Gutachterrechnung – Höhe – Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – was ist erforderlich?

1. Nach einem Unfall versucht die gegnerische Haftpflichtversicherung regelmäßig bestimmte Schadenspositionen des Unfallgeschädigten zu kürzen. Eine beliebte Kürzungsposition ist die Gutachterrechnung. In den letzten Jahren hat sich der Bundesgerichtshof mehrfach mit dem Thema Gutachterrechnung befasst. In seinem letzten Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, welche Kosten der Gutachter abrechnen und verlangen darf und welche nicht.

Was war passiert?

Der Bundesgerichtshof hatte bereits mit Urteil vom 22.07.2014 festgestellt, dass Nebenkosten durch einen Richter  nicht  pauschal auf 100,- € gedeckelt werden dürfen. Außerdem hat der Bundesgerichtshof Feststellungen dazu getroffen, unter welchen Voraussetzungen ein Richter bestimmte Beträge in einem Rechtsstreit schätzen darf. Mit diesem Urteil hatte der Bundesgerichtshof ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken  aufgehoben und an dieses zurückverwiesen. Anschließend hat das Landgericht Saarbrücken ein neues Urteil zu den Nebenkosten gefällt. Dieses Urteil wurde erneut vom Bundesgerichtshof geprüft.

Der Kläger, ein Kfz-Sachverständiger, nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der Frau R. auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20. Dezember 2012 in Anspruch, bei dem der Pkw der Frau R. durch ein von der Beklagten geführtes Fahrzeug beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Landgericht Saarbrücken fällte ein neues Urteil. Beide Parteien erhoben dagegen eine Revision.

 

2. Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof wies beide Revisionen zurück und stellte fest, dass das (neue) Urteil des Landgerichts Saarbrücken in dieser Form richtig ist. Der Bundesgerichtshof kam –sinngemäß– zu folgendem Ergebnis:

 

  • Gutachterkosten sind nach einem unverschuldeten Unfall zu ersetzen.

 

  • Der Gutachter darf ein Grundhonorar zuzüglich Mehrwertsteuer verlangen. Da aufgrund der getroffenen Honorarvereinbarung die Ingenieurleistungen des Klägers durch das Grundhonorar abgegolten sind, kann er im Rahmen von Nebenkosten nur Ersatz tatsächlich angefallener Aufwendungen beanspruchen. Welche Nebenkosten im Einzelfall angemessen sind, darf der Tatrichter in Anlehnung an das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) schätzen.

 

  • Der Geschädigte ist zu einer Plausibilitätskontrolle verpflichtet.

 

  • 1,05 € pro Kilometer sind deutlich überhöht und nicht erstattungsfähig.

 

  • Kosten von 2,45 € pro Foto bzw. von 2,05 € pro Foto für den 2. Satz sind deutlich überhöht und nicht erstattungsfähig.

 

  • Schreibkosten von 3,- € und Kopierkosten von 1,- € pro Seite sind deutlich überhöht und nicht erstattungsfähig.

 

 

3. Tipp von Rechtsanwalt Umut Schleyer

Aufgrund dieses Urteils muss jeder Gutachter davon ausgehen, dass eine weitere Kürzungswelle auf ihn zukommen wird. Wer seine Abtretungserklärung bzw. seine Rechnungen nicht anpasst, wird viel Stress und Ärger bekommen. Auf den ersten Blick könnte man davon ausgehen, dass das neue Urteil des Bundesgerichtshofs zu Lasten der Unfallgeschädigten bzw. Gutachter geht. Dem ist nicht so. Wenn man sich mit dem Urteil und dem zugrunde liegenden Gesetz intensiv beschäftigt, wird man entdecken, dass es neue Möglichkeiten gibt.  Hier hat man eine gute Übersicht zum Nachlesen.

Dieser Text wurde von Rechtsanwalt Umut Schleyer erstellt.