1. Erklärung des Begriffs Ergänzungsgutachten

Von einem Ergänzungsgutachten spricht man unter anderem dann, wenn ein Gutachter Fragen zu seinem Gutachter beantworten muss. Es kommt oft vor, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung ein bestehendes Gutachten in technischer Hinsicht bemängelt und eine Zahlung bzw. eine weitere Zahlung von einer ergänzenden Stellungnahme des Gutachters abhängig macht. Die dann erforderliche Stellungnahme, zu den aufgeworfenen Fragen bzw. monierten Punkten bezeichnet man als Ergänzungsgutachten.

2. Definition des Begriffs Ergänzungsgutachten

Der Begriff des Ergänzungsgutachtens ist gesetzlich nicht definiert.
Lesen Sie unter Tricks der Versicherung, was auf den Unfallgeschädigten zukommen kann.

3. Ticks der Versicherungen zum Thema Ergänzungsgutachten

Die gegnerischen Haftpflichtversicherungen versuchen oft mit allen Mitteln, die Ansprüche des Unfallgeschädigten unberechtigt zu kürzen. Eine beliebtes Mittel ist, dass vom Unfallgeschädigten in Auftrag gegebene Gutachten eines unabhängigen Gutachters zu bemängeln und mit allen möglichen Argumenten zu torpedieren, um die Zahlung komplett zu verweigern oder zumindest einige Kürzungen vornehmen zu können. Dann ist die Verunsicherung bei den Unfallgeschädigten meistens sehr groß. Sogar die Kompetenz des eigenen Gutachters wird dann plötzlich und oftmals völlig unnötig in Frage gestellt. Die Versicherungen genießen in Deutschland viel Respekt und ein hohes Ansehen, so dass der „Normalbürger“ grundsätzlich „versicherungshörig“ ist. Diesen Umstand nutzen die Versicherungen systematisch aus.

4. Tipps zum Thema Ergänzungsgutachten

Als Unfallgeschädigter sollte man zunächst wissen, dass man so zu stellen ist, wie ohne Unfall. Daher sind dem Unfallgeschädigten alle Kosten zu ersetzen, die unfallbedingt entstanden sind. Dies setzt allerdings voraus, dass man unverschuldet in den Verkehrsunfall verwickelt wurde.

Erhebt der die gegnerische Haftpflichtversicherung technische Einwendungen gegen das vom Geschädigten eingeholte Gutachten, darf dieser grundsätzlich die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen für sachdienlich halten. Die Kosten kann er ersetzt verlangen, wenn er ohne sachverständige Hilfe die Berechtigung der Einwendungen nicht beurteilen kann. Dies hat das Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 20.02.15 entschieden und dazu unter anderem Folgendes ausgeführt:

„b) Ein solcher Anspruch kann ferner zu den nach § 249 BGB ersatzfähigen Schäden zählen, was sich danach bemisst, ob ein verständig und wirtschaftlich denke der Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschätzung eines Sachverständigen ex ante für geboten erachten durfte Das ist hier der Fall.

  • aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs besteht ein prozessualer Kostenerstattunganspruch auf Ersatz von Kosten eines Privatsachverständigen, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Partei bei Beauftragung des Sachverständigen aus ihrer Sicht infolge fehlender Sachkenntnisse ohne die Hilfe ihres Sachverständigen nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage war.
  • bb) Diese Grundsätze können für die Frage der Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Kosten eines Privatsachverständigen nach § 249 BGB entsprechend herangezogen werden. Denn es ist anerkannt, dass der Geschädigte sich nicht erst im Prozess sachverständiger Hilfe bedienen, sondern bereits vorgerichtlich ein Schadensgutachten einholen darf, damit er seinen erlittenen Kfz-Schaden auf dieser Grundlage beziffern und ggfl. erfolgreich gerichtlich geltend machen kann. Vorprozessual besteht gleichermaßen wie während des Prozesses ein berechtigtes Interesse des Geschädigten, einen Sachverständigen heranzuziehen, wenn er ansonsten nicht in der Lage ist, seinen Schaden sachgerecht darlegen zu können.
  • cc) Erhebt der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer bereits vorgerichtlich technische Einwendungen gegen das vom Geschädigten eingeholte Schadensgutachten, deren Berechtigung der Geschädigte aufgrund fehlender Sachkenntnis nicht abschließend beurteilen kann, darf der Geschädigte grundsätzlich die Einholung eines Ergänzungsgutachtens seines Sachverständigen zur Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen für sachdienlich halten. Das berechtigte Vertrauen des Geschädigten in die Richtigkeit der Schadensfeststellungen seines Sachverständigen ist nämlich aufgrund der entgegenstehenden technischen Einwendungen des Schädigers oder dessen Haftpflichtversicherers so weit erschüttert, dass es dem Geschädigten – auch aus Gründen der Waffengleichheit – nicht zuzumuten ist, auf dieser Grundlage seinen Schaden geltend zu machen. Um sachgerecht vortragen zu können und den erlittenen Schaden verbindlich zu beziffern und ggfl. durchzusetzen, darf der Geschädigte demnach unter diesen Umständen eine weitere Beauftragung seines Sachverständigen für erforderlich und zweckmäßig erachten. Dies gilt auch, weil der Geschädigte in einer solchen Situation davon ausgehen darf, mit Hilfe einer ergänzenden Stellungnahme seines Sachverständigen zur (technischen) Klärung des Sachverhalts bereits im Vorfeld eines Prozesses beitragen und so – auch im Sinne einer wirtschaftlich sinnvollen Vorgehensweise – auf eine nicht streitige Erledigung hinwirken zu können.
  • dd) Danach durfte die Klägerin vorliegend die Einholung eines Ergänzungsgutachtens ihres Sachverständigen nach § 249 BGB insoweit für erforderlich halten, als die Beklagte – gestützt auf den Prüfbericht vom 11.11.2012 – technische Einwendungen gegen die Schadensfeststellungen des Sachverständigen der Klägerin erhoben hatte. Das betraf vorliegend die Frage nach der technischen Gleichwertigkeit der von der Beklagten benannten „Referenzwerkstatt“ und den voraussichtlichen Reparaturaufwand in technischer Hinsicht. Demgegenüber war die eingehende Auseinandersetzung des Privatsachverständigen mit den Voraussetzungen einer Verweisung auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich, da es sich insoweit um keine technische Frage handelt. Die anwaltlich beratene Klägerin wäre insoweit auch ohne erneute Hinzuziehung ihres Sachverständigen ohne weiteres zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage gewesen.
  • ee) Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Privatsachverständigen in dessen Ergänzungsgutachten, die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig waren, schätzt die Kammer im Rahmen des § 287 ZPO die hierdurch entstandenen Kosten auf rund die Hälfte der geltend gemachten Kosten, mithin auf 150,- €.“

Es ist also zwischen technischen Fragen und Rechtsfragen zu unterscheiden. Rechtsfragen sind Anwaltssache. Die technischen Fragen müssen wiederum vom Gutachter beantwortet werden. Macht er dies, sind die Kosten für das Ergänzungsgutachten von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu bezahlen. Der Zweitauftrag an den Gutachter sollte ausdrücklich auf den technischen Bereich beschränkt werden.

Auch das Landgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 03.04.2012 entschieden, dass die Kosten für ein Ergänzungsgutachten von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu bezahlen sind. Im Urteil heisst es unter anderem:

„Greift der Schädiger das Ursprungsgutachten des Sachverständigen an, darf der Geschädigte den Sachverständigen mit einer entsprechenden Ergänzung beauftragen. Die diesbezüglichen Kosten hat ihm der Schädiger als unfallbedingten Schaden zu ersetzen.“

Wie Sie sehen können, sind selbst kleinste Schadenspositionen nur mit sehr großem Aufwand ersetzt zu verlangen. Die Versicherungen haben einen langen Atem. Auch wenn es darum geht, ein Ergänzungsgutachten einzuholen oder die Kosten dafür zu erhalten, muss man anwaltlich vertreten sein.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.