Unfall mit der Kettensäge

Unfall mit der Kettensäge

Unfall mit der Kettensäge

Kein Versicherungsschutz für Verwandte

1. Unfall mit einer Kettensäge – was war passiert?

Im November 2014 half eine 42jährige Nichte ihren damals über 80 jährigem Onkel und Tante dabei Brennholz zu sägen. Dieses war für den Eigenbedarf von Tante und Onkel. Während die Nichte die motorbetriebene Kettensäge bediente, geriet ihre rechte Hand ins Sägeblatt. Durch diesen Unfall erlitt sie Fingerbrüche, die ihr bis zum heutigen Tag Beschwerden bereiten.

Einen Arbeitsunfall erkannte ihre Berufsgenossenschaft nicht an, da zwischen den Beteiligten kein Beschäftigungsverhältnis bestand. Vielmehr handelte es sich dabei um eine nicht unfallversicherte Gefälligkeit gegenüber Verwandten. Dies war jedenfalls Meinung der Berufsgenossenschaft, wogegen die Betroffene Klage erhob. Sie war wiederum der Meinung sehr wohl wie eine Beschäftigte für Tante und Onkel tätig gewesen zu sein. Des weiteren habe es sich um gefährliche und anstrengende Arbeit gehandelt.

2. Unfall mit einer Kettensäge – was sagt das Sozialgericht Heilbronn?

Das Sozialgericht Heilbronn wies die Klage ab und erließ am 27.10.2017 folgendes Urteil:

Es handelte sich um eine Gefälligkeit unter Verwandten, die nicht von der Versicherung abgedeckt ist. Versicherungsschutz besteht bei „Wie-Beschäftigten“, was die Klägerin angab zu sein. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert ist. Diese darf nicht auf einer Sonderbeziehung beruhen. Darunter fallen jedoch Tätigkeiten für Familienangehörige. Zudem hatte die Klägerin angegeben ein vertrautes Verhältnis zu ihrer Tante zu haben. Ihr zu helfen sei, nach eigener Aussage, eine Selbstverständlichkeit gewesen. Das Holz war nicht für den Verkauft, sondern für Eigennutzen gewesen. Diese Argumente bestärkten die Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn.

Bestimmtheitsgebot

Bestimmtheitsgebot

Der Begriff „Bestimmtheitsgebot“ hat vor allem im deutschen Verfassungsrecht und im Strafrecht eine große Bedeutung. Das Bestimmtheitsgebot besagt (vereinfacht gesagt), dass jede Rechtsnorm, die etwas unter Strafe stellt, verständlich sein muss. So verständlich, dass man noch erkennen kann, was unter Strafe stehen kann und was nicht.

Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot

Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot hat Verfassungsrang. Es ist in Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) niedergeschrieben:

„Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“

Diese Vorschrift hat mehrere Aussagen: Eine Strafnorm muss

  • immer ein formelles (Parlaments-) Gesetz sein,
  • die Strafbarkeit muss hinreichend bestimmt sein,
  • ein Gesetz darf keine Tat bestrafen, die vor Inkraftteten des Gesetzes passierte (Rückwirkungsverbot),
  • außerdem gibt es ein Analogieverbot.

Warum ist der Artikel 103 so wichtig?

Die Vorschrift hat im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland eine ganz besondere Bedeutung:

Einerseits soll jeder Bürger nur in das Gesetz blicken müssen, um zu erkennen, welche Pflichten er hat, und bei welcher Handlung ihn eine Strafe erwartet. Das muss klar und verständlich sein, denn nur so kann er von seinen Freiheiten Gebrauch machen, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Eine Bestrafung durch den Staat soll das letzte Mittel sein („ultima ratio“), und eine Strafe muss klar und verständlich angedroht werden, damit die Androhung der Strafe selbst schon abschreckend genug wirkt.

Andererseits soll die Norm staatliche Willkür ausschließen. Warum dieses Vorhaben im Hinblick auf die Schaffung des Grundgesetzes eine ganz besondere Bedeutung hatte, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, was in der Zeit vor Ende des zweiten Weltkriegs geschehen ist.

Hintergrund: Willkürmaßnahmen in der Diktatur

Sowohl die Regierung, als auch Gesetzgebung und Justiz haben im Dritten Reich zu einer Willkürherrschaft beigetragen, indem sie rechtsstaatliche Grundsätze systematisch missachteten. Menschen wurden ohne hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage verfolgt, verurteilt und getötet. Das ging sogar so weit, dass der Präsident des Volksgerichtshofs (jemand, die für mehr als 2600 Todesurteile mitverantwortlich war) in einem Strafprozess von sich gesagt haben soll, „ganz ohne Recht“ oder „ganz ohne Strafgesetz“ kurzen Prozess zu machen.

Willkür, befördert durch das Gesetz

Auch die Gesetze trugen in dieser Zeit zur Ermöglichung von willkürlichen Strafen bei. So lautete § 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) zu dieser Zeit: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient.“ Dem Bestimmtheitsgebot entspricht so eine Norm überhaupt nicht. Was vom „Grundgedanken des Strafgesetzes“, und was vom „gesunden Volksempfinden“ umfasst ist, wusste nur der Richter. Er konnte es so auslegen, wie es gerade passte. Das Urteil stand oft vor der Verhandlung fest, der formelle Prozess diente nur der Zurschaustellung der Angeklagten.

Das Grundgesetz als rechtsstaatliche Verfassung

Das Grundgesetz ist als Gegenentwurf zu diesem System konzipiert: Alle staatliche Gewalt – Exekutive, Legislative und Judikative – ist durch Artikel 1 GG verpflichtet, die Menschenwürde zu schützen. Darüber hinaus bekennt sich das Deutsche Volk zu den Menschenrechten, und es steht jedem der Rechtsweg offen, wenn der Staat ihn in seinen Rechten verletzt. Außerdem wurde mit Artikel 102 GG die Todesstrafe abgeschafft, und in Artikel 103 GG stehen die rechtsstaatlichen Grundsätze geschrieben, gegen die in den Jahren zuvor so horrend verstoßen wurde.

Was ist von dem Bestimmtheitsgebot umfasst?

Klar ist folgendes: Einem Begriff aus dem Gesetz kann man verschiedene Bedeutungen beimessen. Das heißt auch: Wenngleich ein bestimmtes Wort im Gesetz steht, kann man das Wort – und damit auch das Gesetz – auf verschiedene Art und Weise interpretieren. Irgendwo verläuft aber eine Grenze. Hierzu einige Beispiele:

Beispiel 1: Der „Pilzbeschluss“

Ein Strafgesetz (das Betäubungsmittelgesetz von 1994) benannte als Betäubungsmittel die aufgeführten „Stoffe“ im Anhang des Gesetzes. Darin waren genannt: „Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenbestandteile“. Nun betrieb 2004 jemand Handel mit psilocinhaltigen („rauschmittelhaltigen“) Pilzen. In der Wissenschaft hat sich inzwischen die Vorstellung, was ein Pilz ist, gewandelt: Pilze wurden 2004 nicht mehr als Pflanzen angesehen. Die Frage: Kann der Händler trotzdem bestraft werden?

Das Bundesverfassungsgericht sagte in seinem Beschluss vom 4. September 2009 (Az.:2 BvR 338/09), dass eine Bestrafung trotzdem möglich ist. „Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation.“ Was darüber hinausgeht, sei nicht mehr strafbar. Worte wandeln sich im Laufe der Zeit. Richter müssen bei der Auslegung eines Gesetzes berücksichtigen, ob das neue Verständnis des Wortes schon so sehr verbreitet ist, dass das alte Verständnis verdrängt wurde. Auch heute würden noch so gut wie alle Menschen Pilze als Pflanzen bezeichnen, unabhängig davon, welches Verständnis in der Wissenschaft vorherrscht. Es war also laut Verfassungsgericht erkennbar, ob der Handel mit Pilzen noch von der Strafe umfasst ist.

Beispiel 2:

Die Sitzblockade

Gelegentlich kommt es vor, dass Demonstranten nicht nur ihre Meinung in einer öffentlichen Versammlung kundtun, sondern bestimmte Orte mit ihren Körpern blockieren, um ihre Ziele durchzusetzen. Ist das strafbar?

Hierzu gab es mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Straftat „Nötigung“. Der Grundtatbestand der Nötigung ist in § 240 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) wie folgt normiert:

Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Vereinfacht gesagt ist es Nötigung, mit vorgehaltener Faust zu drohen: „Tu etwas, oder dir passiert etwas Schlimmes.“ Jetzt könnte man sich folgende Frage stellen: Warum sollte das Herumsitzen dann strafbar sein? Was hat denn das mit einer Drohung oder Gewaltanwendung zu tun?

Das Strafgesetz selbst wurde vom Verfassungsgericht nicht beanstandet. „Gewalt“ ist zwar ein Begriff, den man relativ weit auslegen kann, es ist aber für den einzelnen Bürger verständlich, was noch vom Wortlaut umfasst ist.

Ein Problem waren die Sitzblockadefälle, weil die Strafgerichte das Wort „Gewalt“ sehr weit ausgelegt haben. Der Begriff „Gewalt“ ist so zu verstehen, dass irgendwie etwas körperlich mit Kraftentfaltung passiert. Für die Strafgerichte hat als „Gewalt“ allerdings schon ausgereicht, dass jemand nur körperlich anwesend sein muss, und dadurch eine „gewichtige psychische Einwirkung“ verursacht. Körperliche Anwesenheit unter „Gewalt“ zu fassen, und das wage Kriterium „gewichtige psychische Einwirkung“ geht zu weit. Diese Art der Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt.

Gilt das Bestimmtheitsgebot nur im Strafrecht?

Nein.

Jedes staatliche Handeln muss klar und bestimmt sein. Je nachdem, wie stark es in die Rechte der Bürger eingreift. Das Strafrecht greift besonders stark in Rechte ein (allgemeine Handlungsfreiheit, Freizügigkeit, Freiheit der Person, allgemeines Persönlichkeitsrecht, …). Deshalb gelten im Strafrecht auch besondere Maßstäbe.

Wie weitreichend dieses Gebot ist, können Sie diesem Artikel entnehmen, in dem wir für Sie eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim aufbereitet haben. Nicht nur Strafgesetze müssen hinreichend bestimmt sein, auch Bußgelder haben einen bestrafenden Charakter und greifen in Grundrechte ein. Das fällt insbesondere auf, wenn man das Strafgesetzbuch und das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) vergleicht. In dem genannten Artikel geht es um ein einfaches Parkverbot – ein sehr schönes Beispiel dafür, wie umfangreich das Bestimmtheitsgebot ist!

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Internationaler Führerschein – Was ist das, und wozu braucht man ihn?

Internationaler Führerschein – Was ist das, und wozu braucht man ihn?

Internationaler Führerschein

Der Führerschein ist ein Dokument, mit dem man die Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen nachweisen kann. Er wird grundsätzlich nur von dem Staat verliehen, in dem die Fahrausbildung stattfindet, und gilt nur zwischen diesem Staat und dem Berechtigten. Teilweise werden Führerscheine auch in anderen Staaten akzeptiert.

Innerhalb der Europäischen Union werden grundsätzlich alle Führerscheine anerkannt, die von anderen Mitgliedsstaaten ausgestellt werden. Das bedeutet, dass deutsche Führerscheine auch im EU-Ausland gelten. Inzwischen haben Führerscheine, die innerhalb der Europäischen Union ausgestellt werden, alle das gleiche Format. Probleme gibt es höchstens, wenn ein Fahrer einen älteren Führerschein mit sich führt. Denn innerhalb der Europäischen Union sind 110 verschiedene Arten von Führerscheinen anerkannt.

Wozu braucht man also den internationalen Führerschein?

Den internationalen Führerschein braucht man, wenn man außerhalb Europas fahren möchte. Alle Staaten regeln den Straßenverkehr unterschiedlich und können ihre Gesetze stets ändern. Wer im fernen Ausland also vor hat, Auto zu fahren, sollte sich vor einer Reise umfänglich informieren, ob sein Führerschein in dem Land gültig ist. In Deutschland ist das vorsätzliche oder fahrlässige Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis eine Straftat nach § 21 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Viele andere Staaten sehen das Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis nur als Ordnungswidrigkeit an. Allerdings können hohe Kosten oder Probleme mit den Behörden entstehen. Außerdem kann nicht jeder Staat ein rechtsstaatliches Verfahren oder rechtliches Gehör garantieren.

Ein internationaler Führerschein kostet etwa 15 Euro. Er kann bei dem zuständigen Straßenverkehrsamt beantragt werden. Wer einen älteren Führerschein hat, muss ihn zuerst gegen einen neuen umtauschen, um einen internationalen Führerschein zu bekommen. Gültig ist er nur bei Vorlage des deutschen Führerscheins, es handelt sich dabei um ein Zusatzdokument und stellt keinen Ersatz für den nationalen Führerschein dar. Wer also die Fahrerlaubnis entzogen bekommt, sollte unter keinen Umständen nur mit dem internationalen Führerschein weiterfahren.

Internationaler Führerschein – wo ist er anerkannt?

Nicht jeder Staat erkennt einen internationalen Führerschein an, so beispielsweise China und Myanmar (Stand: 25. September 2017). Welcher Führerschein wo grundsätzlich anerkannt wird, können Sie der folgenden Tabelle entnehmen.

Staat Führerschein(*)
Innerhalb EU deutsch
Ägypten(!) international
Algerien(!) international
Argentinien international
Australien international
Bahrain international
Bolivien international
Brasilien international
Chile international
China international*
Costa Rica international
Georgien deutsch
Indien international
Indonesien international
Irak(!) international
Iran international
Israel(!) international
Island deutsch
Japan(!) (deutsch)*
Kanada deutsch
Katar international*
Kenia international
Kolumbien international
Kuba international
Liechtenstein deutsch
Malaysia international
Marokko international
Mauritius international
Mexiko international
Neuseeland international
Norwegen deutsch
Oman international
Peru international
Schweiz deutsch
Südafrika international
Thailand international
Tunesien international
Vereinigte Arabische Emirate international
Vereinigte Staaten international*

(*)Die mit (!) gekennzeichneten Staaten wurden vom Auswärtigen Amt mit einer Reisewarnung versehen. In China kann bei einem dreimonatigen Aufenthalt eine vorläufige Fahrerlaubnis erworben werden. In Japan ist ein deutscher Führerschein mit beglaubigter Übersetzung bis zu drei Monate gültig. Der internationale Führerschein ist in Katar 7 Tage lang gültig. Danach muss auch hier eine temporäre Fahrerlaubnis erworben werden. In den USA regelt jeder Bundesstaat die Anerkennung selbständig. Die Rechtslage ist teils unklar, weswegen ein internationaler Führerschein dringend empfohlen wird. Die Liste ist nicht abschließend und dient der Orientierung. Stand: 25. September 2017

Vor Reisen ins Ausland immer informieren!

Bitte beachten Sie (insbesondere bei den mit (!) gekennzeichneten Staaten) die Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes bei Reisen ins Ausland. Informieren Sie sich außerdem zu den Verkehrsregeln des jeweiligen Landes und der Höhe der Bußgelder. Auch im EU-Ausland drohen zum Teil drakonische Strafen bei Geschwindigkeitsverstößen! Lesen Sie dazu hier mehr.

Viele Staaten setzen außerdem voraus, dass weitere Bedingungen erfüllt werden. In einigen Staaten muss zum Beispiel eine bestimmte Versicherung abgeschlossen werden. Siehe hierzu auch Deutsches Büro Grüne Karte. Beachten Sie auch hierzu die Hinweise des Auswärtigen Amtes sowie die Informationen, die von den jeweiligen Behörden oder Botschaften bereitgestellt werden. Das sorgfältige Informieren im Vorfeld beugt Problemen vor, die durch rechtliche Irrtümer oder kulturelle Missverständnisse entstehen können.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Muss man gegen Facebook in Irland klagen?

Muss man gegen Facebook in Irland klagen?

In einer Entscheidung vom 2. Juli 2016 hat sich das Amtsgericht Mitte in Berlin mit Fragen befasst, die jeden Facebook-Nutzer interessieren dürften:

Wenn man keinen Zugriff mehr auf seinen Account hat, kann man ihn sich den Zugriff „einklagen“?

An wen muss man die Klage richten?

Kann man vor einem deutschen Gericht klagen?

Muss man dafür nach Irland, wo Facebook ansässig ist?

Inhalt der Entscheidung

Der Kläger ist ein Facebook-Nutzer, der sich 2008 seinen Account eingerichtet hat. Er hatte seit dem 3. Juli 2016 keinen Zugriff mehr auf seinen Facebook-Account. Facebook begründete das damit, dass er „zur Nutzung von Facebook nicht berechtigt sei“. Darüber hinaus verwies Facebook auf die „Erklärung der Rechte und Pflichten“. Der Nutzer hat deswegen einen Rechtsanwalt mit dem Fall beauftragt. Das Unternehmen gab nicht nach, weswegen der Nutzer gegen Facebook klagte. Das Ziel der Klage: Der Nutzer will Zugang zu Facebook bekommen. Außerdem soll Facebook die Rechtsanwaltskosten erstsatten.

Bei welchem Gericht muss man so eine Klage erheben?

Welches Gericht im konkreten Fall zuständig ist, richtet sich vor allem nach folgenden Kriterien: Der Gerichtsbarkeit, der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit.

Sachliche Zuständigkeit und Gerichtsbarkeit

Zunächst ist wichtig, um welche Art von Rechtsstreit es sich handelt. Wer sind die Beteiligten? Geht es um Beziehungen der Bürger untereinander, oder die zwischen Bürgern und dem Staat? Ist es ein arbeitsrechtlicher, familienrechtlicher oder kaufrechtlicher Streit? Danach bestimmt sich, ob die Streitigkeit vor die ordentliche Gerichtsbarkeit oder die Fachgerichtsbarkeit geht. Wichtig ist außerdem, bei welcher Instanz man einen Antrag oder eine Klage einreichen muss. Viele Streitigkeiten werden vor Amtsgerichten ausgetragen. Zum Teil sind auch Landgerichte, Arbeits- oder Familiengerichte in erster Instanz zuständig.

In diesem Fall klagte eine natürliche Person gegen ein Unternehmen. Bei solchen Streitigkeiten ist je nach Art der Klage und Streitwert meist das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig, hier war es das Amtsgericht in erster Instanz.

Örtliche Zuständigkeit – wo muss man klagen?

Normalerweise muss gemäß § 12 der Zivilprozessordnung (ZPO) ein Kläger (hier der Nutzer) nach deutschem Recht dort klagen, wo der Beklagte (hier Facebook) seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.

Im Hinblick auf natürliche Personen (Menschen) heißt das: Man muss jemanden im Regelfall dort verklagen, wo derjenige seinen Wohnsitz hat. Bei juristischen Personen, zum Beispiel bei Gesellschaften (Unternehmen), wird der Sitz regelmäßig in der Satzung festgelegt. Ausnahmen gibt es zum Beispiel für Ansprüche aus unerlaubter Handlung, etwa aus Körperverletzung oder Sachbeschädigung (siehe § 32 ZPO).

Wie verhält es sich bei internationalen Fällen?

Komplizierter wird es, wenn Unternehmen wie Facebook ihren Sitz im Ausland haben oder im Ausland agieren. Staaten haben unterschiedliche Rechtssysteme, und treffen unterschiedliche Regelungen dazu, welches Gericht in welchem Fall zuständig ist. Manche Staaten haben Abkommen, die diese Situationen klären. Theoretisch können zwei Staaten dem gleichen Gericht die Zuständigkeit zuweisen, sie können aber auch unterschiedliche Regelungen treffen. Das ist von Staat zu Staat und von Fall zu Fall unterschiedlich. Deutsche Gerichte müssen nach deutschem Recht überprüfen, ob sie zuständig sind oder nicht.

Wie ist es in Europa?

Innerhalb Europas besteht inzwischen eine gewisse Rechtssicherheit, weil viel über zwischenstaatliche Abkommen und europäische Normen geregelt ist. An diese Abkommen und Verordnungen müssen sich die Staaten und deren Gerichte halten. Eine wichtige Verordnung ist die sogenannte „EUGVVO“. Diese Verordnung wird auch „Brüssel-1a-Verordnung“ genannt, sie regelt unter anderem die Zuständigkeit von Gerichten. Wenn ein Verbraucher gegen einen Unternehmer klagt, kann er laut Artikel 18 Abs. 1 der Verordnung entweder am Gerichtsstand des Unternehmens klagen, oder an seinem eigenen Gerichtsstand.

In diesem Fall reichte der Verbraucher an seinem eigenen Gerichtsstand die Klage ein, nämlich am Amtsgericht Berlin-Mitte.

Klage Irland Facebook

Zustellung der Klage

Wenn die Klage erhoben wurde, muss die Klageschrift einem Beklagten auch wirksam zugestellt werden. Das heißt für den konkreten Fall: Facebook muss darüber „benachrichtigt“ werden, dass jemand gegen das Unternehmen klagt. Jeder muss sich nämlich gegen Klagen effektiv verteidigen können, im deutschen Verfassungsrecht ist das Recht auf rechtliches Gehör in Artikel 103 des Grundgesetzes verankert. Eine solche Verteidigung ist nur dann möglich, wenn ermöglicht wird, sich zu erhobenen Vorwürfen zu äußern und selbst Einwände vorzubringen. Also wurde die deutsche Klageschrift nach Irland zugestellt.

An diesem Punkt stellt sich folgende Frage: Was ist mit ausländischen Klagen? Wenn mir eine Klage in ausländischer Sprache zugestellt wird, und ich es nicht verstehe – kann ich mich dann wirksam verteidigen? Die EU-Zustellungsverordnung gibt darauf folgende Antwort: Grundsätzlich kann ein Beklagter (hier Facebook) laut Artikel 8 der Verordnung die Annahme eines Schriftstücks verweigern, wenn es nicht in einer seiner Amtssprache verfasst ist, oder wenn es nicht in einer Sprache verfasst ist, die er versteht. Facebook als Empfänger hat seinen Sitz in Irland, und die deutsche Sprache ist dort nicht Amtssprache.

Ist Facebook also vor deutschen Gerichten „sicher“?

Das Gericht geht davon aus, dass Facebook die Sprache „versteht“ – denn es handelt sich um ein multinational agierendes Unternehmen, das mit dem Nutzer außerdem in seiner eigenen Sprache – auf Deutsch – in Kontakt getreten ist. Außerdem sind viele Texte, auch zu rechtlichen Themen, von Facebook auf Deutsch verfasst.

Die Zustellung ist also nach Auffassung des Gerichts wirksam. Facebook wurde verurteilt, dem Nutzer wieder Zugang zur Plattform zu gewähren, und die Kosten des Rechtsstreits sowie die Rechtsanwaltskosten zu tragen.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Leihvertrag – Auto verliehen – wer hat haftet?

Leihvertrag – Auto verliehen – wer hat haftet?

Leihvertrag – 

wer haftet wenn man das Auto verleiht

und ein Schaden eintritt?

An die eigenen Kinder, an Freunde oder die Familie – fast jeder Eigentümer hat sein Auto schon verliehen. Kaum jemand macht sich allerdings Gedanken darüber, wer haftet oder wer zahlt, wenn etwas passieren sollte. In den allerwenigsten Fällen bespricht man, wer welche Risiken zu tragen hat, und noch seltener wird etwas schriftlich festgehalten. Dabei sollte man sich stets darüber im Klaren sein, welche Konsequenzen das eigene Handeln haben kann.

Im folgenden Artikel erfahren Sie, wie sich eine Leihe auf die Haftung auswirkt.

Was ist Leihe eigentlich?

Was eine Leihe ist, ist explizit in § 598 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.

Die Leihe ist ein Begriff aus dem Zivilrecht. Wer sich mit jemand anderem darauf einigt, ihm das Auto zu überlassen, geht einen Leihvertrag ein. Gemäß § 151 BGB kommt ein Vertrag dann zustande, wenn eine Partei einen Antrag gemacht hat, den die andere Partei annahm. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob das ganze schriftlich festgehalten wird, oder ob es nur mündlich abgesprochen wurde. Entscheidend ist, dass beide Parteien eindeutig zum Ausdruck bringen, dass sie sich darüber einig sind.

Aus Verträgen erwachsen den Vertragsparteien bestimmte Verpflichtungen. Dem Grunde nach müssen die Parteien die gegenseitigen Interessen wahren, die bei einem Vertrag bestehen. Für Schäden, die bei Abwicklung eines Vertrages passieren, können die Vertragsparteien haften.

Besonderheiten von Leihverträgen

Je nachdem, um was für einen Vertrag es sich handelt, bestehen verschiedene Pflichten. Die Regelungen, die dem § 598 BGB folgen, beschreiben die vertragstypischen Rechte und Pflichten bei Leihverträgen. Sowohl die Rechte des Verleihers, als auch die des Entleihers gehen daraus hervor. Wie auch bei anderen unentgeltlichen Verträgen gibt es besondere Vorschriften im Hinblick auf die Haftung.

So ist die Haftung des Verleihers gemäß § 599 BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Auch für Mängel an dem Auto haftet er laut § 600 BGB nur, wenn er sie arglistig verschweigt. Den Nachweis darüber zu führen, wird dem Entleiher aber meist schwerfallen.

Wer das Auto ausleiht, haftet allerdings nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Das heißt, dass der Entleiher auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet, wenn ein Schaden an der Sache entsteht. Das erscheint auch angemessen, immerhin wird ihm die Sache ja unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Außerdem muss der Entleiher die Kosten tragen, die zur Erhaltung der Sache notwendig sind. Wenn sich jedoch der Zustand der Sache verschlechtert, weil er sie ordnungsgemäß gebraucht (gewöhnlicher Verschleiß), muss der Entleiher nicht dafür aufkommen.

Kann man das Auto sofort herausverlangen, wenn man es wieder braucht?

Wenn eine Zeit oder ein Zweck für den Leihvertrag vereinbart ist, kann der Verleiher das Auto eigentlich erst nach dem Zeitablauf oder dem Gebrauch zu dem vereinbarten Zweck zurückfordern. Sind weder Zeit noch Zweck bestimmt, kann der Verleiher das Auto gemäß § 604 Abs. 3 BGB sofort herausverlangen. In besonders gelagerten Fällen kann der Verleiher den Vertrag unter Umständen vor Zeitablauf aufkündigen.

Kurze Verjährung

Wer Ansprüche aus dem Leihvertrag geltend machen möchte, sollte sich beeilen: Einige Ansprüche verjähren bereits nach 6 Monaten. Für den Verleiher gilt dies ab Zurückerhalten der Sache, für den Mieter ab Beendigung der Leihe. Die Verjährung lässt sich zum Beispiel durch Klageerhebung oder durch Zustellung eines Mahnbescheids hemmen. Da mit einer Klageerhebung gewisse Risiken und Schwierigkeiten verbunden sind, ist es meist ratsam, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Dispositives Recht

Wichtig: Sofern es nicht gegen die guten Sitten oder zwingendes Recht verstößt, können die Vertragsparteien Vereinbarungen treffen, die von den gesetzlichen Regelungen abweichen. Zwingendes Recht ist beispielsweise, dass niemand im Voraus eine Haftung wegen Vorsatzes erlassen kann (siehe § 276 III BGB).

Unterschiede zum Mietvertrag

Vom Leihvertrag ist der Mietvertrag zu unterscheiden. Wird für das Überlassen des Autos Geld gezahlt, handelt es sich nicht um einen Leih-, sondern einen Mietvertrag. Der Mieter einer Sache hat umfangreichere Rechte als der Entleiher. Die Regelungen zum Mietvertrag finden sich in den §§ 535 ff. BGB.

Was passiert bei einem Unfall?

Kommt es zu einem Unfall, können die rechtlichen Folgefragen sehr komplex sein. Meistens sind an einem Unfall mindestens zwei Personen beteiligt, die am Straßenverkehr teilnehmen. Dazu kommt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs gemäß § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes eine Haftpflichtversicherung abschließen muss. Somit treten regelmäßig zwei weitere Spieler hinzu: Die Haftpflichtversicherungen beider Fahrzeughalter. Außerdem kann ein Fahrzeug geleast, vermietet oder verliehen sein, der Mieter kann seinerseits das Fahrzeug verleihen und ähnliches. Am Ende kann es passieren, dass fünf oder mehr Beteiligte mit einem Schaden dastehen, und auf einen Ersatz für ihren erlittenen Schaden hoffen. Ein solches Durcheinander zu entflechten, kann bei dem Versuch, alles juristisch einzuordnen, noch erheblich komplexer werden.

Die Geschädigten möchten so schnell wie möglich ihren Schaden ersetzt bekommen. Versicherungen versuchen, so wenig wie möglich zu zahlen, und die Sache so schnell wie möglich abschließen. Und die Richter hoffen auf eine rasche Einigung der Parteien. Der gesamte Prozess bringt rechtliche Unsicherheiten für die Betroffenen, und zieht sich oft einige Zeit hin. In so gelagerten Fällen ist eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrs- oder Versicherungsrecht sinnvoll.

Wer haftet?

Wer in welchem Fall haftet, kann kaum allgemein formuliert werden. Es kommt auf den konkreten Fall an. Meist muss der Haftpflichtversicherer, dessen Versicherung für den Halter, Eigentümer und Fahrer eines Fahrzeugs abgeschlossen wurde, für den Schaden aufkommen, der dem anderen Beteiligten entstanden ist. Der Fahrer, dem das Fahrzeug geliehen oder vermietet wurde, kann gegenüber dem Verleiher oder Eigentümer wegen Verletzung vertraglicher Pflichten oder nach Deliktsrecht haften.

Haftungsausschlüsse

Bei einem Leih- oder Mietvertrag kann aber auch ein Haftungsausschluss zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein. Ein Haftungsausschluss bedeutet, dass sich beide Vertragsparteien darüber einig sind, dass eine Vertragspartei unter bestimmten Umständen nicht haften muss. Wie oben erwähnt, ist das bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen nicht möglich. Aber was ist bei Fahrlässigkeit?

Einige Vermieter oder Verleiher fragen sich nun womöglich, wieso es nötig sein sollte, hier einen Haftungsausschluss zu thematisieren. Die Antwort darauf lautet, dass ein Haftungsausschluss auch zustande kommen kann, ohne dass es beide Parteien aussprechen. Dabei spricht man von einem so genannten stillschweigenden Haftungsausschluss.

Der Gedanke dahinter: Bei Abschluss eines Leihvertrags (oder bei Duldung der Benutzung) können sich beide Personen ohne ausdrückliche Absprache darüber einig sein, dass der Entleiher nicht für fahrlässiges Handeln haften muss.

Dass ein solcher Ausschluss nur in Ausnahmefällen vorliegt, geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Januar 2016 hervor. Darin führte das Gericht aus, dass der Fahrer selbst dann für den Unfallschaden haften muss, wenn die Unfallfahrt dem Entleiher oder dessen Familienmitgliedern zugutekommen sollte. Anders verhält es sich aber möglicherweise, wenn der Eigentümer des Fahrzeugs fahruntüchtig ist, und daher einem anderen Fahrer das Fahrzeug überlässt.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Unfall mit Tieren – wie verhält man sich richtig, wer haftet?

Unfall mit Tieren – wie verhält man sich richtig, wer haftet?

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Es gibt etwa zweieinhalb Millionen Unfälle pro Jahr in Deutschland. Ungefähr ein Zehntel davon sind Unfälle mit Tieren. Auch wenn glücklicherweise nur selten Menschen dabei verletzt werden, haben Unfälle immer unangenehme Folgen für die Beteiligten.

Wie verhalte ich mich richtig?

Vorbeugendes Verhalten

Den Zusammenstoß mit einem tonnenschweren Fahrzeug überlebt ein Tier im Regelfall nicht. Nicht ohne Grund kann ein Fahrzeug ein „gefährliches Werkzeug“ im Sinne des Strafrechts sein. Jeder Fahrer sollte deshalb verantwortungsvoll damit umgehen. So verpflichtet § 1 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung zur ständigen Vorsicht und gegenseitigen Rücksicht.

Allgemein ist es sinnvoll, seinen Fahrstil an die herrschenden Sicht- und Fahrbahnverhältnisse anzupassen. In Gebieten, in denen es Wild geben kann, also an Wäldern und Feldern, sollte man mit besonderer Vorsicht fahren. Gerade im Herbst, während der Morgen- und Abenddämmerung.

Verhalten bei Unfallgefahr

In manchen Fällen lässt sich ein Unfall mit einem Tier trotz aller Vorsicht nicht vermeiden. Häufig sollte das auch gar nicht um jeden Preis versucht werden. Das hört sich vielleicht widersprüchlich oder makaber an, hat aber Gründe. Wie oben erwähnt, ist ein Fahrzeug, egal ob Kleinwagen oder Transporter, ein tonnenschweres Objekt, und es kann hohe Geschwindigkeiten erreichen. Schon bei einer Geschwindigkeit von dreißig Kilometern pro Stunde kann ein Unfall tödlich sein. Wer sein Auto bewegt, sollte also unter keinen Umständen die Kontrolle darüber verlieren.

Bei einem Kontrollverlust wäre das Tier weiterhin in Gefahr, außerdem werden alle Insassen des Fahrzeugs und andere Verkehrsteilnehmer zusätzlich gefährdet. Riskante Ausweichmanöver sollte man deshalb unter allen Umständen vermeiden.

Großwild, etwa ein Hirsch, kann allerdings bei einem Unfall eine Gefahr für Fahrer und Beifahrer darstellen. Hier ist es dann ratsam, auszuweichen, wenn dadurch keine größeren Gefahren geschaffen werden. Je nach Situation kann die eine oder andere Art zu handeln sinnvoller sein, nur sollten Sie sich folgendes merken: Kontrolle wahren, Insassen schützen, Verkehrsteilnehmer schützen. Bei Kontakt mit Tieren sollten Sie, sofern möglich, abbremsen, das Fernlicht abstellen und hupen .

Darf ich stark bremsen?

Auch wenn sich nur kleine Tiere auf der Fahrbahn bewegen, darf der Fahrer abbremsen. So hat das Amtsgericht Paderborn in einem Urteil vom 28. Januar 1992 entschieden, dass ein Fahrer sein Fahrzeug stärker abbremsen darf, wenn sich eine Taube auf der Fahrbahn befindet. Wenn sich ein Fahrer hinter ihm befindet, der keinen ausreichenden Abstand wahrt, muss dieser regelmäßig für den kompletten Schaden aufkommen, wenn deswegen ein Auffahrunfall passiert. Grund dafür ist, dass § 4 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung dazu verpflichtet, einen so großen Abstand zum vorderen Fahrzeug einzuhalten, dass man rechtzeitig anhalten kann:

Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen.

Vorsicht ist allerdings geboten. Wenn ein Fahrer von hinten dicht auffährt, sollte eine Vollbremsung wenn möglich vermieden werden. Nicht nur die daraus entstehenden Gefahren sind beachtlich. Einige Haftpflichtversicherer bereiten bei Auffahrunfällen Schwierigkeiten, außerdem kann je nach Beweislage das Gericht zu dem Schluss kommen, dass gar kein Tier auf der Fahrbahn war. Im schlimmsten Fall kann das Gericht davon ausgehen, dass zum Zwecke der Disziplinierung gebremst wurde. Sollte das Gericht das zugrunde legen, wird es zu Lasten des vorausfahrenden Fahrers entscheiden (so auch ein Urteil des OLG München vom 22. Februar 2008).

Verhalten nach dem Unfall

Was ist zu tun, wenn es doch zu einem Unfall kommt?

Zunächst sollten Sie tun, was Sie bei einem Unfall regelmäßig tun sollten:

Die Unfallstelle absichern und die Polizei rufen.

Berühren Sie unter keinen Umständen das Tier! Tiere, insbesondere wilde Tiere, können Krankheiten übertragen, treten oder anderweitig eine Gefahr darstellen. Bei wilden Tieren ist es Sache des zuständigen Försters, sich um das verletzte oder tote Tier zu kümmern.

Fotografieren Sie außerdem die Unfallstelle. Wenn es sich bei dem Tier um Wild handelt, können Sie sich eine Wildunfallbescheinigung ausstellen lassen.

Geld

Wer kommt für den entstandenen Schaden auf?

Es kommt darauf an, mit was für einem Tier Sie den Unfall hatten, und welche Art von Versicherung Sie abgeschlossen haben. Wenn das Tier jemandem gehört, kann es durchaus sein, dass der Tierhalter den Unfall verschuldet hat. Es kann aber auch sein, dass Sie auf dem Schaden sitzen bleiben – oder gar für einen Schaden am Tier aufkommen müssen.

Unfälle mit wilden Tieren

Haftpflichtversicherung

Zur Haftpflichtversicherung sollten Sie sich folgendes merken:

Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten auf Grund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. (§ 100 VVG)

Das heißt: Schäden, die Sie selbst erleiden, werden von einer Haftpflichtversicherung nicht gedeckt. Der Versicherer muss nur zahlen, wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug andere schädigen. So verhält es sich zum Beispiel, wenn Sie bei dem Unfall das Eigentum einer Person verletzen (Sie haben bei dem Unfall ein fremdes Auto beschädigt, ein Nutz- oder Haustier verletzt, einen Zaun oder ein Verkehrsschild beschädigt oder Ähnliches).

Kaskoversicherungen

Bei Kaskoversicherungen verhält es sich anders: Diese Versicherungen umfassen regelmäßig auch Wildschäden. Versichert sind hierbei nämlich Schäden am Fahrzeug. So wird für Teilkasko auch in den Allgemeinen Bedingungen für die KfZ-Versicherungen (AKB) (Stand Juli 2016) Wildschäden explizit aufgeführt.

Wichtig: Bei der Teilkaskoversicherung ist in der Regel nur Haarwild im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz umfasst. Darunter fallen zum Beispiel Feld- und Schneehasen, aber auch Elchwild, Rotwild, Damwild, Rehwild und Schwarzwild. Einige Versicherer erstrecken den Rahmen allerdings auf sämtliche Tiere.

Was in welchem Fall der Versicherer zahlen muss, bestimmt sich nach dem jeweiligen Versicherungsvertrag. Die Bedingungen können von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich sein. Häufig kommt es vor, dass die Versicherer nicht oder zu wenig zahlen. Auch wenn Versicherer ein Angebot machen, das angemessen klingt, kann das weit unter dem liegen, was sie eigentlich zahlen müssen. Wenn dieser Verdacht besteht, empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Verkehrs- oder Versicherungsrecht zu kontaktieren. Lassen Sie sich nicht darauf ein, auf Ihre Ansprüche teilweise oder komplett zu verzichten, wenn Sie den Schaden noch nicht abschätzen können!

Unfälle mit Nutztieren

Nur wenige Versicherer verpflichten sich, im Rahmen einer Teil- oder Vollkaskoversicherung für Schäden am Auto aufzukommen, die durch alle Arten von Tieren verursacht werden. Unfälle mit Nutztieren wie Kühen oder Schafen sind regelmäßig nicht von der Versicherung umfasst.

Wenn die Versicherung nicht leisten müsste, könnte trotzdem der Tierhalter nach Maßgabe des § 833 BGB haften. Das müsste er grundsätzlich, wenn durch sein Tier ein Mensch getötet, oder verletzt, oder eine Sache (zum Beispiel ein Auto) beschädigt wird. Er wird für seine Tiere zur Verantwortung gezogen, wenn die eine Gefahr darstellen. Es gibt für Nutztiere aber Ausnahmen. Wenn der Nutztierhalter die erforderliche Sorgfalt beachtet (Beispiel: die Kuh grast auf einer angemessen umzäumten Weide), haftet er nicht. Außerdem haftet er nicht, wenn der Schaden sowieso eingetreten wäre, egal ob er die Sorgfalt beachtet hätte oder nicht. Welche Sorgfalt angemessen ist, richtet sich nach dem konkreten Tier.

Bei Unfällen kann es auch zur Haftung mehrerer Beteiligter kommen. So musste das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 25. Februar 2002 folgenden Fall entscheiden: Ein Fahrer musste wegen eines Ponys eine Vollbremsung einleiten. Daraufhin kam es zu einem Auffahrunfall mit dem Auto hinter ihm – für den entstandenen Schaden mussten der Eigentümer des Pferdes und der Auffahrende aufkommen. Wichtig ist hier: Pferde gelten nicht als Nutztiere, demnach haftet der Tierhalter auch, wenn das Pferd eingezäunt war. Unfall-mit-Tieren.

 

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin