Unfall – DEKRA Stundenverrechnungssätze

nicht für ein Unfallgutachten geeignet !!!

 

DEKRA-Stundenverrechnungssätze –  In diesem Artikel geht es um die richtige Bewertung eines Unfallschadens nach einem Unfall. Dieser Text richtet sich in erster Linie an ALLE Gutachter bzw. Sachverständigen. Dieser Artikel ist aber auch für jeden Autofahrer bzw. Unfallgeschädigten interessant, weil man erfährt, wann ein Unfallgutachten richtig ist und wann nicht.

1. Wenn man unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde, hat man gegen den Unfallgegner und seine Haftpflichtversicherung einen Schadenersatzanspruch.

Damit man aber seinen Sachschaden am Fahrzeug überhaupt beziffern kann, muss man die konkrete Höhe wissen bzw. in Erfahrung bringen. Daher ist es richtig und wichtig, einen (freien und unabhängigen) Gutachter bzw. Sachverständigen zu beauftragen. 

Man unterschreibt dem Gutachter einen Auftrag und gleichzeitig eine Abtretung. Der Gutachter beginnt dann mit seiner Arbeit, macht Fotos und kalkuliert den unfallbedingten Schaden. Im Rahmen seiner Kalkulation muss er auch die notwendigen Reparaturkosten kalkulieren und dabei die sogenannten Stundenverrechnungssätze berücksichtigen. Was Stundenverrechnungssätze sind bzw. bedeuten, kann man hier nachlesen.

Es versteht sich von selbst, dass der Unfallgeschädigte glücklich ist, wenn er mehr erhält. Die Gegenseite hat immer ein Interesse daran, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

2. Die DEKRA ist eine große Expertenorganisation und arbeitet auch eng mit Versicherungen zusammen.  Die DEKRA bietet einen speziellen Service an.

Bitte klicken Sie hier, um mehr zu erfahren. Auf der Seite steht wörtlich:

Hier können Sie sich über die aktuell gültigen DEKRA Reparatur Stundensätze in Ihrer Region informieren.

Man kann dann auf der Seite der DEKRA eine Postleitzahl eingeben und erhält anschließend einen sogenannten Durchschnittswert in der jeweiligen Region.

DEKRA Stundenverrechnungssätze

3. Wir haben Umut Schleyer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie Dozent für Unfallregulierung aus Berlin zu diesem Thema befragt. Er hat uns dazu folgende Antwort gegeben:

Der beauftragte Gutachter hat die voraussichtlichen Reparaturkosten zu kalkulieren, indem er die notwendigen Arbeitsschritte aufführt und aufschlüsselt. Darüber hinaus muss er seine Kalkulationsgrundlage benennen, also auch die Stundenverrechnungssätze. 

Welche Stundenverrechnungssätze sollte der Gutachter grundsätzlich berücksichtigen?

Grundsätzlich sollte der Gutachter die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt berücksichtigen, völlig unabhängig vom Alter und der Fahrleistung des Fahrzeugs. Dies hat der Bundesgerichtshof sowohl in seinem Porsche-Urteil als auch in seinem sog. VW-Urteil bekräftigt.

Gibt es auch Ausnahmen?

Ja, es gibt auch Ausnahmen. Wenn der Unfallgeschädigte das Fahrzeug bei einer bestimmten Werkstatt reparieren möchte, dann sollte der Gutachter die Stundenverrechnungssätze der später ausführenden Werkstatt bei seiner Kalkulation berücksichtigen.

DEKRA Stundenverrechnungssätze

Ist es falsch die DEKRA Stundenverrechnungssätze im Unfallgutachten zu verwenden?

JA, aus meiner Sicht ist das falsch. Dies hat zwei Gründe:

  1. Zum einen hat der Bundesgerichtshof in seinem Porsche-Urteil im Jahr 2003 (!) bereits ausdrücklich festgestellt:

„Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.“

2. Zum anderen geht aus der Kalkulation eben kein konkreter Schaden hervor, allenfalls ein abstrakter Wert.

Infolgedessen ist die Kalkulation mit den abstrakten Mittelwerten einer Region (Postleitzahl) wie es die DEKRA auf ihrer Seite anbietet, keine taugliche Kalkulationsgrundlage für ein Unfallgutachten.

Gibt es (noch) viele Gutachter die diese DEKRA Stundenverrechnungssätze in ihren Gutachten verwenden?

Soweit ich das beurteilen kann, leider ja. Wir bearbeiten eine Vielzahl von Unfällen und bekommen immer wieder Gutachten von uns unbekannten Gutachtern. Wir weisen die Gutachter nach Durchsicht des Gutachtens sofort darauf hin, dass die Kalkulation mit abstrakten Mittelwerten eine Region keine taugliche Kalkulationsgrundlage ist.

Was machen die Haftpflichtversicherung (dagegen)?

Die freuen sich und sparen viel Geld. Denn die DEKRA Stundenverrechnungssätze sind viel niedriger, als die einer markengebundenen Fachwerkstatt. Der Unfallgeschädigte –der fiktiv abrechnet– verliert viel Geld, ohne es zu wissen. 

 Warum werden diese abstrakten Mittelwerte von Gutachtern (immer noch) benutzt?

Dies wird sicherlich mehrere Gründe haben. Zum einen wird es wohl die Bequemlichkeit sein. Zum anderen die Unwissenheit. Es gibt keine spezielle, gesetzliche Regelung für Unfallgutachter. Auch viele meiner Kollegen wissen nicht, dass solch eine Kalkulation unbrauchbar ist (jedenfalls vor Gericht). Manchmal kommen Gutachter auf uns zu, die seit 10 oder 20 Jahren am Markt tätig und erfolgreich sind. Die sind anfangs -nach unserem Hinweis- sehr ungläubig, ganz nach dem Motto „das war schon immer so“. Da müssen wir gegen viele Widerstände ankämpfen. Hinzu kommt, dass sich im Verkehrsrecht viele Anwälte „tummeln“ die glauben, dass sie nebenbei ein bisschen Geld verdienen und die materielle Rechtslage aus dem Ärmel schütteln können. Die holen sie dann bei Gericht oftmals eine „blutige Nase„. Der Unfallgeschädigte hat dann oft den „Schwarzen Peter„. Schließlich sind die Versicherungen daran interessiert, dass die Schäden niedrig ausfallen. Sie machen viel Druck, kürzen oft und viele (auch Gutachter) geben irgendwann nach und werden weich, „rechtliche Erziehung“ nennt man sowas.

Was ist Ihre Empfehlung?

Man sollte nach einem unverschuldeten Unfall sofort einen Gutachter seiner Wahl und einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt beauftragen. Es macht keinen Sinn einen Fachanwalt für Arbeits- oder Familienrecht mit verkehrsrechtlichen Problemen zu beauftragen. Man kauft seine Brötchen schließlich auch nicht beim Friseur.

DEKRA Stundenverrechnungssätze

Hier kann man nachlesen, wie ein Unfallgeschädigter in zwei Instanzen für seine Reparaturkosten kämpfen musste. Schließlich hat er in beiden Instanzen gegen die Allianz (und eine unberechtigten Kürzung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt) gewonnen. 

Hier kann man das Porsche-Urteil nachlesen.

Hier kann man das VW-Urteil nachlesen.

 

Was gibt es noch zu beachten?

Es ist noch abschließend zu sagen, dass diese Rechtsfrage jedoch noch nicht endgültig beantwortet ist. Das Landgericht Düsseldorf hat eine vertritt eine andere Rechtsauffassung und hat mit Urteil vom 13.01.2017 klar gestellt, dass die  fiktiven Reparaturkosten mit den mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätzen möglich ist und die gegnerische Versicherung diese nicht kürzen darf.

Es bleibt daher abzuwarten, was der Bundesgerichtshof dazu sagt.