Dashcam-Aufzeichnungen sind zur

Beweisführung vor Gericht zulässig!

1. In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden, dass Dashcam-Aufzeichnungen nach einem Unfall in einem Zivilprozess verwertet werden dürfen.
2. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass einige Gerichte die Rechtsauffassung vertreten, dass Aufzeichnungen einer Dashcam verwendet werden dürfen.
Es gibt aber auch einige Gerichte, die solche Aufzeichnungen nicht als Beweismittel zulassen.

3. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat nun entschieden, dass das Interesse des Beweisführers an einem effektiven Rechtsschutz und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör höher zu bewerten sei, als das Interesse des Unfallgegners an dessen Persönlichkeitsrecht insbesondere dann, wenn andere zuverlässige Beweismittel nicht zur Verfügung stehen.

Es handelt sich dabei wohl um die erste Entscheidung eines Oberlandesgerichts zu dieser Frage.

4. Was war passiert?

a. Der Kläger fuhr mit seinem Fahrzeug der Marke Pkw Toyota auf der Bundesautobahn A 5 in Höhe Karlsruhe, als der Lkw der Beklagten hinten links auf sein Fahrzeug auffuhr. Dadurch wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt. In dem auffahrenden Lkw war eine Dashcam installiert, mit welcher der Unfall aufgezeichnet wurde. Der Kläger behauptet, er habe verkehrsbedingt abgebremst und der Beklagte sei ihm wegen zu hoher Geschwindigkeit und zu geringen Abstandes aufgefahren. Die Beklagten sahen das anders und trugen vor Gericht vor,  dass der Kläger von der linken Spur über die mittlere auf die rechte Spur gewechselt sei und dann dort abrupt bis zum Stillstand abgebremst habe. Der Unfall sei trotz sofortiger Reaktion des Fahrers nicht vermeidbar gewesen.

b. Der Kläger hatte vor dem Landgericht Regensburg einen Betrag von 14.941,77 Euro von den Beklagten verlangt. Er vertrat in dem Prozess die Auffassung, dass die Dashcam-Aufzeichnungen nicht verwertet werden dürften, da dies einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht darstelle. Das Landgericht Regensburg hatte ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten eingeholt, um den Unfall rekonstruieren und den tatsächlichen Sachverhalt feststellen zu können.

Der gerichtlich bestellte Sachverständige kam durch Auswertung der Dashcam-Aufzeichnung zu dem Ergebnis, dass die Unfallversion der Beklagten zutreffend ist.

Ohne Auswertung der Dashcam-Aufzeichnung hätte er nicht feststellen können, welche Unfalldarstellung richtig ist. daraufhin hat das Landgericht Regensburg die Klage abgewiesen. Die Abweisung der Klage hat das Gericht vor allem mit dem ausgewerteten Ergebnis der Aufzeichnungen begründet. Damit war der Kläger nicht einverstanden und erhob Berufung.  Die nächste Instanz war das Oberlandesgericht Nürnberg.

c. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einem Hinweisbeschluss die Auffassung vertreten, dass das Urteil zu Recht ergangen und die Dashcam-Aufzeichnungen zulässig als Beweismittel verwendet wurden. Daraufhin hat der Kläger hat seine Berufung zurückgenommen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg ist die Frage, ob die Aufzeichnungen verwertet werden dürfen, im Rahmen einer Interessen- und Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu klären. Ein Verwertungsverbot hat das Gericht im vorliegenden Fall nicht gesehen, weder aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch aus dem Kunsturheberrecht oder datenschutzrechtlichen Normen.

Die Aufzeichnungen verletzen die Rechte des Klägers nicht.  Sein alleiniges Interesse besteht lediglich darin, dass sein im öffentlichen Verkehrsraum stattfindendes Verhalten nicht für einen kurzen Zeitraum dokumentiert werde. Dem steht das Interesse des Beklagten daran gegenüber, nicht auf der Grundlage unwahrer Behauptungen zu Unrecht verurteilt zu werden. Dies habe Vorrang gegenüber dem sehr geringfügigen Eingriff in die Interessen des Unfallgegners daran, dass sein Fahrverhalten nicht dokumentiert werde.

Es geht im Zivilprozess ausschließlich um die Verwertung der relevanten Sequenzen zum Unfallhergang und nicht um die Beurteilung von Sequenzen, die damit nicht in Zusammenhang stehen. Es geht hier lediglich um Aufzeichnungen mit einer fest auf dem Armaturenbrett installierten und nach vorne gerichteten Dashcam. Die Aufnahmen richteten sich nicht gezielt gegen einzelne Personen, wie es etwa bei der Videoüberwachung oder dem Mitschnitt von Telefonaten der Fall sei. Die im Fahrzeug sitzenden Personen sind praktisch nicht erkennbar.

Auch aus dem Datenschutzrecht ergibt sich nichts anderes. Auch dort ist eine Güterabwägung erforderlich, die hier zu Gunsten des Beklagten spricht. Infolgedessen waren die Aufzeichnungen im konkreten Fall verwertbar.

Diese Entscheidung zeigt, dass es regelmäßig auf den konkreten Fall ankommt. Hier wird auch zum Tragen gekommen sein, dass die Lüge des Klägers „nur“ durch die Dashcam-Aufzeichnungen entlarvt werden konnte. Ein Prozessbetrug scheint nicht ausgeschlossen. Richter sollte man nicht anlügen!

Dieser Text wurde erstellt durch: Rechtsanwalt Umut Schleyer, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin und Dozent für Unfallregulierung.