In einer Entscheidung vom 2. Juli 2016 hat sich das Amtsgericht Mitte in Berlin mit Fragen befasst, die jeden Facebook-Nutzer interessieren dürften:

Wenn man keinen Zugriff mehr auf seinen Account hat, kann man ihn sich den Zugriff „einklagen“?

An wen muss man die Klage richten?

Kann man vor einem deutschen Gericht klagen?

Muss man dafür nach Irland, wo Facebook ansässig ist?

Inhalt der Entscheidung

Der Kläger ist ein Facebook-Nutzer, der sich 2008 seinen Account eingerichtet hat. Er hatte seit dem 3. Juli 2016 keinen Zugriff mehr auf seinen Facebook-Account. Facebook begründete das damit, dass er „zur Nutzung von Facebook nicht berechtigt sei“. Darüber hinaus verwies Facebook auf die „Erklärung der Rechte und Pflichten“. Der Nutzer hat deswegen einen Rechtsanwalt mit dem Fall beauftragt. Das Unternehmen gab nicht nach, weswegen der Nutzer gegen Facebook klagte. Das Ziel der Klage: Der Nutzer will Zugang zu Facebook bekommen. Außerdem soll Facebook die Rechtsanwaltskosten erstsatten.

Bei welchem Gericht muss man so eine Klage erheben?

Welches Gericht im konkreten Fall zuständig ist, richtet sich vor allem nach folgenden Kriterien: Der Gerichtsbarkeit, der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit.

Sachliche Zuständigkeit und Gerichtsbarkeit

Zunächst ist wichtig, um welche Art von Rechtsstreit es sich handelt. Wer sind die Beteiligten? Geht es um Beziehungen der Bürger untereinander, oder die zwischen Bürgern und dem Staat? Ist es ein arbeitsrechtlicher, familienrechtlicher oder kaufrechtlicher Streit? Danach bestimmt sich, ob die Streitigkeit vor die ordentliche Gerichtsbarkeit oder die Fachgerichtsbarkeit geht. Wichtig ist außerdem, bei welcher Instanz man einen Antrag oder eine Klage einreichen muss. Viele Streitigkeiten werden vor Amtsgerichten ausgetragen. Zum Teil sind auch Landgerichte, Arbeits- oder Familiengerichte in erster Instanz zuständig.

In diesem Fall klagte eine natürliche Person gegen ein Unternehmen. Bei solchen Streitigkeiten ist je nach Art der Klage und Streitwert meist das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig, hier war es das Amtsgericht in erster Instanz.

Örtliche Zuständigkeit – wo muss man klagen?

Normalerweise muss gemäß § 12 der Zivilprozessordnung (ZPO) ein Kläger (hier der Nutzer) nach deutschem Recht dort klagen, wo der Beklagte (hier Facebook) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

Im Hinblick auf natürliche Personen (Menschen) heißt das: Man muss jemanden im Regelfall dort verklagen, wo derjenige seinen Wohnsitz hat. Bei juristischen Personen, zum Beispiel bei Gesellschaften (Unternehmen), wird der Sitz regelmäßig in der Satzung festgelegt. Ausnahmen gibt es zum Beispiel für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, etwa aus Körperverletzung oder Sachbeschädigung (siehe § 32 ZPO).

Wie verhält es sich bei internationalen Fällen?

Komplizierter wird es, wenn Unternehmen wie Facebook ihren Sitz im Ausland haben oder im Ausland agieren. Staaten haben unterschiedliche Rechtssysteme, und treffen unterschiedliche Regelungen dazu, welches Gericht in welchem Fall zuständig ist. Manche Staaten haben Abkommen, die diese Situationen klären. Theoretisch können zwei Staaten dem gleichen Gericht die Zuständigkeit zuweisen, sie können aber auch unterschiedliche Regelungen treffen. Das ist von Staat zu Staat und von Fall zu Fall unterschiedlich. Deutsche Gerichte müssen nach deutschem Recht überprüfen, ob sie zuständig sind oder nicht.

Wie ist es in Europa?

Innerhalb Europas besteht inzwischen eine gewisse Rechtssicherheit, weil viel über zwischenstaatliche Abkommen und europäische Normen geregelt ist. An diese Abkommen und Verordnungen müssen sich die Staaten und deren Gerichte halten. Eine wichtige Verordnung ist die sogenannte „EUGVVO“. Diese Verordnung wird auch „Brüssel-1a-Verordnung“ genannt, sie regelt unter anderem die Zuständigkeit von Gerichten. Wenn ein Verbraucher gegen einen Unternehmer klagt, kann er laut Artikel 18 Abs. 1 der Verordnung entweder am Gerichtsstand des Unternehmens klagen, oder an seinem eigenen Gerichtsstand.

In diesem Fall reichte der Verbraucher an seinem eigenen Gerichtsstand die Klage ein, nämlich am Amtsgericht Berlin-Mitte.

Klage Irland Facebook

Zustellung der Klage

Wenn die Klage erhoben wurde, muss die Klageschrift einem Beklagten auch wirksam zugestellt werden. Das heißt für den konkreten Fall: Facebook muss darüber „benachrichtigt“ werden, dass jemand gegen das Unternehmen klagt. Jeder muss sich nämlich gegen Klagen effektiv verteidigen können, im deutschen Verfassungsrecht ist das Recht auf rechtliches Gehör in Artikel 103 des Grundgesetzes verankert. Eine solche Verteidigung ist nur dann möglich, wenn ermöglicht wird, sich zu erhobenen Vorwürfen zu äußern und selbst Einwände vorzubringen. Also wurde die deutsche Klageschrift nach Irland zugestellt.

An diesem Punkt stellt sich folgende Frage: Was ist mit ausländischen Klagen? Wenn mir eine Klage in ausländischer Sprache zugestellt wird, und ich es nicht verstehe – kann ich mich dann wirksam verteidigen? Die EU-Zustellungsverordnung gibt darauf folgende Antwort: Grundsätzlich kann ein Beklagter (hier Facebook) laut Artikel 8 der Verordnung die Annahme eines Schriftstücks verweigern, wenn es nicht in einer seiner Amtssprache verfasst ist, oder wenn es nicht in einer Sprache verfasst ist, die er versteht. Facebook als Empfänger hat seinen Sitz in Irland, und die deutsche Sprache ist dort nicht Amtssprache.

Ist Facebook also vor deutschen Gerichten „sicher“?

Das Gericht geht davon aus, dass Facebook die Sprache „versteht“ – denn es handelt sich um ein multinational agierendes Unternehmen, das mit dem Nutzer außerdem in seiner eigenen Sprache – auf Deutsch – in Kontakt getreten ist. Außerdem sind viele Texte, auch zu rechtlichen Themen, von Facebook auf Deutsch verfasst.

Die Zustellung ist also nach Auffassung des Gerichts wirksam. Facebook wurde verurteilt, dem Nutzer wieder Zugang zur Plattform zu gewähren, und die Kosten des Rechtsstreits sowie die Rechtsanwaltskosten zu tragen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin