überwindbar. Es bedürfe dafür nur geringer Sorgfalt. Eine Pflichtverletzung durch die Beklagte Bahn sei nicht ersichtlich. Hinzu komme auch, dass die Rechtsprechung schon größere Abstände für unbedenklich erklärt habe. Die Frau blieb mit ihrer Forderung erfolglos. Wie man an diesem Fall sehen kann, kommt es auf den Einzelfall an. Eine Haftung der Deutschen Bahn ist nur dann gegeben, wenn ihr eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann.
Kaufmann

Kaufmann

Erklärung und Definition des Begriffs Kaufmann

Der Begriff Kaufmann kommt aus dem Handelsrecht. Für Kaufleute gelten teilweise andere Regeln als für andere Privatleute/Verbraucher. Diese Regeln ergeben sich aus dem Handelsrecht, deshalb spricht man beim Handelsrecht auch vom „Sonderprivatrecht der Kaufleute“. Das ist vor allem für Verträge und die Vertretung von Bedeutung, Kaufleute haben aber auch besondere Pflichten, die über die Pflichten einfacher Privatleute hinausgehen.

Der Begriff des Kaufmanns ist in § 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) wie folgt definiert:

  • (1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.
  • (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Handelsgewerbe und Kleingewerbe

Ein Gewerbe ist jede erlaubte, selbständige, nach außen erkennbare Tätigkeit, die planmäßig, für eine gewisse Dauer und zum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübt wird und kein freier Beruf ist (Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. März 2012). Auch wenn nicht alle Voraussetzungen vorliegen, kann ein Gewerbebetreiber als Kaufmann behandelt werden („Fiktivkaufmann“, „Scheinkaufmann“, siehe unten). Die Formulierung „Art und Umfang“ in Absatz 2 dient der Abgrenzung eines Handelsgewerbes vom Kleingewerbe. Ob ein entsprechender Umfang vorliegt, richtet sich nach der Höhe des Umsatzes, der Anzahl der Angestellten, Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, Anzahl der Standorte, Organisationsaufwand und weiteren quantitativen und qualitativen Kriterien.

Wozu braucht man Kaufmann und Handelsrecht?

Die Anwendung des Handelsrechts dient vor allem der Vereinfachung und Beschleunigung von Rechtsgeschäften sowie der Rechtssicherheit im Rechtsverkehr. Durch das Handelsrecht sind die Parteien eines Rechtsgeschäfts, die an das Handelsrecht gebunden sind, zu einer höheren Sorgfalt verpflichtet. Denn wer ein Geschäft eingeht, das für ihn einHandelsgeschäft ist, hat gemäß § 347 Abs. 1 HGB für die „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns“ einzustehen.

Die Unternehmereigenschaft

Jeder Kaufmann ist in Ausübung seines Gewerbes außerdem Unternehmer im Sinne von § 14 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das heißt, dass für ihn auch Verbraucherschutzrecht gilt, zum Beispiel bei einem Verbrauchsgüterkauf. Andererseits berechtigt ihn die Unternehmereigenschaft auch zum Abzug der Vorsteuer (§ 15 Umsatzsteuergesetz (UStG)). Die Kaufmannseigenschaft hat für den Kaufmann also Vorteile und Nachteile.

Sonstige Pflichten der Kaufleute

Wer Kaufmann ist, muss Buch führen über seine Handelsgeschäfte und seine Vermögenslage (§ 238 HGB). Zu Beginn des Handelsgewerbes muss er eine Bilanz erstellen, auch zum Schluss eines jeden Geschäftsjahrs (§ 242 I HGB). Zusätzlich muss er eine Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen (§ 242 II). Daneben gibt es weitere Pflichten wie die Inventarerrichtungs- und Aufbewahrungspflicht sowie die Offenlegungspflicht.

Arten der Kaufleute

Es gibt verschiedene Arten von Kaufleuten:

  • Den Istkaufmann gemäß § 1 HGB,
  • den Kannkaufmann gemäß § 2 HGB,
  • den Scheinkaufmann,
  • den Fiktivkaufmann
  • und den Formkaufmann gemäß § 6 HGB.

Istkaufmann

Laut der oben genannten Definition muss ein Kaufmann nur ein Handelsgewerbe mit den genannten Voraussetzungen betreiben. Dass ein Gewerbe nach Art und Umfang ein Handelsgewerbe ist, wird vermutet. Das Gegenteil müsste der Gewerbetreibende darlegen. Das Dasein als Kaufmann beginnt mit der Aufnahme der Vorbereitungsgeschäfte, also dem Ankauf von Lager- oder Büroräumen, von Arbeitsmaterial, der Einstellung von Personal oder etwa der Einrichtung von Bankkonten. Das Handelsgewerbe wird dabei immer der Person zugeordnet, in deren Namen es betrieben wird. Kaufleute sind daher beispielsweise die Gesellschafter einer OHG oder die Komplementäre einer KG. Der Istkaufmann ist gemäß § 29 HGB verpflichtet, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen. Genaueres ist in der Handelsregisterverordnung (HRV) geregelt.

Kannkaufmann

Betreibt jemand ein Gewerbe, das die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB nicht erfüllt, zum Beispiel weil es ein Kleingewerbe ist, dann steht dem Gewerbetreibenden nach § 2 HGB ein Wahlrecht zu, ob er die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eintragen lässt und Kaufmann wird. Man spricht in diesem Fall von einem so genannten Kannkaufmann.

Formkaufmann

Gemäß § 6 I HGB finden die für Kaufleute gegebenen Vorschriften auch auf Handelsgesellschaften Anwendung, sowohl Personengesellschaften wie die offene Handelsgesellschaft (OHG) oder die Kommanditgesellschaft (KG) sind dabei miterfasst, als auch Körperschaften, also die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die gemäß § 3 I Aktiengesetz (AktG) und § 13 III des GmbH-Gesetzes als Handelsgesellschaft gelten. Man spricht hierbei von Formkaufleuten.

Scheinkaufmann

Scheinkaufmann ist, wer zwar nicht im Handelsregister eingetragen ist, aber wie ein Kaufmann auftritt. Er haftet also wie ein Kaufmann, auch wenn er keiner ist. Das ist zwar gesetzlich nicht explizit normiert, ergibt sich aber aus den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung. Scheinkaufmann kann zum Beispiel sein, wer seine Briefbögen oder E-Mails mit „e.Kfm.“, „oHG“ oder „KG“ versieht.

Fiktivkaufmann

Zuletzt gibt es noch den Fiktivkaufmann. Fiktivkaufmann ist, wer zwar eigentlich nicht die Voraussetzungen erfüllt, um Kaufmann zu sein, aber trotzdem im Handelsregister eingetragen ist. Das kann entweder dadurch passieren, dass bei einer Eintragung ein Fehler geschieht, oder ein ehemaliger Kaufmann nicht aus dem Handelsregister gelöscht wird.

Sonstiges

Wer freiberuflichen Tätigkeiten im Sinne des § 18 EStG oder § 1 II PartGG nachgeht, ist nicht Kaufmann. Findet ein Wechsel in die Freiberuflichkeit statt, und handelte es sich vorher um ein Handelsgewerbe, dann ist das Gewerbe kein Handelsgewerbe im Sinne der §§ 1 II HGB mehr. Wird ein Gewerbe, weil es nur noch ein Kleingewerbe ist, von § 1 II HGB nicht mehr erfasst, dann muss der Betreiber allerdings die Eintragung ins Handelsregister nach § 5 HGB für und gegen sich gelten lassen, er ist nach wie vor als Kaufmann zu behandeln (siehe oben). Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gelten nach § 3 HGB besondere Regelungen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin