Nach dem Verkehrsunfall: Die Haftpflichtversicherungen verweisen regelmäßig auf eine preiswerte Reparaturmöglichkeit in einem Eurogarant-Fachbetrieb. Aber ist das zulässig und muss sich der Geschädigte verweisen lassen? Das Landgericht Saarbrücken hat sich als Berufungsgericht mit Urteil vom 11. Oktober 2013 zum Aktenzeichen 13 S 23/13 dazu geäußert.

Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Völklingen vom 09.01.2013 – 5 C 158/12 (14) – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I. Der Kläger macht restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 01.12.2010 in … ereignet hat und für den die Beklagte in vollem Umfang eintrittspflichtig ist.

Der Kläger hat außergerichtlich einen Gutachter mit der Feststellung des an seinem Fahrzeug eingetretenen Unfallschadens beauftragt. Der Gutachter hat Reparaturkosten von 2.320,03 € netto ermittelt, die der Kläger von der Beklagten beansprucht hat. Die Beklagte hat unter Hinweis auf einen eigenen Prüfbericht hierauf lediglich 1.614,57 € gezahlt. Dabei hat sie sich u.a. darauf berufen, dass sie dem Kläger eine Eurogarant-Werkstatt nachgewiesen habe, die eine qualitativ gleichwertige und räumlich unproblematisch zugängliche Reparaturmöglichkeit biete, ohne dass Stundensätze einer markengebundenen Werkstatt anfielen.

Mit seiner Klage hat der Kläger den nicht ausgeglichenen Teil seines Schadens in Höhe von (2.320,03 – 1.614,57 € =) 705,46 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen geltend gemacht. Er meint, er müsse sich vorliegend nicht auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen.

Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe eine lückenlose Wartung und Reparatur seines Fahrzeugs nicht nachgewiesen. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger ein annahmefähiges Angebot vorzulegen. Die von der Beklagten aufgezeigte Reparaturmöglichkeit sei auch technisch gleichwertig, weil die aufgeführte Werkstatt mit dem Gütesiegel „Eurogarant-Betrieb“ ausgestattet sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Er vertieft hierzu seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 12.08.2013 Bezug genommen.

II. Die zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Zutreffend ist der Erstrichter davon ausgegangen, dass der Schädiger den Geschädigten, der – wie hier – fiktive Reparaturkosten abrechnet, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen kann, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (BGH, st. Rspr.; BGHZ 155, 1; 183, 21; Urteile vom 23.02.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923; vom 22.06.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 und VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097, und vom 13.07.2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380; Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteile vom 21.09.2012 – 13 S 3/12 – und vom 19.07.2013 – 13 S 61/13, DAR 2013, 520, jeweils m.w.N.).

2. Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht vorliegend im Ergebnis zu Recht als erfüllt angesehen.

a) Die Beklagte hat dem Kläger mit der im Prüfbericht beschriebenen und zur Schadensberechnung als Referenzbetrieb bezeichneten Werkstatt eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit aufgezeigt. Der Kläger hat zwar die Gleichwertigkeit der Reparatur in zulässiger Weise bestritten. Eine sekundäre Darlegungslast traf den Kläger hierzu von vornherein nicht, weil die primär darlegungsbelastete Beklagte die maßgeblichen Tatsachen aus eigener Anschauung kennt oder kennen kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08.07.2009 – VIII ZR 314/07, NJW 2009, 2894; Kammer, Hinweisbeschluss vom 10.04.2013 – 13 S 16/13). Allerdings hat die Beklagte zur Überzeugung der Kammer nachgewiesen, dass es sich bei den sogenannten „Eurogarant-Fachbetrieben“, zu denen auch die von ihr als Referenzbetrieb genannte Reparaturwerkstatt gehört, um Reparaturbetriebe handelt, die – jedenfalls im hiesigen regionalen Bereich – dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entsprechen. Der gerichtliche Sachverständige hat insoweit nachvollziehbar und von den Parteien unwidersprochen festgestellt,

– dass es sich bei Eurogarant-Betrieben ausschließlich um Meisterbetriebe für Karosserie- und Lackierarbeiten mit besonderer Erfahrung in der Unfallinstandsetzung handelt,

– alle Eurogarant-Betriebe zertifiziert sind und in diesem Rahmen die Ausstattung der Werkstatt sowie die Qualifikation der Mitarbeiter am jeweiligen Stand der Technik orientiert sind,

– die Reparaturen unter Verwendung von modernen Spezialwerkzeugen auch nach Herstellervorgaben bzw. -richtlinien und mit Originalersatzteilen durchgeführt werden,

– sämtliche Eurogarant-Betriebe auf die Unfallinstandsetzung eine 3-jährige Garantie gewähren,

– Garantieansprüche gegen den Fahrzeughersteller im Hinblick auf die nicht reparaturbetroffenen Teile und Anbauteile nicht beeinträchtigt sind,

– der Qualitätsstandard der Werkstatt und der Mitarbeiter regelmäßig durch Prüforganisationen und auch durch die Verpflichtung zur Zertifizierung überprüft wird.

Damit sind aber die Voraussetzungen erfüllt, die der Bundesgerichtshof bereits in der Vergangenheit als ausreichend angesehen hat, damit der Tatrichter sich im Rahmen des § 287 ZPO von der Gleichwertigkeit einer Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt überzeugen kann (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VI ZR 259/09, NJW 2010, 2941).

b) Dahinstehen kann, ob diese Voraussetzungen auch für die beiden weiteren Referenzbetriebe zutreffen, die im Prüfbericht der Beklagten erwähnt sind. Dass der Schädiger dem Geschädigten mehrere günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeiten aufzeigt, ist nämlich nicht erforderlich (vgl. nur Kammer, Hinweisbeschluss vom 10.04.2013 – 13 S 16/13).

c) Der erfolgte Verweis war auch inhaltlich ausreichend, da der von der Beklagten vorgelegte Prüfbericht sich nicht mit einem pauschalen Hinweis auf die Referenzwerkstatt begnügt, sondern die maßgeblichen Kriterien zur Überprüfung der Gleichwertigkeit benennt (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2012, 2044). Die Vorlage eines annahmefähigen Reparaturangebots war insoweit nicht erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 2012, 2044; LG Düsseldorf, Schaden-Praxis 2012, 182; LG Essen, Schaden-Praxis 2012, 222; LG Berlin, Urteil vom 01.03.2012 – 41 S 87/11, juris).

d) Umstände, die dem Kläger eine Reparatur in der bezeichneten freien Fachwerkstatt unzumutbar machen könnten, sind nicht nachgewiesen.

aa) Unzumutbar ist eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war (vgl. BGH, Urteile vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09, VersR 2010, 225; vom 13.07.2010 – VI ZR 259/09, MDR 2010, 1181, und vom 22.06.2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096), was hier zu verneinen ist. Jedoch kann es dem Geschädigten auch bei älteren Fahrzeugen unzumutbar sein, sich auf eine günstigere gleichwertige und ohne weiteres zugängliche Reparaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn er konkret darlegt, dass er sein Fahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder – hier nicht relevant – sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt (vgl. BGH, Urteile vom 20.10.2009 – VI ZR 53/09, VersR 2010, 225, und vom 23.02.2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923; Kammer, Urteil vom 21.09.2012 – 13 S 3/12). Dies ist dem Kläger aber nicht gelungen.

bb) Die Vorlage einer Kopie des Scheckheftes, in dem sich neben dem Übergabevermerk lediglich ein einziger Eintrag findet über eine Wartung im Jahre 2009 bei einem im Jahr 2006 zugelassenen BMW 320i Touring mit knapp 75.000 km im Unfallzeitpunkt, und die Vorlage einer Reparaturrechnung aus dem Jahr 2012 reichen nämlich – wie der Erstrichter zu Recht festgestellt hat – nicht aus, um beweissicher festzustellen, dass das Fahrzeug durchgängig in einer BMW-Vertragswerkstatt gewartet und repariert worden ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das vom Kläger vorgelegte Privatgutachten einen – behobenen – Vorschaden  am Stoßfänger hinten ausweist, ohne dass der Kläger hierüber eine Rechnung einer BMW-Vertragswerkstatt vorgelegt hat.

3. Der Kläger meint auch zu Unrecht, ihm stehe ein Anspruch auf Ersatz (fiktiver) Verbringungskosten zu. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung der Kammer auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung Verbringungskosten ersatzfähig sein können (vgl. zuletzt Urteil vom 19.07.2013 – 13 S 61/13, DAR 2013, 520 m.w.N.). Kann der Schädiger den Geschädigten allerdings – wie hier – auf eine günstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen, bei der Verbringungskosten nicht anfallen, so fehlt es an deren Ersatzfähigkeit (vgl. Kammer, Urteil vom 19.07.2013 aaO; LG Wuppertal, SVR 2012, 348). Denn insoweit handelt es sich um Kosten, die im Falle einer Instandsetzung nach Maßgabe der §§ 249, 254 BGB nicht anfielen (vgl. Kammer, Urteil vom 19.07.2013 aaO).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache erlangt keine grundsätzliche über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Fazit:

Das Landgericht Saarbrücken hat als Berufungsgericht die Berufung des Geschädigten zurückgewiesen. Hier stellte das erstinstanzliche Urteil bereits fest, dass der Geschädigte sich im vorliegendem Fall verweisen lassen muss. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht in seinem Prüfungsumfang beschränkt ist. Nach § 529 ZPO hat das Berufungsgericht seine Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrundezulegen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Vorliegend beruhte die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Es ist zu empfehlen, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht zu beauftragen. Dieser kann schon vorab einschätzen, ob der Vortrag der gegnerischen Haftpflichtversicherung in Form des Prüfberichts zulässig sein könnte. Auch im Rahmen seiner gerichtlichen Erfahrungswerte wird der Fachanwalt für Verkehrsrecht in Anbetracht der regionalen Rechtsprechung Einschätzungen geben können. Allerdings kommt es immer auf den Einzelfall und den Richter an.