1. Definition des Begriffs Vorschaden

Unter Vorschäden versteht man behobene Schäden am Fahrzeug, die aus einem vorangegangenen Unfallgeschehen herrühren. Demgegenüber handelt es sich bei Altschäden um nicht behobene Schäden aus einem vorangegangenen Unfallgeschehen.

2. Erklärung des Begriffs Vorschaden

Ein Dauerstreitpunkt in der Unfallregulierung ist der Vorschaden. Bei den Vorschäden handelt es sich zwar um bereits reparierte Schäden. Allerdings können auch bereits reparierte Schäden qualitativ unsachgemäß behoben worden sein oder nur zum Teil sach- und fachgerecht ausgeführt worden sein. Insofern sagt ein angegebener Vorschaden über den Qualitätszustand der durchgeführten Reparatur nichts aus. Dies machen sich die gegnerischen Haftpflichtversicherung regelmäßig zu nutze.

3. Trick der Versicherungen

Wenn im Schadengutachten ein Vorschaden angegeben wurde oder die gegnerische Haftpflichtversicherung durch das HIS-Dateisystem Kenntnis von einem Vorschaden erlangt hat, dann verlangt die gegnerische Haftpflichtversicherung regelmäßig Nachweise einer fachgerechten Reparatur über den Vorschaden. Dies ist vor allem dann problematisch, wenn der Geschädigte die Reparaturnachweise nicht aufgehoben hat, es möglicherweise keine Reparaturnachweise zum Vorschaden gibt oder wenn er etwa als Dritt- oder Viertbesitzer gar keine Kenntnis von dem Vorschaden hatte. In solchen Fällen lehnen die gegnerischen Versicherungen die Schadenersatzansprüche mit der Begründung ab, dass der Geschädigte die fachgerechte Reparatur des Vorschadens nicht nachweisen konnte und daher eine Abgrenzung des Vor- und Neuschadens nicht möglich ist. Lassen Sie sich nicht so einfach abspeisen, denn nicht alles, was der Versicherer behauptet, entspricht der Wahrheit!

4. Tipps zum Thema Vorschaden

Dem Geschädigten ist ein Schadensersatzanspruch jedenfalls dann zuzuerkennen, wenn der aktuelle Unfallschaden an einem Fahrzeug von einem Vorschaden eindeutig sowohl technisch als auch rechnerisch abgegrenzt werden kann. Denn dann ist die Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass die bereits vor dem aktuellen Schadenseintritt vorhandenen Beeinträchtigungen Auswirkungen auf das Ausmaß des Neuschadens haben. In einem solchen Fall kann man sich die Mühe sparen, Reparaturrechnung herauszukramen. Einen Rechtsanspruch auf Beantwortung der üblichen Vorschaden-Fragen  hat ein Haftpflichtversicherer grundsätzlich ohnehin nicht. Zwar besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Anspruchsteller auf das Interesse des Versicherers an einer zuverlässigen Schadensfeststellung in zumutbarem Umfang Rücksicht nehmen muss, allerdings sprengen die üblichen Auskunftsverlangen der Haftpflichtversicherer den Rahmen des Zumutbaren, vor allem dann, wenn es sogar für einen Laien erkennbar ist, dass der Vorschaden in keinem Zusammnenhang mit dem aktuellen Unfallschaden steht.

Anders verhält es sich im Falle einer Überlappung von Vor- und Neuschaden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Geschädigte, der mit einem vorgeschädigten Fahrzeug in einen weiteren Unfall verwickelt wird, die bestrittene Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und dem danach vorliegenden (neuen) Schaden darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Hierfür muss der Geschädigte ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher entstanden sind. Behauptet er in diesem Zusammenhang, dass der unstreitig vorhandene Vorschaden durch eine fachgerechte Reparatur beseitigt worden ist, so muss er hinreichend konkret darlegen und beweisen, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche Reparaturmaßnahmen, auf welche Weise, mit welchen Teilen fachgerecht und vollständig behoben worden ist. Kann er dies nicht, weil letztlich Zweifel verbleiben, ob der geltend gemachte Reparaturschaden nicht doch schon durch ein früheres Ereignis verursacht worden sein könnte, so geht dies im Streitfall zu Lasten des Geschädigten und zwar auch dann, wenn er das Fahrzeug bereits mit dem Vorschaden erworben hat, der noch vom Voreigentümer behoben worden sein soll.

5. Was ist nach dem Unfall zu beachten?

In der Praxis stellt der Vorschaden für den Geschädigten meist erst ein Problem dar, wenn die gegnerische Haftpflichtversicherung die Schadenhöhe wirksam bestreitet und das Gericht eine substantiierte Darlegung der fachgerechten Reparatur fordert. Kann der Geschädigte nicht substantiiert zum Vorschaden vortragen, läuft er Gefahr, den gesamten Prozess zu verlieren – und das auch, wenn die Haftung bereits anerkannt wurde.

Daher ist zu empfehlen, dem Sachverständigen vor Gutachtenerstellung über das Vorliegen eines Vorschadens zu informieren. Der Sachverständige hat bei Vorschäden, die im Bereich des Neuschadens liegen, die Qualität der ausgeführten Arbeiten zu beschreiben und zu dokumentieren. Der Reparaturumfang und die –qualität des Vorschadens sind vom Sachverständigen zu beschreiben und durch Lichtbilder zu dokumentieren. Werden keine Vorschäden festgestellt, so ist dies auch anzugeben. Dementsprechend befindet sich in der Regel in jedem Schadengutachten eine Rubrik „Vorschaden“ beziehungsweise „Altschaden“.

Hat der Sachverständige einen nicht oder nicht fachgerecht beseitigten Vorschaden in seine Kalkulation der Reparaturkosten aufgenommen und wird dies vom Anspruchsteller erkannt, muss zur Nachbesserung aufgefordert werden, idealerweise bevor der gegnerischen Haftpflichtversicherung das Gutachten gesendet wird.

Falls sämtliche Vorschäden im Unfallzeitpunkt vollständig und fachgerecht beseitigt wurden, reicht es in der Regel aus, eine Werkstattrechnung einzureichen. Grundsätzlich ist es ratsam und von hoher Wichtigkeit, Reparaturnachweise aufzuheben.

6. Achtung: Es gibt eine neue, erfreuliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Thema Vorschaden. >>>Mehr erfahren Sie hier<<<.

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Dieser Artikel wurde durch Herrn Umut Schleyer erstellt, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht.