Was ist ein Tarif (ganz allgemein)?

Das Wort „Tarif“ beschreibt einen bestimmten Preis oder bestimmte Bedingungen für den Erwerb einer bestimmten Leistung. Der Begriff taucht dementsprechend oft bei Geschäften auf, die gleichartige Leistungen zum Gegenstand haben und in großer Menge abgewickelt werden („Massengeschäfte“). Eines der bekanntesten Beispiele ist der Mobilfunktarif. Wer mehr Datenvolumen oder Freiminuten haben möchte, muss regelmäßig einen anderen Tarif, also vor allem einen höheren Preis akzeptieren. Für jedes verfügbare, vorgefertigte Paket fällt demnach ein anderer, vorbestimmter Preis an.

Erklärung des Begriffs „Unfallersatztarif“

Mit dem Begriff „Unfallersatztarif“ sind bestimmte Konditionen gemeint, die ein Mietwagenvermieter Unfallgeschädigten für die Anmietung eines Mietwagens stellt. Dazu gehört vor allem, dass der Unfallgeschädigte einen deutlich höheren Preis als andere Mieter zahlen muss. Die Vermieter begründen das vor allem damit, dass mit der Unfallersatzwagenvermietung ein höherer Aufwand verbunden sei. Außerdem wäre eine Planung durch eine Anmeldung vorab nicht möglich gewesen. Mit der fehlenden Planbarkeit seien also auch wirtschaftliche Unwägbarkeiten verbunden.

Ersatzfähigkeit beim Verkehrsunfall

Sobald ein Unfallfahrzeug nicht mehr benutzt werden kann, muss der Eigentümer in der Regel schnell ein Ersatzfahrzeug finden. Eine Frage, die deutsche Gerichte dementsprechend sehr oft beschäftigt, ist, ob ein Unfallgeschädigter einen solchen Unfallersatztarif von dem Schädiger komplett ersetzt bekommen kann. Wer einen Schadensersatzanspruch hat, der hat nämlich grundsätzlich ein Recht darauf, die Kosten, die ihm durch das schädigende Ereignis entstehen, ersetzt zu bekommen. Er soll nämlich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nie geschehen. Es gibt aber auch Einschränkungen zur Schadensersatzpflicht. Einerseits hat der Geschädigte die Obliegenheit, den Schaden, der ihm entsteht, möglichst gering zu halten (Schadensminderungspflicht). Außerdem muss er den Schaden so beheben, wie es ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch tun würde (Wirtschaftlichkeitsgebot). Verstößt der Geschädigte dagegen, dann muss er einen Teil der Kosten selbst tragen.

Die Rechtsprechung zum Unfallersatztarif

Die oben geschilderten Grundsätze sind zwar in den §§ 249 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt, also im Schadensrecht. Dabei bleibt ein Interpretationsspielraum offen, den Gerichte ausfüllen.

In der Praxis wird die Interpretation des Zivilrechts vom höchsten deutschen Gericht in Zivilsachen, also vom Bundesgerichtshof (BGH), maßgeblich beeinflusst. Amtsgerichte (AG), Landgerichte (LG) und Oberlandesgerichte (OLG) halten sich regelmäßig an die Rechtsprechung des BGH.

Die Tricks der Haftpflichtversicherer

Die Haftpflichtversicherer, die eigentlich dem Unfallgeschädigten regelmäßig alle Schadenspositionen (inklusive der Mietwagenkosten) erstatten müssten, sind oft sehr zurückhaltend damit, Forderungen vollständig zu begleichen. Dabei berufen sie sich auch teilweise auf längst überholte Rechtsprechung, oder auf Rechtsprechung einer unteren Instanz. Es wird geschätzt, dass deutsche Haftpflichtversicherer durch Kürzungen von Schadensersatzforderungen jährlich etwa 2 Milliarden Euro einsparen. Und die Trickserei fängt meist schon an, bevor der Geschädigte überhaupt Geld in die Hand nimmt:

Oft bieten Haftpflichtversicherer einem Unfallgeschädigten vorab besonders günstige Reparaturen oder Mietwagen an. Das ist ganz in deren Interesse, denn je kleiner der Betrag ist, den der Geschädigte zahlt, desto weniger müssen sie ihm ersetzen.

Muss man auf solche Angebote eingehen?

Grundsätzlich ist der Geschädigte der „Herr des Restitutionsgeschehens“. Wer einen Schaden erleidet, der kann sich also eigentlich selbst aussuchen, wie er den Schaden beheben will. Das gilt vor allem im Rahmen der Reparaturkosten: Der Geschädigte muss sich nicht auf eine billige Reparaturwerkstatt verweisen lassen, die ihm der Haftpflichtversicherer vorschlägt. Das lässt sich aber nicht auf alle Schadenspositionen uneingeschränkt übertragen. Anders als die Reparatur oder Verwertung des beschädigten Fahrzeugs ist nämlich die Anmietung eines Fahrzeugs nicht mit einer Einwirkung auf das verletzte Rechtsgut verbunden (BGH, Urteil vom 12. Februar 2019). Daher kann es dem Geschädigten eher zugemutet werden, sich auf einen billigen Mietwagenservice verweisen zu lassen.

Der BGH führt dazu im Urteil vom 12- Februar 2019 Folgendes aus:

[Der] Geschädigte [kann] vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer […] als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich auch den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs […] grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann.

Das heißt Folgendes:

Ob der vom Geschädigten gewählte Tarif […] „erforderlich“ war, kann […] offenbleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten in der konkreten Situation ein günstigerer Tarif „ohne weiteres“ zugänglich gewesen wäre. […] In diesem Fall ist der vom Geschädigten tatsächlich gewählte Tarif schon wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht […] nicht erstattungsfähig; zu erstatten sind dann nur die Kosten, die dem Geschädigten bei Inanspruchnahme des günstigeren Tarifs entstanden wären.

Das bedeutet: Wenn der Haftpflichtversicherer dem Geschädigten einen günstigen Mietwagentarif ohne Weiteres zugänglich macht, es sich um ein angemessenes Ersatzfahrzeug handelt, und es keine Anhaltspunkte für eine fehlende Seriosität des Angebots gibt, kann der Geschädigte auf das Angebot angewiesen sein. Weil der BGH auf den örtlich relevanten Markt „nicht nur für Unfallgeschädigte“ abstellt, bezieht er auch die günstigeren Tarife mit ein. Unfallersatztarife sind daher in einigen Fällen nicht vollständig ersatzfähig. Der Schädiger muss allerdings seinerseits beweisen, dass ein günstigerer Tarif zugänglich gewesen ist.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin