1. Erklärung des Begriffs Sachverständigenverfahren

Das Sachverständigenverfahren bietet eine Lösungsmöglichkeit, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherungsnehmer und der Versicherung über einzelne Voraussetzungen eines Anspruchs und/oder die Schadenshöhe. Das Sachverständigenverfahren ist bei Versicherungsnehmern relativ unbekannt. Das Sachverständigenverfahren kann eine notwendige Voraussetzung für eine zulässige und begründete Klage sein. Ob dies der Fall ist, kann man nur seinem Vertrag entnehmen. Ein Blick in die Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) ist daher erforderlich.

 

Achtung:

Am  3.12.2015 gab es eine Gesetzesänderung. Seit dem gibt es den § 309 Nr. 14 BGB.

In dieser Vorschrift steht:

„Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam [….]

14. (Klageverzicht)
eine Bestimmung, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat.“
Damit dürfte –nach Einschätzung von Rechtsanwalt Schleyer das Sachverständigenverfahren keine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage gegen die Kaskoversicherung mehr sein. Das bedeutet, wenn man Streit mit seinem Kaskoversicherer wegen der Höhe aus einem Kaskofall hat, dann kann man direkt eine Zahlungsklage erheben, ohne dass man vorher das Sachverständigenverfahren durchführen muss.

2. Definition des Begriffs Sachverständigenverfahren

Das Sachverständigenverahren ist im § 84 Versicherungsvertragsgesetz geregelt. In diesem Paragrafen steht unter anderem:

(1) Sollen nach dem Vertrag einzelne Voraussetzungen des Anspruchs aus der Versicherung oder die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden, ist die getroffene Feststellung nicht verbindlich, wenn sie offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Die Feststellung erfolgt in diesem Fall durch gerichtliche Entscheidung. Dies gilt auch, wenn die Sachverständigen die Feststellung nicht treffen können oder wollen oder sie verzögern.

(2) Sind nach dem Vertrag die Sachverständigen durch das Gericht zu ernennen, ist für die Ernennung das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Schaden entstanden ist. Durch eine ausdrückliche Vereinbarung der Beteiligten kann die Zuständigkeit eines anderen Amtsgerichts begründet werden. Die Verfügung, durch die dem Antrag auf Ernennung der Sachverständigen stattgegeben wird, ist nicht anfechtbar.

Das Sachverständigenverfahren ist auch in den Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) geregelt. Dort steht unter anderem:

A.2.17 Meinungsverschiedenheit über die Schadenhöhe (Sachverständigenverfahren)

A.2.17.1 Bei Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss.

A.2.17.2 Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Wenn Sie oder wir innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung keinen Sachverständigen benennen, wird dieser von dem jeweils Anderen bestimmt.

A.2.17.3 Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden soll. Einigt sich der Ausschuss nicht über die Person des Obmanns, wird er über das zuständige Amtsgericht benannt. Die Entscheidung des Obmanns muss zwischen den jeweils von den beiden Sachverständigen geschätzten Beträgen liegen.

A.2.17.4 Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen.

 

3. Tricks der Versicherungen zum Thema Sachverständigenverfahren

Versicherungen haben –naturgemäß– ein großes Interesse daran, im Versicherungsfall nicht oder nur ein Bruchteil von dem zu bezahlen, was sie normalerweise zu zahlen hätten. Daher werden die Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht darauf hingewiesen, dass es das Sachverständigenverfahren gibt. Es kommt auch vor, dass pauschal behauptet wird, dass die Voraussetzungen für ein solches Sachverständigenverfahren nicht vorliegen würden.

Sehr trickreich von den Versicherungen ist auch, dass Mitarbeiter der Versicherung als Sachverständige im Sachverständigenverfahren benannt und tätig werden.

4. Tipps zum Thema Sachverständigenverfahren

Als Versicherungsnehmer sollte man wissen, dass man Streit über das bestehen eines Anspruchs oder über die Höhe der Schadenssumme nicht hinnehmen muss. Man muss auch nicht immer gleich klagen. Man hat auch die Möglichkeit, das das Sachverständigenverfahren durch eine Mitteilung an die Versicherung einzuleiten.

Dabei muss man als Versicherungsnehmer einen Sachverständigen benennen. Dieses Verfahren ist jederzeit möglich. Innerhalb von 14 Tagen muss die Versicherung ebenfalls einen Sachverständigen benennen, ansonsten kann der Versicherungsnehmer auch den zweiten Sachverständigen benennen. Das wäre ein Nachteil für die Versicherung. Beide Sachverständige erstellen dann ein Gutachten. Weichen diese voneinander ab, versuchen sie eine Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, dann entscheidet ein Obmann als eingesetzter Sachverständiger. Einigt man sich nicht auf einen Obmann, entscheidet das zuständige Amtsgericht wer als Obmann tätig werden soll. Die Entscheidung des Obmanns, muss sich innerhalb der ermittelten Beträge befinden. Sie ist für die Parteien bindend. Die Kosten des Verfahrens werde im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen aufteilt.

In den letzten Jahren ist es wohl häufig vorgekommen, dass die Versicherungen ihre eigenen Mitarbeiter als Sachverständige benannt und beauftragt haben. In einem Fall hat ein Versicherungsnehmer dies nicht akzeptiert. Es kam zum Rechtsstreit der durch alle drei Instanzen ging. Der Bundesgerichtshof gab dem Versicherungsnehmer Recht. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil Folgendes entschieden:

„Ein Mitarbeiter einer Partei ist kein Sachverständiger im Rahmen des Sachverständigenverfahrens nach A.2.18“ AKB (Urteil vom 10.12.2014).

Wie man an den oben genannten Beispielen sehen kann, wird im Verkehrsrecht mit allen Tricks und Mitteln gearbeitet. Wer versucht seinen Unfall selbst zu regulieren, ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Beauftragen Sie einen Anwalt und einen Gutachter Ihres Vertrauens!

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.