Grundsätzlich gelten im Zivilrecht Privatautonomie und Vertragsautonomie. Das heißt, dass zwei geschäftsfähige Personen eigentlich jeden Vertrag miteinander abschließen können, den sie auch abschließen möchten. Sie können auch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwenden, um sich den Rechtsverkehr etwas zu erleichtern. AGB werden für eine unbestimmte Anzahl an Fällen vorformuliert, um Bestandteil eines Vertrags zu werden. Sie müssen nicht explizit als AGB bezeichnet werden. Im Streitfall unterliegen AGB – wie auch andere vertraglichen Absprachen – der richterlichen Kontrolle (bei AGB auch „Inhaltskontrolle“ genannt). Es gibt also bei der Ausgestaltung von AGB Grenzen. Eine dieser Grenzen ist das Transparenzgebot. Es ist inzwischen in § 307 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wie folgt verankert:

„Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.“

Was wird davon erfasst?

Der Bundesgerichtshof (BGH) folgert aus dem Transparenzgebot, dass jeder Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben dazu verpflichtet ist, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen (Urteil vom 21. Juli 2010). Dazu gehört auch, dass allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (ebenda).

Insbesondere gilt als Ausprägung des Transparenzgebots auch das Täuschungsverbot. Demnach verstößt eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung in die Irre zu führen, gegen das Transparenzgebot (BGH, Urteil vom 07. Februar 2019). Ob der Verwender auch täuschen will, ist unbeachtlich. Sinn des Transparenzgebotes ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Versicherungsnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (BGH, Urteil vom 23. November 1994).

Einschränkungen des Transparenzgebots

Das Transparenzgebot soll den AGB-Verwender aber auch nicht überfordern (BGH, Urteil vom 10. Juli 1990). Teilweise kann es schwierig oder sogar unmöglich sein, dem Vertragspartner alle möglichen Interpretationen und Nachteile vollumfänglich zu erläutern (ebenda). Der Verwender ist also nicht dazu gezwungen, jede AGB-Regelung mit einem umfassenden Kommentar zu versehen (ebenda).

Beispiele

Wenn die Parteien vor Gericht Klauseln als Verstoß gegen das Transparenzgebot gerügt werden, dann handelt es sich meistens um Bestimmungen, die dem AGB-Verwender einen Spielraum bieten. Insbesondere sind sehr vage Bestimmungen betroffen, die man verschiedentlich interpretieren kann. Häufig geht es um vereinbarte Geldleistungen mit unbestimmter Höhe, um unklare Haftungsbeschränkungen oder die nachträgliche Abänderung von Bedingungen. Aber auch undurchsichtige Zinsklauseln können einen Verstoß darstellen. Hier ein paar Beispiele für Verstöße gegen das Transparenzgebot:

  1. Eine Preisvereinbarung, bei der die Zusammensetzung des Preises nicht von vornherein ersichtlich ist (LG Wuppertal, Urteil vom 15. November 2018), zu Sachverständigenkosten)
  2. Der Ausschluss von durch Schadensversicherung gedeckten Schäden „soweit gesetzlich zulässig“ (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1995,),
  3. Eine unverständliche Abrechnungsklausel in einem Leasingvertrag (BGH, Urteil vom 22. November 1995)
  4. Eine Klausel bei einem Zeitschriftenabonnementvertrag, die pauschal Preiserhöhungen ermöglicht, ohne auf Umfang oder Voraussetzungen von Preiserhöhungen einzugehen (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980)
  5. Anpassungsklauseln, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne dass der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen (BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999)
  6. Uneingeschränkte Abänderungsrechte für Tarifbestimmungen, Prämien, Rechte und Pflichten in den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) von Versicherungsverträgen (BGH, Urteil vom 08. Oktober 1997; Urteil vom 17. März 1999)

Was passiert bei einem Verstoß?

Unwirksamkeit

Grundsätzlich gilt bei Verträgen § 139 BGB. Danach ist ein Rechtsgeschäft regelmäßig insgesamt nichtig, wenn ein Teil des Rechtsgeschäfts nichtig ist. Allerdings sind die Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen spezieller. Bei einem Verstoß gegen § 307 I Satz 1 BGB ist also nicht der komplette Vertrag nichtig, sondern nur die jeweilige Bedingung unwirksam. Das heißt, dass sie nicht Bestandteil des Vertrags wird. Sie begründet also für die Vertragsparteien keine Rechte oder Pflichten.

Abmahnung

Daneben können Verstöße gegen das Transparenzgebot abgemahnt werden. Diese Möglichkeit besteht aber nicht für jedermann, sondern unter anderem für Wettbewerber und Verbraucherverbände. Das Transparenzgebot ist nämlich ein Verbraucherschutzrecht, und regelt somit das Marktverhalten. Verstöße gegen Verbraucherschutzrechte sind nach dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) und Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) abmahnbar.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin