1. Allgemeines

Das Schmerzensgeld ist ein Anspruch auf Schadensersatz als Ausgleich für immaterielle Schäden, also Schäden die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Das Schmerzensgeld hat jedoch in Deutschland eine sogenannte Doppelfunktion: Es soll zum Einen einen Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen, zum Anderen aber auch Genugtuung bieten. Es ist übertragbar und vererblich.

Als Unfallgeschädigter ist man grundsätzlich so zu stellen, wie ohne Unfall. Das heißt, dass dem Unfallgeschädigten alle Kosten zu ersetzen sind, die unfallbedingt eingetreten sind. Wenn man durch den Unfall jedoch verletzt(körperlich und/oder gesundheitlich) wurde, hat man gegen den Unfallverursacher einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Bei Verkehrsunfällen ist die Genugtuungsfunktion zumeist weniger relevant, es sei denn, der Verkehrsunfall wurde durch einen groben oder sogar vorsätzlichen Verkehrsverstoß herbeigeführt (OLG Saarbrücken 27.11.2007 – 4 U 276/07). Eine Einschränkung des Schmerzensgeldanspruchs besteht jedoch bei solchen Körper- und Gesundheitsverletzungen, die als völlig unerheblich zu werten sind, z.B. wenn das körperliche Wohl nur ganz vorübergehend und in gänzlich unbedeutendem Umfang beeinträchtigt ist.

2. Definition

Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist in § 253 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Dort steht:

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Schmerzensgeld

3. Das sollten Sie wissen

Die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen gestaltet sich in Deutschland leider etwas kompliziert. Unfallgeschädigte sind oft enttäuscht und fühlen sich von den Gerichten im Stich gelassen, da die erzielten Beträge oft hinter den Erwartungen der Geschädigten bleiben. Eine klassische und für alle Verkehrsteilnehmer bzw. Gerichte verbindliche Schmerzensgeldtabelle gibt es nicht. Grundsätzlich ist Schmerzensgeld als einmaliger Kapitalbetrag zu leisten. Nur bei schweren und schwersten Dauerschäden kann auch auf Antrag des Geschädigten eine Schmerzensgeldrente gezahlt werden.

a. Aufgrund der Bemessungsschwierigkeiten von Schmerzensgeldern wird in der Praxis häufig auf sogenannte „Schmerzensgeldtabellen“ (Hacks/Ring/Böhm, ADAC-Schmerzensgeldtabelle; Slizyk, Schmerzensgeld von Kopf bis Fuß und Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld) zurückgegriffen. Es handelt sich hierbei um Gerichtsurteile, die lediglich in Tabellen zusammengefasst werden. Mit Hilfe dieser Tabellen können vergleichbare Fälle gefunden werden. Die Schmerzensgeldtabellen sollten nur informativen Charakter haben und erlauben es dem Richter, sich zu orientieren. Es soll also immer eine Bewertung des Einzelfalls stattfinden.

Schmerzensgeld

b. Auf dem 52. Deutschen Verkehrsgerichtstag wurde auch darüber diskutiert, ob die Berechnung des Schmerzensgeldes in Deutschland verändert werden soll. In Deutschland gibt es keine festen Tabellen, jeder Einzelfall wird individuell betrachtet. In anderen Ländern gibt es feste Tabellensätze. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) kommt es bei der Bemessung des Schmerzensgeldes entscheidend auf den Einzelfall und nicht auf Tabellen an. Nur so können alle individuellen Umstände des Geschädigten berücksichtigt werden.

„Das Schmerzensgeld soll Ausgleich und Genugtuung für das persönlich erfahrende Leid des Geschädigten sein“, so Rechtsanwältin Verena Bouwmann von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Daher sei eine starre Anwendung von Schmerzensgeldtabellen oder eines Tabellenpunktesystems für verschiedene Verletzungen, wie es in anderen europäischen Ländern weit verbreitet ist, nicht zielführend. Schon heute gebe es eine Orientierung an Vergleichsentscheidungen anderer Gerichte. „Dies ist auch grundsätzlich unverzichtbar, um willkürliche Entscheidungen zu vermeiden“, so Bouwmann weiter. Tabellensysteme mit einer Tagessatzberechnung für die verschiedenen Verletzungsfolgen oder ein Punktesystem seien jedoch abzulehnen. Diese ließen zwar eine genaue Einordung der Verletzungsfolgen mit dem entsprechenden Schmerzensgeld zu, allerdings sei fraglich, ob die einzelnen Verletzungen nach Art, Unfall und Schwere sowie Lebensbeeinträchtigung insgesamt tatsächlich vergleichbar sind.

Nach Ansicht des DAV besteht in einem hohen Maße die Gefahr, dass durch die Anwendung von solchen Tabellen eine Pauschalisierung stattfindet und die Besonderheiten des Einzelfalls nicht ausreichend gewürdigt werden. Dies gilt insbesondere bei Personenschäden mit Dauerfolgen. Beispielsweise können HWS-Verletzungen leichter oder schlimmer sein und einen unterschiedlichen Heilungsverlauf haben, so dass sie nicht pauschal als HWS-Verletzung gleich eingestuft werden können.

Schmerzensgeld

Die Gerichte (sollen) daher grundsätzlich den Einzelfall bewerten und dem Unfallgeschädigten ein angemessenes Schmerzensgeld zusprechen. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat zum Beispiel in einem Urteil vom 23.12.2015 zum Thema Schmerzensgeld unter anderem Folgendes festgestellt:

„Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu beachten. Insoweit kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychische Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlung, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 9. Aufl., Rn. 274ff.). Dabei muss die Entschädigung zur Art und Dauer der erlittenen Schäden in eine angemessene Beziehung gesetzt werden. Hierbei kommt dem Gedanken, dass für vergleichbare Verletzungen, unabhängig vom Haftungsgrund, ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren ist, besondere Bedeutung zu. Die Orientierung an in anderen Fällen von der Rechtsprechung zugebilligten Beträgen ist nicht nur zulässig, sondern wenigstens als Ausgangspunkt auch erforderlich, weil sich eine unmittelbare Relation zwischen einer Geldentschädigung und nur im seelischen Bereich liegenden Beeinträchtigungen nicht gewinnen lässt (BGH, Urteil vom 19.12.1969 – VI ZR 111/68, VersR 1970, 281; Palandt/Grüneberg, BGB 75. Aufl. § 253 Rn. 15).“

Die höchsten von deutschen Gerichten zugesprochenen Schmerzensgelder sind durch das Urteil des Kammergerichts Berlin vom 16. Februar 2012 mit 500.000,00 Euro und einer monatlichen Rente von 650,00 Euro sowie durch das Urteil des Oberlandesgericht Jena vom 14. August 2009 mit einer Einmalzahlung von 600.000,00 Euro festgesetzt worden.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.