Als Referenzwerkstatt wird eine Werkstatt bezeichnet, auf die ein Haftpflichtversicherer einen Unfallgeschädigten verweist. Hier zunächst eine Erläuterung, was es damit auf sich hat, und warum das geschieht.

Ausgangslage: Wie handeln Versicherer bei Unfällen?

In Deutschland muss jeder Halter eines Fahrzeugs gemäß § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes eine Haftpflichtversicherung abschließen, wenn das Fahrzeug an öffentlichen Orten zum Einsatz kommt. Der Gedanke dahinter: Das allgemeine Risiko, dass man im öffentlichen Verkehr in einen Unfall verwickelt wird, soll über die Versicherer so abgewickelt werden, als dass es den Einzelnen nicht unverhältnismäßig trifft. Der Geschädigte eines Unfalls kann sich immer bei der Versicherung des Unfallverursachers schadlos halten, und der Schädiger wird nicht durch die Schadensersatzforderungen des Geschädigten in den finanziellen Ruin getrieben.

Kürzungen sind aber der Regelfall!

Haftpflichtversicherer sind daran interessiert, die Schadensersatzzahlungen an Unfallgeschädigte möglichst gering zu halten, denn Profit können sie nur durch Erhöhung der Beiträge (was zur Abwanderung von Mitgliedern führt) oder weniger Ausgaben (weniger Schadensersatzzahlungen) machen. Daher kürzen sie häufig auf unberechtigte Weise Ansprüche. Ein anschauliches Beispiel dazu können Sie hier nachlesen. Der Geschädigte ist außerdem in einer misslichen Lage: Er muss aktiv werden, und den Schadensersatzanspruch gegen den Versicherer geltend machen. Ihn trifft auch die volle Beweislast. Versicherer verfügen zudem nicht nur über wesentlich mehr finanzielle Mittel, sondern auch regelmäßig über wesentlich bessere Sachkenntnis. Insbesondere kennen sie die Rechtsprechung der höchsten Gerichte und wissen, wie sie Geschädigte davon überzeugen können, Ansprüche nicht geltend zu machen. Viele Geschädigte denken trotzdem nicht einmal daran, dass sie einen Rechtsanwalt oder einen Gutachter einschalten könnten, was finanziell regelmäßig sinnvoll wäre.

Warum werden Referenzwerkstätten vorgeschlagen?

Viele Geschädigte lassen ihr Fahrzeug nur in einer Marken- oder ihrer Hauswerkstatt reparieren, weil sie um die Fahrzeuggarantie fürchten oder dieser konkreten Werkstatt vertrauen. Insbesondere die Markenwerkstätten sind aber regelmäßig teurer als die Referenzwerkstätten. Referenzwerkstätten werden deshalb von Versicherern empfohlen, um die Schadensersatzforderungen der Geschädigten in den Keller zu treiben. Je weniger der Geschädigte für eine Reparatur zahlt, desto weniger muss ihm der Versicherer an Kosten erstatten. Haftpflichtversicherer haben deshalb fast überall mit Werkstätten Verträge. Das bringt Vorteile für die Versicherer, aber auch für die Werkstätten:

Die Haftpflichtversicherer können stets Geschädigten günstige Reparaturangebote schicken, und zahlen dadurch selbst weniger Schadensersatz. Viele Geschädigte gehen darauf ein, und reparieren nicht bei ihrer Werkstatt. Die Werkstätten bekommen dadurch immer regelmäßige Aufträge durch Geschädigte, die sich an die Versicherung wenden. Und wenn Geschädigte sich nicht auf Referenzwerkstätten einlassen, kürzen die Versicherer häufig (auch grundlos!) mit Verweis auf die Schadensminderungspflicht die im Gutachten ausgewiesene Schadensersatzsumme.

Muss man sich als Geschädigter auf Referenzwerkstätten einlassen?

Die Antwort auf diese Frage ist eine typisch juristische Antwort: Es kommt darauf an. Grundsätzlich ist der Geschädigte dazu berechtigt, den Schaden in eigener Regie zu beheben. Er ist „Herr des Restitutionsgeschehens“. Aber es gibt auch Grenzen bei der Schadensbehebung. Dazu gehören vor allem die Schadensminderungspflicht, das Bereicherungsverbot und das Wirtschaftlichkeitsgebot. Diese Institute sind Ausprägungen des wichtigsten Grundsatzes im deutschen Schadensrecht: Dem Grundsatz der Naturalrestitution. Im deutschen Schadensrecht soll nämlich nicht der Schädiger durch den Schadensersatz für sein Verhalten bestraft werden, sondern der entstandene Schaden soll einfach ausgeglichen werden. Der Geschädigte soll nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden.

Was bedeutet das für das Angebot mit der Referenzwerkstatt?

Der Geschädigte muss also bei der Schadensbehebung darauf achten, dass die Kosten nicht explodieren, er darf sich nicht an der Schadensbehebung bereichern, und er muss wirtschaftlich vernünftig handeln. Als Geschädigter kann man also unter bestimmten Bedingungen die Referenzwerkstatt ablehnen, unter anderen Bedingungen muss man auf das Angebot eingehen. Das ist ein schwieriger Balanceakt, und wer sich nicht auskennt, macht schnell Fehler, die viel Geld kosten können.

Was sind die maßgeblichen Faktoren?

Bei der Frage, ob man sich auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, sind folgende Dinge zu beachten:

  • In welcher Werkstatt möchte man reparieren?
  • Wie beschreibt der Versicherer die Referenzwerkstatt?
  • Ist das Fahrzeug scheckheftgepflegt?

Worauf muss man aufpassen?

Ein Geschädigter hat immer das Recht, sein Fahrzeug in einer markengebundene Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Statt einer Reparatur kann auch fiktiv abgerechnet werden, also nach Gutachten. Auch in diesem Fall kann man nach den oben aufgeführten Grundsätzen, kann der Geschädigte die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen („Porsche-Urteil“).

Die gegnerische Haftpflichtversicherung hat jedoch die Möglichkeit, den Geschädigten (bei einer fiktiven Abrechnung) auf eine Referenzwerkstatt zu verweisen, sofern sie darlegt und beweist, dass eine Reparatur in der von ihr konkret gewählten Referenzwerkstatt dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Werkstatt unzumutbar macht. In diesem Fall müsse der Geschädigte sich an eine qualitativ gleichwertige Fachwerkstatt verweisen lassen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2009 zum Aktenzeichen VI ZR 53/09). Dies muss im Einzelfall bewertet werden. Gerade beim Verweis auf eine angebliche Referenzwerkstatt arbeiten die Haftpflichtversicherungen mit allen Tricks.

Weitere wichtige Artikel und Urteile hierzu:

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin