Handy am Steuer

Das Oberlandesgericht Düsseldorf, 3. Senat für Bußgeldsachen, hat mit Beschluss vom 05.10.2006 festgestellt, dass das bloße Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons während der Fahrt erlaubt ist.

Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe
I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 40 EUR verurteilt. Mit Beschluss vom 2. Oktober 2006 hat der Einzelrichter die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde zugelassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, und hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Urteil ist materiell-rechtlich fehlerhaft, weil die tatrichterlichen Feststellungen die Verurteilung wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons nicht tragen.

Nach § 23 Abs. 1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Nach den tatrichterlichen Feststellungen, die auf der Einlassung des Betroffenen beruhen, hat dieser sein (heruntergefallenes) Mobiltelefon lediglich aufgenommen und in der Hand gehalten, um es vom Fußraum auf den Beifahrersitz zu legen. Allein dieses Verhalten hat das Amtsgericht bereits als Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gewertet und von einer weiteren Sachaufklärung durch Vernehmung der als Zeugen geladenen Polizeibeamten abgesehen.

Diese Beurteilung des Normgehalts der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO ist rechtsfehlerhaft. Sie überschreitet die äußersten Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung, die durch den (noch) möglichen Wortsinn markiert wird. Da Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit für den Normadressaten verlangt, ist für die Auslegung einer bußgeldbewehrten Verbotsvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgebend. Für Interpretationen, die über den erkennbaren Wortsinn hinausgehen, ist dabei kein Raum (vgl. BVerfGE 71, 108, 114 f. = NJW 1986, 1671, 1672; BVerfGE 73, 206, 234 f. = NJW 1987, 43, 44; BVerfGE 92, 1, 12 f. = NJW 1995, 1141; BVerfG NJW 2005, 2140, 2141; KK-Rogall, OWiG, 3. Aufl., § 3 Rdn. 31 u. 53 m.w.N.).

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Schon nach seinem Wortsinn erfordert der Begriff der Benutzung, dass die Handhabung des Mobiltelefons einen Bezug zu einer der Funktionen des Geräts aufweist. Nicht das Aufnehmen und Halten des Mobiltelefons als solches wird untersagt, sondern – wie das zweckgerichtete Tatbestandsmerkmal „hierfür“ verdeutlicht – allein dessen bestimmungsgemäße Verwendung. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, inwieweit neben dem Führen von Telefongesprächen und den in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten weiteren Bedienfunktionen wie Anwählen, Versendung von Kurznachrichten und Abrufen von Internetdaten (vgl. BR-Drucksache 599/00, S. 18) auch „telefonfremde“ Verwendungsmöglichkeiten, welche Mobiltelefone neuerer Bauart bieten (Organisator-, Diktier-, Kamera-, Zeitmess- und Spielefunktionen), von dem Benutzungsverbot des § 23 Abs. 1a StVO erfasst werden (vgl. hierzu OLG Hamm NJW 2003, 912; NJW 2005, 2469; NJW 2006, 2870; OLG Jena Verkehrsrecht aktuell 2006, 142).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann jedenfalls in dem bloßen Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gesehen werden (vgl. OLG Köln NJW 2005, 3366, 3367; zustimmend: Schäpe DAR 2005, 696, 697; Scheffler NZV 2006, 128, 129). Denn bei einer solchen Handhabung fehlt jeglicher Bezug zu einer gerätetechnischen Bedienfunktion. Ein Kraftfahrzeugführer muss nach dem erkennbaren und verstehbaren Wortlaut der Verbotsvorschrift nicht damit rechnen, dass bereits das bloße Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons sanktioniert wird. Es wäre auch nicht einsichtig, eine solche funktionsneutrale Tätigkeit bei einem Mobiltelefon anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (z.B. Getränkeflasche, Zeitschrift, Zigarettenschachtel).

Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da nach der zur weiteren Sachaufklärung gebotenen Beweiserhebung durch Vernehmung der im Bußgeldbescheid benannten Polizeibeamten andere tatrichterliche Feststellungen möglich erscheinen. Die Sache war daher unter Aufhebung des Urteils und der diesem zugrunde liegenden Feststellungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 u. 6 OWiG, § 353 StPO).

III.

Der Tenor des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, das die Tat auch in Bußgeldsachen in der Urteilsformel – sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind – mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90).

Ferner weist der Senat darauf hin, dass bei der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt regelmäßig nur vorsätzliches Handeln in Betracht kommen dürfte (vgl. OLG Jena NStZ-RR 2005, 23).