Was ist Sachmängelhaftung?

Die Sachmängelhaftung spielt bei Kaufverträgen eine große Rolle. Ein Verkäufer muss grundsätzlich dafür einstehen, dass die verkaufte Sache mangelfrei ist. Die gesetzlichen Regelungen zur Sachmängelhaftung geben einem Käufer bestimmte Rechte, wenn die verkaufte Sache mangelhaft ist. Das dient dem Schutz von Käufern. Besondere Regeln gibt es zum Schutz von Verbrauchern. Der Gedanke hinter der Sachmängelhaftung: Wer etwas verkauft, den muss man an seinem Wort festhalten können. Verkauft jemand mangelhafte Sachen, muss er den Mangel beheben, damit der Käufer nicht auf einer mangelhaften Sache sitzen bleibt. Unter Umständen kann der Käufer sogar vom Kaufvertrag zurücktreten, so dass eine Rückabwicklung des Kaufvertrages erfolgen muss.

Abgrenzung zur Garantie

In der Umgangssprache werden die Begriffe Garantie und Sachmängelhaftung oft verwechselt. Viele kennen die richtige Bedeutung der Begriffe nicht. Viele denken, dass gekaufte Sachen „zwei Jahre Garantie“ hätten. Im Zivilrecht haben beide Begriffe aber unterschiedliche Bedeutungen.

Die Sachmängelhaftung ist keine „Garantie“. Anders als bei einer Garantie bestehen Ansprüche aus Sachmängelhaftung kraft Gesetzes. Sie entstehen also automatisch, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, die sich im Gesetz finden. Eine Garantie kann man sich eher wie ein freiwilliges Versprechen des Verkäufers und/oder Herstellers oder eine Absprache zwischen den Vertragspartnern vorstellen. Was eine Garantie ist, können Sie hier nachlesen.

Was kann der Käufer vom Verkäufer verlangen?

Das Gesetz gibt einem Käufer verschiedene Rechte. Die Rechte eines Käufers bei Mängeln sind in § 437 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) beschrieben. Laut dieser Norm hat der Käufer verschiedene Möglichkeiten: er kann

Wann bestehen diese Rechte?

Wie oben erwähnt, müssen bestimmte im Gesetz beschriebene Bedingungen eintreten, damit ein Anspruch aus Sachmängelhaftung besteht:

1. Kaufvertrag

Es muss zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über eine Sache entstanden sein (siehe hierzu §§ 437, 433 BGB). Anders als viele denken, muss es sich bei so einem Vertrag nicht um ein schriftliches Dokument handeln. Ein Vertrag kann auch mündlich geschlossen werden. Es ist sogar möglich, dass ein Kaufvertrag geschlossen wird, ohne dass beide Parteien reden. Dazu folgendes

Beispiel: Wenn jemand nur eine Ware auf das Fließband legt, und sie dann bezahlt, reicht das in der Regel für einen Vertrag aus. Grundsätzlich können Verträge formfrei, also auch mündlich geschlossen werden. Zwar ist für bestimmte Verträge die Schriftform oder eine andere Form vorgeschrieben, für einfache Kaufverträge gilt das allerdings nicht. Denn wenn nichts besonderes im Gesetz beschrieben ist, gilt die „Formfreiheit“. Es muss also nur auf beiden Seiten eine Willensäußerung zum Vertragsabschluss („Antrag und Annahme“, siehe § 151 BGB) vorliegen. Diese Willensäußerungen werden dann durch die Gerichte nach §§ 133, 157 BGB entsprechend ausgelegt. Konkret heißt das: Wer eine Ware auf ein Fließband legt, und dann dem Verkäufer Geld in die Hand drückt, der will die Ware kaufen. Der Verkäufer will sie verkaufen, denn er nimmt das Geld an und lässt die Ware mitnehmen. Solche Kaufverträge sind in der Regel auch wirksam. Probleme bei der Wirksamkeit gibt es zum Beispiel, wenn der Käufer oder Verkäufer minderjährig ist.

2. Mangel

Wie der Begriff „Sachmängelhaftung“ nahelegt, muss bei der gekauften Sache auch ein Mangel vorliegen. Was ein Mangel ist, ist in den §§ 434, 435 BGB beschrieben. Diese Vorschriften betreffen Sach- und Rechtsmängel.

Sachmangel

Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer

Ein Sachmangel liegt laut § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vor,

wenn die Sache bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.“

Sagt der Käufer also zu dem Verkäufer: „Ich hätte gerne dieses Fahrrad, aber rot“, dann liegt ein Sachmangel vor, wenn der Verkäufer zwar einwilligt, ihm aber stattdessen das Fahrrad in gelber Farbe liefert. Häufig sind solche Besonderheiten aber nicht zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart. Daher folgt § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB: In Nr. 1 heißt es, dass keine Sachmängel vorliegen, wenn sich die Sache

„für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet“.

Ein Beispiel hierzu: Der Käufer sagt dem Verkäufer, dass er ein Elektrofahrrad sucht, das auch noch bei 15% Steigung fährt, denn auf einem normalen Fahrrad fiele es ihm entsprechend schwer. Wenn der Verkäufer ihm nun ein E-Bike verkauft, das nur 10% Steigung schafft, liegt ein Sachmangel vor.

Keine Vereinbarungen

Schließlich gibt es auch § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Diese Vorschrift gilt für Fälle, in denen Käufer und Verkäufer keine besonderen Vereinbarungen getroffen haben. Das ist bei alltäglichen Geschäften der Regelfall. Nach dieser Regelung liegt dann kein Sachmangel vor, wenn sich die Sache

„für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.“

Das heißt konkret: Die Sache muss das schaffen, was man davon erwarten kann, und in der Werbung versprochen wird ( siehe Abs. 1 Satz 3, ausgenommen sind zum Beispiel offensichtlich unzutreffende Werbeanpreisungen, wie das „Verleihen von Superkräften“).

Im Übrigen sind auch Montagemängel, die Lieferung falscher Sachen und das Liefern einer zu geringen Menge als Sachmängel zu behandeln.

Was ist ein Mangel, was ist kein Mangel? Hier ein paar Beispiele rund ums Auto:

Rechtsmangel

Neben den Sachmängeln gibt es auch Rechtsmängel. Bei dem Kaufvertrag muss der Verkäufer dem Käufer Besitz und Eigentum an der Kaufsache verschaffen. Dazu hat er sich durch den Kaufvertrag verpflichtet. Wenn jemand anderes verhindern kann, dass der Käufer das Eigentum oder den Besitz an der Sache erlangt, oder dass der Käufer die Sache gebraucht, liegt ein Rechtsmangel vor.

3. Kein Haftungsausschluss

Wenn Kaufvertrag und Mangel vorliegen, kann die Sachmängelhaftung trotzdem im Vertrag ausgeschlossen sein. Es kommt aber auf die jeweiligen Vertragspartner an. Nicht in jedem Fall kann der Verkäufer die Haftung wirksam(!) ausschließen. Wenn der Verkäufer nämlich Unternehmer ist, und der Käufer Verbraucher, handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Die Regelungen dazu finden sich in §§ 474 ff. BGB. Nach § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB kann sich bei Verbrauchsgüterkäufen der Unternehmer nicht auf für den Käufer nachteilige Vereinbarungen berufen, was die Sachmängelhaftung angeht. Konkret heißt das: Wenn der Verkäufer Unternehmer ist, und der Käufer Verbraucher, kann der Verkäufer nicht geltend machen, dass die Sachmängelhaftung im Kaufvertrag ausgeschlossen wurde. Die Rechte des Verbrauchers bestehen trotzdem gegen ihn.

Umgehung

Bei Geschäften zwischen zwei Verbrauchern oder zwei Unternehmern gilt diese Regelung nicht. Hin und wieder wird seitens des Verkäufers versucht, diese Regelungen damit zu umgehen. Beispielsweise, indem der Käufer im Vertrag als Unternehmer bezeichnet wird, obwohl er Verbraucher ist. Laut § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB ist aber eine Umgehung ausgeschlossen. Der Unternehmer muss trotzdem die Rechte des Verbrauchers gegen sich gelten lassen. Er kann die Sachmängelhaftung nicht umgehen.

4. Nacherfüllung

Wenn ein Kaufvertrag besteht, die Kaufsache mangelhaft ist und die Haftung nicht ausgeschlossen ist, kann der Käufer vom Verkäufer nach § 439 BGB Nacherfüllung verlangen. Das heißt, dass der Käufer die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer Mangelfreien Sache verlangen kann. Der Verkäufer muss die Kosten dafür tragen.

Allerdings muss der Käufer ihn auch wirksam zur Nacherfüllung auffordern. Dafür muss der Käufer den Verkäufer zur Behebung des Mangels auffordern, und ihm die Sache zur Nachbesserung überlassen. Dem Verkäufer muss dabei eine angemessene Frist gesetzt werden. Welche Frist angemessen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Falles. Näheres hierzu können Sie in diesem Urteil des Bundesgerichtshofs nachlesen.

Wahlmöglichkeit: Minderung und Rücktritt

Grundsätzlich ist die Nacherfüllung vorrangig. Der Käufer muss den Verkäufer zur Nacherfüllung auffordern. Nur wenn die Nacherfüllung fehlschlägt, vom Verkäufer abgelehnt wird oder ausgeschlossen ist, kann der Käufer entweder nach § 441 BGB den Kaufpreis mindern oder nach § 440 vom Vertrag komplett zurücktreten. Der Käufer muss sich entscheiden, ob er entweder den Kaufpreis mindert oder zurücktritt, beides geht nicht. Rücktritt oder Minderung müssen dem Verkäufer gegenüber erklärt werden. Ein Rücktritt hat zur Folge, dass das, was der Käufer oder der Verkäufer im Rahmen des Vertrags erbracht haben, zurückgewährt werden muss. Die Kaufpreisminderung bewirkt, dass der Kaufvertrag weiterhin besteht. Allerdings muss nur der Preis gezahlt werden, den die Sache mit ihrem Mangel wert ist. Wenn der Käufer schon bezahlt hat, kann er den Betrag, den er zu viel bezahlt hat, nach § 441 IV BGB zurückfordern.

Wahlmöglichkeit: Schadensersatz

Wie oben erwähnt, können gemäß §§ 440, 280, 281, 283 und 311 a BGB Schadensersatzansprüche des Käufers gegen den Verkäufer bestehen. Auch für solche Ansprüche muss dem Verkäufer zuerst die Möglichkeit der Nacherfüllung gegeben werden, wenn diese nicht ausgeschlossen ist. Ein „Schaden“ im rechtlichen Sinne ist auf jeden Fall die Wertdifferenz zwischen mangelhafter und mangelfreier Sache. Wenn allerdings ein erheblicher Mangel besteht, kann der Käufer die Sache zurückgeben, und den entstandenen Schaden, auch den Kaufpreis, herausverlangen. Der Schaden kann unter anderem auch Folgendes sein:

  • Kosten, die dem Käufer dadurch entstehen, dass er sich eine andere Sache beschaffen muss,
  • entgangener Gewinn, der ausgeblieben ist, weil der Käufer die Sache nicht verwenden konnte,
  • oder Schäden, die dem Käufer entstanden sind, weil er die Sache weiterverkauft hat.

Statt Schadensersatz kann auch Aufwendungsersatz gemäß § 284 BGB verlangt werden. Vorsicht ist geboten: Wenn der Käufer etwas verlangt, kann er sich später nicht mehr anders entscheiden. Sinnvoll ist es deshalb, gründlich zu überlegen, welche die beste Wahl ist.

 

5. Keine Verjährung

Schließlich kann der Käufer diese Rechte vor Gericht nur dann wirksam durchsetzen, wenn sie nicht verjährt sind. Laut § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjähren die Ansprüche aus Sachmängelhaftung üblicherweise nach 2 Jahren (es gibt wenige Ausnahmen). Das heißt: 2 Jahre nach Übergabe der Sache kann der Verkäufer sich auf Verjährung berufen. Bei gebrauchten Sachen kann ein Unternehmer die Verjährungsfrist auf 1 Jahr reduzieren (siehe § 475 Abs. 2 BGB). Das ist insbesondere beim Gebrauchtwagenkauf relevant. Für Informationen zum Autokauf klicken Sie hier.

Was muss der Käufer beweisen?

Grundsätzlich muss ein Kläger beweisen, dass er etwas bestimmtes von dem Beklagten verlangen kann. Er muss also darlegen, dass er einen Anspruch gegen den Beklagten hat. Wenn er einen Anspruch auf Nacherfüllung geltend macht, muss ein Käufer also regelmäßig Folgendes beweisen:

  1. Es gibt einen wirksamen Kaufvertrag.
  2. Es bestand ein Mangel (bzw. Mangelerscheinung) zum Zeitpunkt der Übergabe.
  3. Der Verkäufer wurde wirksam zur Nacherfüllung aufgefordert.

Darüber hinaus gelten weitere Voraussetzungen für andere Ansprüche. Wenn der Verkäufer Unternehmer ist, verhält es sich mit dem Nachweis über den Mangel anders: In § 476 BGB ist die Beweislastumkehr geregelt. Es wird zulasten des Unternehmers innerhalb der ersten 6 Monate nach Übergabe vermutet, dass die Sache schon bei Übergabe mangelhaft war. Hier kann man mehr zur >>> Beweislastumkehr <<< lesen.

Andere Ansprüche

Neben den Ansprüchen aus den §§ 437 ff. BGB können auch andere Ansprüche bestehen, zum Beispiel aus dem Produkthaftungsgesetz oder aus unerlaubter Handlung, etwa nach § 823 BGB. Ein Beispiel dafür ist eine Körperverletzung durch mangelhafte Produkte. In besonderen Fällen kann auch ein Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Beschädigung der Kaufsache entstehen, der neben den Ansprüchen aus Sachmängelhaftung besteht. Hier wird von so genannten „Weiterfresserschäden“ gesprochen. So ein Anspruch wird insbesondere dann wichtig, wenn nach den Vorschriften der Sachmängelhaftung Ansprüche schon verjährt wären.

Ähnliche Regelungen wie die zum Kaufvertrag gibt es auch für den Werkvertrag. Diese befinden sich in den §§ 633 ff. BGB.

Dieser Text wurde erstellt durch Rechtsanwalt Umut Schleyer – Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin.