Erklärung des Begriffs Strafverfahren

Die Grundlage für ein Strafverfahren (auch Strafprozess genannt) ist die Strafprozessordnung (StPO). Es handelt sich dabei um keine Verordnung, sondern um ein förmliches Gesetz, welches im 19. Jahrhundert geschaffen wurde.
Das Strafverfahren dient formal der prozessualen Durchsetzung des materiellen Strafrechts. Der Gesetzgeber hat in den Straftatbeständen bestimmte Verhaltensweisen mit konkreten Strafandrohungen versehen. Mit der rechtswidrigen und schuldhaften Verwirklichung eines Straftatbestandes erwächst ein Strafanspruch des Staates, der in einem rechtlich geordneten, gerichtlichen Verfahren – eben dem Strafprozess – durchgesetzt werden muss. Der Strafprozess unterliegt der Prozessmaxime (Verfahrensgrundsätze), insbesondere dem Legalitätsprinzip und der Offizialmaxime. In der mündlichen Verhandlung vor Gericht gelten vor allem der Öffentlichkeitsgrundsatz und der Mündlichkeitsgrundsatz, sofern das Verfahren nicht durch einen Strafbefehl abgeschlossen wird.

Die drei Ziele des Strafverfahrens

Wahrheit

Da eine Straftat neben der Verwirklichung des Straftatbestandes auch die Schuld im Sinne einer persönlichen Vorwerfbarkeit und ein rechtswidriges Verhalten voraussetzt, ist das Strafverfahren darauf ausgerichtet, den tatsächlich Schuldigen zu finden und zu überführen. Das bedeutet, dass eine Strafe nur dann verhängt werden kann, wenn dem Beschuldigten die Beschuldigung mit Recht trifft. Nach § 244 II ZPO ist das Gericht dazu verpflichtet, „zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind“. Das Gericht muss mit den ihm von Rechtswegen zustehenden Mitteln so gut wie möglich die Wahrheit feststellen. Kernziel eines Strafverfahrens ist demnach die Erforschung der Wahrheit.

Gerechtigkeit

Die Strafe dient dem Schuldausgleich für begangenes Unrecht und ist Ausdruck ausgleichender Gerechtigkeit. Grundsätzlich findet keine Berücksichtigung von Opferinteressen im Strafverfahren statt. Obwohl Opferinteressen nicht eigentliches Ziel ist, kann die Verhängung der tat- und schuldangemessenen Strafe beim Opfer Genugtuung auslösen. Da nicht die Tat den Beschuldigten zum Täter macht, sondern vielmehr das Strafgericht in einem Strafprozess über Schuld und Strafe entscheidet, ist das Strafverfahren wesentliches Mittel zur Durchsetzung der gerechten Strafe. Die staatlichen Strafverfolgungsorgane müssen aber immer auch Entlastendes im Auge behalten müssen (vgl. § 152) und dem Beschuldigten während des gesamten Verfahrens eine effektive Verteidigung garantiert sein muss. Ferner müssen die Grund- und Menschenrechte des Beschuldigten gewahrt bleiben; Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen durch die Strafverfolgungsbehörden bedürfen einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage. Kern der Gerechtigkeit bei staatlichen Handlungen ist die bürgerliche Gleichheit, d. h. im Strafverfahren, dass nicht gegen eine Person willkürlich schärfer vorgegangen werden darf als gegenüber anderen.

Rechtsbeständigkeit

Die Vollstreckung einer Strafe kann erst mit Abschluss des Strafprozesses erfolgen. Eine „vorläufige“ Vollstreckung vor Rechtskraft des Strafurteils ist nicht möglich, andernfalls würde gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 II EMRK verstoßen werden. Jeder Beschuldigte hat einen Anspruch darauf hat, dass ein gegen ihn geführtes Strafverfahren binnen angemessener Frist (Art. 6 I EMRK, 47 I GRCh) zu einem Abschluss gelangt und er davor geschützt wird, dass dasselbe Verfahren ohne weiteres erneut aufgenommen werden kann. Daher hindert die Rechtskraft strafgerichtlicher Urteile ein erneutes Strafverfahren in derselben Sache („ne bis in idem“, Art. 103 III GG, 54 SDÜ, 50 GRCh).
Struktur des Strafverfahrens
Das Strafverfahren ist wie das Zivilverfahren in das Erkenntnisverfahren und das Vollstreckungsverfahren gegliedert. Das Erkenntnisverfahren wiederum ist in drei Phasen gegliedert: Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren und Hauptverfahren (Strafprozess im engeren Sinne).
Während im Erkenntnisverfahren festgestellt wird, ob eine Person nach Überzeugung des Gerichts (vgl. § 261) eine bestimmte Straftat begangen hat und welche Strafe tat- und schuldangemessen ist, dient das Vollstreckungsverfahren der Vollstreckung dieser Strafe.

Die 5 Stufen des Strafverfahrens

  1. Ermittlungsverfahren
  2. Zwischenverfahren
  3. Hauptverfahren
  4. Rechtsmittelinstanz (Berufung und Revision)
  5. Vollstreckung des Urteils

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.