1. Definition des Begriffs Dispositionsfreiheit

Die Dispositionsfreiheit ist sowohl eine Bezeichnung für einen Grundsatz in der Zivilgerichtsbarkeit, als auch eine Bezeichnung für das Wahlrecht eines Gläubigers bei Schadensersatzforderungen.

Grundsatz der Zivilgerichtsbarkeit

Der in zivilrechtlichen Streitigkeiten bestehende Grundsatz der Dispositionsfreiheit besagt, dass die beiden Beteiligten eines Verfahrens sowohl über die Einleitung, als auch über Streitgegenstand, Umfang und Beendigung des Verfahrens bestimmen. Mehr dazu hier

Wahlrecht des Gläubigers

Der Begriff der Dispositionsfreiheit bezeichnet auch das Wahlrecht des Gläubigers einer Schadensersatzforderung, welches sich aus § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt und ihm rechtlich möglich macht, von seinem Schuldner entweder die Herstellung des ursprünglichen Zustandes nach Absatz 1 oder den zu dessen Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen. Mehr dazu hier

2. Einleitung zum prozessrechtlichen Begriff Dispositionsfreiheit

Der Dispositionsgrundsatz im Sinne der Dispositionsmaxime ist das prozessuale Gegenstück zur Privatautonomie. Die Privatautonomie ermöglicht Personen, ihre Rechtsverhältnisse frei zu gestalten und ist im deutschen Verfassungsrecht in Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz tief verankert. Oft wird bei der deutschen Rechtsordnung auch von einer freiheitlich demokratischen Grundordnung gesprochen, wobei die Privatautonomie eine der essentiellsten Bestandteile der dort genannten Freiheit ist. Der entsprechende verfassungsrechtliche Grundsatz dazu lautet sinngemäß, dass jeder frei über Rechtsgüter verfügen und damit handeln kann, solange er nicht die Interessen anderer dadurch beeinträchtigt oder von dieser Handlung eine Gefahr für den Bestand der Rechtsordnung oder wichtiger Rechtsgüter ausgeht.

Dispositionsfreiheit -

3. Dispositionsfreiheit als Grundsatz im Zivilprozessrecht

Im Zivilprozess gilt der Dispositionsgrundsatz, auch Dispositionsfreiheit, Verfügungsgrundsatz oder Dispositionsmaxime genannt. Das bedeutet, dass die beiden Parteien des Rechtsstreits die „Herren“ bzw. „Herrinnen“ des Verfahrens sind. Anders verhält es sich etwa im Strafrecht: Der Staat ist in strafrechtlichen Angelegenheiten mit wenigen Ausnahmen dazu gezwungen, zu handeln. Im Strafrecht gilt die so genannte Inquisitionsmaxime, auch Ermittlungsgrundsatz genannt. Der Geschädigte eines Strafverfahrens kann im absoluten Regelfall nicht darüber entscheiden, ob gegen den Beschuldigten ein Verfahren eingeleitet wird. Die Dispositionsfreiheit des Zivilprozessrechts stellt den Parteien aber frei, ob sie es überhaupt zu einem Verfahren kommen lassen. Sie entscheiden darüber, ob sie eine Klage einreichen oder nicht. Dazu kommt, dass die Parteien in einem Zivilprozess auch darüber entscheiden, in welchem Umfang der Rechtsstreit stattfindet. Außerdem können sowohl der Kläger als auch der Beklagte darüber entscheiden, ob sie den Rechtsstreit komplett beilegen wollen. Das kann entweder passieren, indem die beiden Parteien einen Vergleich aushandeln, oder auch indem sie den jeweiligen Anspruch der Gegenseite anerkennen bzw. ihre eigene Klage zurückziehen. Letztere beiden Handlungen sind jedoch meist nur dann sinnvoll, wenn das Ergebnis des Rechtsstreits voraussichtlich ohnehin ein positives für die Gegenseite ist. Ein Fortsetzen des Rechtsstreits wäre nur mit weiteren Prozesskosten verbunden.

Auswirkungen der Dispositionsfreiheit

Der Kläger kann (und muss, wenn er nicht einen Teil der Prozesskosten tragen will) bestimmen, ob er zum Beispiel einen Schadensersatz von 2000,- € einfordern möchte oder einen Schadensersatz von 5000,- €. In dem Umfang, in dem der Kläger keinen Anspruch auf die geforderte Leistung hat, müsste er die Kosten für den Prozess tragen, er kann schließlich auch nur den Anspruch in dem Maße geltend machen in dem er begründet ist. Die Dispositionsfreiheit ist nicht allumfassend, insbesondere bei der Frage, wie Parteien ihre Ansprüche vor Gericht geltend machen, können sie nicht wählen, in welcher Form sie das tun. Eine zu unbestimmte Klage oder eine Klage, die ersichtlich keinen Erfolg haben wird, wird schnell vom Gericht abgewiesen. Abgesehen davon, dass ein großes Verfahren bei unzulässigen oder unbegründeten Klagen unnötig ist und den Richter beansprucht, wird auch die klagende Partei so geschützt, denn soweit sie den Prozess verliert muss sie dessen Kosten tragen.

Dispositionsfreiheit Kosten

Kosten des Rechtsstreits

Prozessuale Entscheidungen einer der Parteien können die Kosten des Verfahrens beeinflussen. Dem Grundsatz nach hat, wie beiläufig erwähnt, die Partei die Kosten des Prozesses in so weit zu tragen, als sie der anderen Partei unterlegen ist (§ 91 ZPO). So verhält es sich beispielsweise mit den Kosten bei Beendigung eines Rechtsstreits:

  • Vergleichskosten (§ 98 ZPO)
    • Die Kosten eines Vergleiches werden als gegeneinander aufgehoben behandelt, wenn nicht eine andere Vereinbarung zwischen den Parteien vorliegt.
  • Kosten bei Anerkenntnis
    • Erkennt die beklagte Partei den Anspruch der Gegenseite an, hat sie im Regelfall die Kosten des Verfahrens zu tragen.
  • Kosten bei sofortigem Anerkenntnis (§ 93 ZPO)
    • Gibt der Beklagte gar keinen Anlass zur Klage und erkennt den Anspruch sofort an, trägt der Kläger die Kosten des Rechtsstreits.
  • Kosten bei Klagerücknahme
    • Nimmt die Partei ihre Klage zurück, so trägt sie die Kosten des Verfahrens.
  • Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel
    • hat stets die einlegende Partei zu tragen (§ 96 ZPO)
  • Kosten von Rechtsmitteln (§ 97 ZPO)
    • Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels hat die einlegende Partei zu tragen. (Abs. 1)
    • Kosten eines mit Erfolg eingelegten Rechtsmittels sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn die Gründe dafür schon vorher vorgebracht hätten werden können (Abs. 2)

4. Dispositionsfreiheit als Wahlmöglichkeit des Gläubigers

Im Schadensrecht besteht auch eine andere Bedeutung des Begriffs „Dispositionsfreiheit“: Damit wird das Wahlrecht des Gläubigers bezeichnet, ob und wie er den Schaden behebt. Dieses Wahlrecht kommt ihm als Geschädigten nach höchstrichterlicher Auffassung aus § 249 II S. 1 BGB zu. Er kann auch das Fahrzeug in beschädigtem Zustand veräußern, anstatt eine Reparatur vorzunehmen, und dennoch von dem Schädiger Schadensersatz verlangen. Bei Personenschäden und bei Folgeschäden können den Geschädigten jedoch gegenteilige Pflichten treffen. Problematisch ist dabei etwa das Verlangen von Schadensersatz, der auf einem tatsächlich nicht angefallenen Aufwand des Geschädigten gründet.

Wie erwähnt kann der Geschädigte nicht nur über das ob, sondern auch über das wie der Reparatur entscheiden. Allerdings muss er dabei den Grundsatz des Wirtschaftlichkeitsgebot berücksichtigen. Er muss den Schaden auf eine solche Weise beheben, die sich in seiner konkreten Lage als die wirtschaftlich vernünftigste darstellt. So soll auch der Schädiger vor dem Ersatz unnötiger Aufwendungen durch den Gläubiger geschützt werden, die er sonst zu ersetzen hätte. Auch ist das Bereicherungsverbot zu berücksichtigen: Zwar soll der Geschädigte grundsätzlich wie vor dem Unfall gestellt werden, aber darüber hinaus soll er nicht an dem Unfall verdienen.

Dieser Text wurde erstellt durch Rechtsanwalt Umut Schleyer – Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin.