Ein Facebook-Account ist vererbbar –

Urteil des Bundesgerichtshofs!

1. Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

Der Bundesgerichtshofs hat am 12.07.2018 entschieden, dass der Vertrag über ein Facebook-Account (Benutzerkonto) grundsätzlich vererbbar ist und die Erben einen Anspruch gegen Facebook auf Zugang zu dem Konto einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte haben.

2. Was war passiert?

Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte (Facebook) betreibt ein soziales Netzwerk, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können. 2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Facebook-Account. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahnunglücks. Die Klägerin versuchte hiernach, sich in den Facebook-Account ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte (Facebook) es inzwischen in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadensersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.

3. Wie verlief der Rechtsstreit?

Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

4. Was sagt der Bundesgerichtshof?

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Kammergerichts aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil (des Landgerichts Berlin) wiederhergestellt. Der Bundesgerichtshof vertritt sinngemäß unter anderem folgende Rechtsauffassung (Verfasser gekürzt und modifiziert):

„Die Erben haben gegen die Beklagte (Facebook) einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Dies ergibt sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und der Beklagten, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen ist. Dessen Vererblichkeit ist nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthalten hierzu keine Regelung. Die Klauseln zum Gedenkzustand sind bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam. […] Schließlich kollidiert der Anspruch der Klägerin auch nicht mit dem Datenschutzrecht, insbesondere auch nicht gegen die seit 25. Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Die der Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten immanente Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin ist zulässig. Sie ist sowohl zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Erblasserin erforderlich als auch auf Grund berechtigter überwiegender Interessen der Erben.“+

Dieses Urteil zeigt, dass viele Geschäftsbedingungen von Facebook unwirksam sind. In Deutschland gilt nun mal eine andere Rechtslage als in den USA. Es ist schon merkwürdig und traurig, dass die Mutter einer verstorbenen Tochter 6 Jahre um ihr Recht kämpfen musste. Dieses Urteil ist ein Hoffnungsschimmer für alle Facebook-User in Deutschland.

Umut Schleyer – Rechtsanwalt – Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin