Bei einem Unfall hat ein Geschädigter deliktische Ansprüche gegen den Schädiger. Diese Ansprüche kann er gemäß § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) auch direkt gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers geltend machen. Der Geschädigte selbst kann gegebenenfalls auch gegen seine eigene Vollkaskoversicherung vorgehen, sofern er eine für sein Fahrzeug abgeschlossen hat.

Kürzungen durch Versicherungen

Kommt es zum Unfall, gibt es regelmäßig Streit um die Höhe des zu ersetzenden Schadens. Der Geschädigte muss sich dann mit der Haftpflichtversicherung des Schädigers auseinandersetzen.

Das Versicherungsgeschäft ist ein Massengeschäft. Laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft gibt es jährlich einige Millionen Schadensfälle in Deutschland. Mehr als zwei Millionen davon sind reine KFZ-Haftpflichtschäden. Die Versicherungen betreiben untereinander einen harten Wettbewerb. Weil Kunden fernbleiben, wenn Prämien erhöht werden, sparen die Versicherer oft dadurch, dass sie den Schaden bei Unfallgegnern so klein rechnen, wie es nur geht. In einigen Fällen wird der Schaden sogar etwas größer gerechnet. Wie gerechnet wird, bestimmt sich oft danach, was für das Versicherungsunternehmen wirtschaftlich sinnvoller ist, in welchem Fall es also dem Geschädigten weniger zahlen muss. Wieso das in der Praxis so relevant ist, wird verständlich, wenn man davon ausgeht, dass durch Kürzungen pro Unfall einige hundert Euro gespart werden können. Bei zwei Millionen Schadensfällen ergibt sich hier eine stattliche Summe.

Wie dreist diese Kürzungen sein können, zeigt dieses Beispiel.

Unternehmer als Geschädigte

Es sind nicht nur Private von Unfällen, und somit von meist unrechtmäßigen Kürzungen betroffen, sondern auch viele kleine, mittelständische und große Unternehmen. Ganz egal, ob es der Wagen einer Kfz-Werkstatt, eines Mietwagenanbieters, Gebrauchtwagenhändlers, eines Verkehrsbetriebs einer Spedition oder eines Autohauses ist, der verunfallt: Oft haben diese Unternehmen besonders günstige Möglichkeiten, ihre Fahrzeuge zu reparieren. Das gilt insbesondere, wenn sie eine eigene Werkstatt haben. Hier bietet sich für Versicherer eine ganz besondere Möglichkeit an, den Schaden kleinzurechnen. Denn wer sein Fahrzeug von jemand anderem reparieren lässt, der muss immer etwas tiefer in die Tasche greifen, als jemand, der selbst repariert. Andere Unternehmer möchten nämlich an der Reparatur verdienen, sie berechnen eine Gewinnspanne in den Preis mit ein.

Hier ergibt sich eine Frage: Kann jemand, dem es möglich ist, sein Fahrzeug selbst zu reparieren, die marktüblichen Kosten einer Reparatur verlangen?

Grundsätze des Schadensrechts

Um die Antworten auf diese Frage zu verstehen, ist es wichtig, zunächst die wichtigsten Grundsätze des deutschen Schadensrechts zu verstehen. Im deutschen Zivilrecht muss ein Schädiger einen Geschädigten dem Grunde nach so stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Man spricht hierbei von der so genannten „Naturalrestitution“. Das heißt zwar, dass der Geschädigte nicht schlechter als vorher gestellt wird, er soll an dem schädigenden Ereignis aber auch nichts verdienen (es gibt insoweit ein „Bereicherungsverbot“). Der Schadensersatz hat auch keine besondere Strafwirkung, er soll nur einen ursprünglichen Zustand, soweit es geht, wiederherstellen. Anders als im US-amerikanischen Recht fallen daher auch in Deutschland Schmerzensgelder deutlich geringer aus.

Geldersatz

Bei der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auch den Geldbetrag vom Schädiger verlangen, den er zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands benötigt.

Einzelne Schadenspositionen

Wenn man also danach fragt, ob man als Werkstattinhaber zu Marktpreisen abrechnen kann, muss man zunächst prüfen, welcher Schaden überhaupt entstanden ist. Wird ein Kraftfahrzeug bei einem Unfall beschädigt, handelt es sich dabei um eine Sache. Also kann der Geschädigte eines Unfalls auch hier grundsätzlich den für die Reparatur erforderlichen (!) Geldbetrag verlangen.

Das heißt, dass der „erforderliche“ Geldbetrag, also „nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf“, ersatzfähig ist. (Siehe Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Oktober 2004.

Folglich kann man sich fragen, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Werkstattinhaber sein Auto in eine andere Werkstatt gibt. Er könnte es schließlich einfach selbst reparieren.

Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwerkstatt?

Eigenwerkstatt

Insbesondere kann man sich das fragen, wenn der Geschädigte seine Werkstatt nicht zur gewerbsmäßigen Reparatur fremder Fahrzeuge, sondern nur eigener Fahrzeuge nutzt (Eigenwerkstatt). Dann könnte er den Schadensersatzanspruch nämlich dazu nutzen, um sich zu bereichern. So ist es im Schadensrecht nicht vorhergesehen: Er könnte Fahrzeuge billig selbst reparieren, aber den Marktpreis verlangen, den eine gewerbsmäßig reparierende Werkstatt verlangt. Also inklusive einer Gewinnspanne.

Bei einer Reparatur in einer Eigenwerkstatt kann demnach eine Gewinnspanne nicht verlangt werden (So auch ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Wittlich vom 7. Juli 1992, allerdings der Generalaufwand für die Einrichtung des Reparaturbetriebes, Abschreibungen, die Verzinsung des Betriebskapitals sowie allgemeine Geschäftsunkosten und der Verwaltungsaufwand (Vergleiche hierzu ein Urteil des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 6. März 2002.

Fremdwerkstatt

Anders sieht es unter Umständen aus, wenn der Geschädigte die Werkstatt auch verwendet, um mit der Reparatur von Fahrzeugen Geld zu verdienen. Dann ist maßgeblich, ob die Werkstatt ausgelastet ist oder nicht. Könnte der Werkstattbetreiber seine Kapazitäten anderweitig gewinnbringend nutzen, dann entsteht ihm auch ein Schaden in Höhe der Gewinnmarge. Sind über die Reparatur aller Fahrzeuge hinaus freie Instandsetzungskapazitäten seiner Werkstatt vorhanden, entsteht dem Geschädigten aber kein Schaden, der die Gewinnmarge miteinschließt (So ein Urteil des OLG Hamm vom 18. Dezember 1989). Er kann in diesem Fall also nicht den Gewinnanteil vom Schädiger verlangen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin