Bei einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte einen Schadensersatzanspruch gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers. Unter anderem kann der Geschädigte die Reparaturkosten für sein Fahrzeug, Gutachter- und Anwaltskosten und Abschleppkosten geltend machen. Aber auch Mietwagenkosten muss der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung zahlen.

Für Ersatzfahrzeuge nach Unfällen verlangen Autovermieter aber in der Regel mehr als für Geschäftskunden oder Freizeitkunden. Die Rede ist dabei von einem „Unfallersatztarif“. Als Grund dafür wird angegeben, dass nicht genau planbar ist, wann das Fahrzeug gebraucht wird, und daher mehr Unwägbarkeiten bestehen. Andererseits sei der Tarif so hoch, weil sich die Schadensregulierung aus einem Verkehrsunfall oft auf einen Zeitraum von einem halben Jahr erstrecke.

Das Problem mit den höheren Kosten

Wenn man von dem Standpunkt ausgeht, dass der Schädiger den Unfallgeschädigten so stellen soll, wie er stünde, wenn der Unfall nicht geschehen wäre, dann heißt das grundsätzlich folgendes: Vor dem Unfall konnte der Geschädigte sein Fahrzeug nutzen. Nach dem Unfall konnte er es nicht mehr nutzen. Er muss nun Ausgaben auf sich nehmen, die er sonst nicht getätigt hätte. Das kann er sich nicht aussuchen, er tut das nicht freiwillig. Die Mietwagenkosten sind also ein Schaden für ihn, der sich mittelbar aus dem Unfall ergibt.

Allerdings kann der Geschädigte auch Fehler begehen. Wenn der Geschädigte zum Beispiel ein sehr teures Mietauto mietet, dann kann er damit gegen die Schadensminderungspflicht und das Wirtschaftlichkeitspostulat verstoßen. Wenn er diese Obliegenheiten verletzt, dann kann es sein, dass er die Mietwagenkosten nicht in vollem Umfang ersetzt bekommt. Er soll nämlich nicht besser gestellt werden als vor dem Unfall.

In der Rechtsprechung ist Folgendes anerkannt:

„Nach ständiger Rechtsprechung des 6. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs (BGH) kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Urteil vom 10.10.2008)

Weiter führt das OLG aus:

Der Geschädigte hat nach dem […] Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, weshalb er ausgehend von dem örtlich relevanten Markt nicht nur für Unfallgeschädigte grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann. Im Rahmen seines tatrichterlichen Ermessens nach § 287 ZPO hat also das Gericht die Erforderlichkeit eines von dem Mietwagenunternehmen berechneten Tarifs, und zwar gleichgültig, ob es sich um einen als „Unfallersatztarif oder als „Normaltarif bezeichneten handelt, anhand der auf dem örtlich relevanten Markt verlangten „Normaltarife“ zu schätzen.“

„Nach ständiger, auch höchstrichterlicher Rechtsprechung können spezifische Leistungen bei unfallbedingten Vermietungen einen – pauschalen – Aufschlag zu einem „Normaltarif rechtfertigen, um mit der Vermietung gerade an Unfallgeschädigte verbundene Mehrleistungen und Risiken abzugelten. “

Der Bundesgerichtshof zur Beweislast:

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht muss von dem Schädiger dargelegt und bewiesen werden. Ob der Geschädigte „ohne weiteres“ einen günstigeren Tarif hätte wählen können, muss der Schädiger laut BGH (Urteil vom 02.02.2010) also beweisen.

Was für ein Mietwagen ist angemessen?

An dieser Stelle entspinnt sich regelmäßig ein Streit zwischen Geschädigten und den gegnerischen Haftpflichtversicherungen. Was darf man für „zweckmäßig und notwendig“ befinden? Wer handelt „verständig“? Ist der gewählte Tarif „erforderlich“? Die Versicherer argumentieren, dass der Geschädigte einen billigeren Mietwagen hätte nutzen können. Oft verweisen Versicherer auch direkt nach dem Schaden auf billige Reparaturwerkstätten und andere Leistungen zur Schadensbehebung. Mit Mietwagen verhält es sich nicht anders, oft versuchen Versicherer, einen Geschädigten in billige Tarife zu drängen. An diese Hinweise ist ein Geschädigter allerdings nicht gebunden. Er kann selbst die Art der Schadensbehebung wählen, und muss sich nicht auf bestimmte Mietwagen, bestimmte Gutachter oder bestimmte Vertragswerkstätten beschränken lassen:

nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens.“ (BGH, Urteil vom 09. Juni 2009)

Allerdings gilt das nicht immer.

Unter bestimmten Umständen kann der Geschädigte trotzdem gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er ein Angebot des Schädigers für einen Mietwagen nicht annimmt. Das Angebot des gegnerischen Haftpflichtversicherers kann also beachtlich sein. Es kann also die Möglichkeit des Geschädigten, den Schaden in Eigenregie zu erledigen, betreffen. Allerdings ist das dem Geschädigten laut BGH zumutbar, denn für die Vermietung gelten andere Maßstäbe als für die Reparatur oder die Verwertung des beschädigten Fahrzeugs. Der vorrangige Zweck der Ersetzungsbefugnis, den Geschädigten davon zu befreien, das verletzte Rechtsgut dem Schädiger oder einer von diesem ausgewählten Person zur Wiederherstellung anvertrauen zu müssen, sei „bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs also nicht betroffen“ (Urteil vom 12. Februar 2019).

Wenn also der Versicherer ein wesentlich günstigeres Angebot für einen Mietwagen vorlegt, und keine Anhaltspunkte für eine fehlende Seriosität vorliegen, muss sich der Geschädigte grundsätzlich auf dieses Angebot einlassen.

Schwacke-Liste und Mietpreisspiegel

In der Praxis werden oft Listen herangezogen, um zu beurteilen, welcher Preis für einen Mietwagen angemessen ist. Zu nennen ist hier insbesondere der Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland, der jährlich von der Fraunhofer-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. neu herausgegeben wird. Daneben gibt es auch die sogenannte Schwacke-Liste des Unternehmens Schwacke GmbH. Dieses Unternehmen befasst sich mit der wirtschaftlichen Bewertung von Gebrauchtwagen. Für gewöhnlich geben diese Listen einen relativ präzisen Eindruck davon, welche Fahrzeuge als adäquater Ersatz in Betracht kommen. Allerdings können die Listen auch fehlerhaft sein, wie dieses Urteil des Bundesgerichtshofs darstellt.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin