StVO-Novelle 2019: höhere Strafen und mehr Schilder

StVO-Novelle 2019: höhere Strafen und mehr Schilder

StVO-Novelle: Das Verkehrsministerium plant, noch in diesem Jahr einen Großteil des Straßenverkehrsrechts zu ändern. Wir haben den 142-seitigen Referentenentwurf des Verkehrsministeriums für Sie durchgearbeitet, um für Sie die wichtigsten Änderungen zusammenzufassen!

Sinn und Zweck der StVO-Novelle

Zweck der Änderungen ist es laut Bundesverkehrsministerium (BMVI), die deutschen Straßen sicherer, klimafreundlicher und gerechter zu machen“. Insbesondere sollen Radfahrer besser geschützt, und Fahrgemeinschaften und umweltfreundliche Verkehrsmittel begünstigt werden. Außerdem soll es für das Blockieren von Rettungsgassen härter bestraft werden.

Neue Schilder

Mit der Gesetzesnovelle sollen zu den über 200 Piktogrammen 14 neue Piktogramme in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen werden. Einige davon werden Ihnen trivial erscheinen. Von „Haifischzähnen“, „Fahrradzonen“ oder „Radschnellwegen“ werden aber bislang die wenigsten gehört haben. Um den Überblick zu behalten, folgt nun eine kurze Darstellung mit den wichtigsten Eckpunkten:

1.: Das Linksabbiegerzeichen für Fahrräder

Kaum jemandem wird im deutschen Schilderwald auffallen, dass es dieses Zeichen bislang noch nicht gab: Der grüne Abbiegerpfeil für Fahrräder. Bislang gab es schon einen Grünpfeil, der aber allgemein für alle Fahrzeuge galt. Näheres dazu ergibt sich aus dem Gesetzestext in § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO:

„Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Wer ein Fahrzeug führt, darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. Dabei muss man sich so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.“

Bei dem neuen Verkehrszeichen gilt das nur für Fahrräder: Sie dürfen auch bei rot – sofern es ein entsprechendes Schild an der Ampel gibt – nach rechts abbiegen. Hier das Piktogramm dazu:

Grünpfeil_Radfahrer

2.: Lastenfahrräder

Im innerstädtischen Verkehr sollen vermehrt Fahrräder zum Befördern von Lasten eingesetzt werden. Das – so die Idee – setze weniger Schadstoffe frei als der motorisierte Verkehr, und sei somit umweltschonender. Um die Verwendung von Lastenfahrrädern zu begünstigen, gibt es nun ein neues Piktogramm, das dazu dienen soll, bestimmte Parkflächen und Ladezonen für Lastenfahrräder freizuhalten:

Lastenrad Piktogramm Symbolbild

3.: Radschnellwege

Radschnellwege – das klingt nicht nur wie „Autobahn für Fahrräder“, auch die Piktogramme sehen entsprechend aus:

Radschnellweg_SymbolbildRadschnellweg Symbolbild Ende

Bei Radschnellwegen handelt es sich um Straßen, deren Nutzung ausschließlich Fahrrädern vorbehalten ist. Fußgänger haben dort nichts zu suchen, Fahrradfahrer können also Gas geben. Dadurch sollen kurze Strecken, die alltäglich vor allem mit dem Auto zurückgelegt werden, für den Fahrradverkehr attraktiv gemacht werden. Vor allem sollen also Wohngebiete mit Arbeits- und Ausbildungsstätten sowie Verkehrsknotenpunkten verknüpft werden.

4.: „Mehrfachbesetzte Personenkraftwagen“

Auch Fahrzeuge, die mehr als drei Personen befördern, sollen im Straßenverkehr begünstigt werden. Dadurch sollen Verkehrsteilnehmer zur Bildung von Fahrgemeinschaften angeregt werden, denn bislang werden pro Auto durchschnittlich weniger als 1,5 Personen befördert. Gäbe es mehr Fahrgemeinschaften, dann gäbe es weniger Staus und Abgase. Die Behörden können deshalb bald den Busstreifen für solche Fahrzeuge durch dieses Sonderzeichen freigeben:

Mehrfachbesetzte Personenkraftwagen Autos mehrere Insassen Symbolbild

Der Busstreifen wird aber nicht generell für Fahrzeuge mit mehr als drei Insassen freigegeben! Immer auf entsprechende Schilder achten!

5.: Wohnmobile

Dass mit der Novelle Wohnmobile ein eigenes Piktogramm erhalten, hängt weniger mit einem Sicherheits- oder Umweltbedürfnis zusammen. Vielmehr gibt es einfach ein Bedürfnis danach, Parkplätze für Wohnmobile zu schaffen und entsprechend zu kennzeichnen. Das war bislang mangels Rechtsgrundlage nicht möglich. Die Parkplätze werden mit folgendem Piktogramm versehen:

Wohnmobil Symbolbild

6.: Elektrokleinstfahrzeuge

Nicht nur Lastenfahrräder sollen im Straßenverkehr bevorzugt werden können. Auch für andere umweltfreundliche Fahrzeuge soll das möglich sein. Wem folgendes Bild nicht bekannt vorkommt, der sich hier mit unserem Beitrag zur Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) informieren:

eKFV Elektrokleinstfahrzeug E-Roller Symbolbild

Es handelt sich dabei um E-Roller, die inzwischen überall in deutschen Großstädten anzutreffen sind.

7.: Carsharing-Dienste

Carsharingdienste sollen wie Taxis beim Parken besondere Rechte erhalten. Carsharing kann nun wie folgt gekennzeichnet werden:

Carsharing Symbolbild

Carsharing-Fahrzeuge sollen einen Ausweis und eine entsprechende Plakette tragen:

Carsharing Plakette Symbolbild

8.: Fahrradzonen und Überholverbote

Neben der Einrichtung von Radschnellwegen soll es nun auch die Möglichkeit geben, an bestimmten Orten das Überholen von Fahrrädern, Mofas und Motorrädern komplett zu verbieten. Das neue Verkehrszeichen sieht so aus:

Überholverbot Symbolbild

Zudem werden neue Fahrradzonen eingerichtet. Innerhalb dieser Zonen dürfen nur Elektrokleinstfahrzeuge (E-Roller) und Fahrräder als Fahrzeuge erlaubt sein. Fahrradzonen werden wie folgt gekennzeichnet:

Fahrradzone SymbolbildFahrradzone Symbolbild Ende

9.: „Haifischzähne“

Mit so genannten „Haifischzähnen“ soll auf den Kreuzungen und Einmündungen von Radschnellwegen die Vorfahrt geregelt werden. Die „Haifischzähne“ sind in den Niederlanden bereits als offizielles Verkehrszeichen („Haaientanden“) bekannt und bewährt. Dort regeln sie die Vorfahrt wie folgt: Wer auf der Straße mit Haifischzähnen fährt, der muss warten, bis andere Verkehrsteilnehmer die jeweilige Fahrbahnstelle passiert haben. Haifischzähne sehen so aus:

Haifischzähne Symbolbild Straßenverkehr

Mehr Ordnungswidrigkeiten, härtere Sanktionen

Nicht nur die StVO, sondern auch die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) und auch die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) werden ergänzt. Punkte im Fahreignungsregister und höhere Geldsanktionen werden bei bestimmten Verstößen nun fällig. Auch ein neuer Fall für ein Fahrverbot ist vorgesehen.

Rettungsgassen unbedingt freihalten!

Bislang war das Nutzen oder Blockieren einer Rettungsgasse schon illegal. Allerdings wurden die Sanktionen drastisch verschärft: Wer eine Rettungsgasse unerlaubt nutzt oder nicht bildet, der riskiert nicht nur ein Bußgeld in Höhe von 240 bis 320 Euro (je nachdem, ob eine Verkehrsbehinderung, Gefährdung oder gar Sachbeschädigung herbeigeführt wurde), sondern auch zwei Punkte im Fahreignungsregister und einen Monat Fahrverbot. Außerdem handelt es sich dabei nun um einen „A-Verstoß“: Wer einen Verstoß dieser Art begeht, und eine Fahrerlaubnis auf Probe hat, der hat also viel zu verlieren.

Park- und Halteverstöße

Wer unerlaubt in der zweiten Reihe oder auf dem Radweg parkt, der bekommt nun erhebliche Probleme: Das Bußgeld für Verstöße wurde von 20-35,- auf 70-100,- Euro erhöht. Der Bußgeldrahmen wurde also teilweise vervierfacht! Außerdem droht auch hier nun ein Punkt im Fahreignungsregister. Das ist für das Falschparken eigentlich ungewöhnlich. Bislang sind nur Punkte im Fahreignungsregister vorgesehen, wenn jemand auf Autobahnen oder Kraftstraßen parkt, oder durch Parken an Engstellen oder Feuerwehrzufahrten Rettungsfahrzeuge behindert.

Abschalten eines Bremsassistenten

Für bestimmte Fahrzeuge sind Notbremsassistenzsysteme verpflichtend. Wer ein solches System vorschriftswidrig bei einer Geschwindigkeit von über 30 km/h nicht nutzt oder abschaltet, der kann nun auch einen Punkt im Fahreignungsregister bekommen. Der Verstoß hat auch ein Bußgeld in Höhe von 100,- Euro zur Folge. Das hat auch Gründe. Laut dem ADAC könnte eine verpflichtende Einführung eines Notbremsassistenten für alle Fahrzeuge etwa 300 Fußgänger- und Radfahrerleben jährlich retten.

Schutz und Vereinfachungen für Fahrradfahrer

Deutschlandweit gibt es mehr als 80.000 Verkehrsunfälle jährlich, bei denen Radfahrer verletzt werden. Dabei sterben etwa 400 Fahrradfahrer. Deshalb sollen Fahrradfahrer nun besser geschützt werden. Einerseits gibt es nun Fahrradzonen und Radschnellbahnen, die Verstöße beim Parken auf Radwegen werden auch härter bestraft (siehe oben).

Es gibt auch eine weitere Neuerung: Der Mindestabstand beim Überholen von Fahrrädern war bislang nie exakt festgelegt. Während im Gesetz immer die Rede von einem „ausreichenden Seitenabstand“ war, gibt es nun eine genaue Größe: Innerorts muss man beim Überholen eines Fahrrads 1,5 Meter Abstand halten, außerorts sind es 2 Meter.

Schwere Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen dürfen bald innerorts nur noch mit Schrittgeschwindigkeit (7-11 km/h) nach rechts abbiegen, was Radfahrer und Fußgänger schützen soll.

Zuletzt sollen Fahrradfahrer in Einbahnstraßen künftig öfters in Gegenrichtung fahren dürfen. Auch wenn das bisher sowieso kaum beachtet wird, wird es einige Fahrradfahrer freuen.

Weitere Änderungen

Wer auf einem Parkplatz für Elektrofahrzeuge parkt, obwohl er keines fährt, muss künftig ein Bußgeld in Höhe von 55,- Euro zahlen. Auch das vorschriftswidrige Befahren einer Fahrradzone oder eines Fahrradschnellweges wird nun logischerweise bebußt.

Im Übrigen gibt es viele kleinere Änderungen, die meisten davon werden einfache Verkehrsteilnehmer nicht wesentlich betreffen. Teilweise stellen die neuen Regelungen auch nur die bisherige Gesetzeslage klarer dar, geben den Behörden einen weiteren Handlungsspielraum, oder sollen Verwaltungsaufgaben vereinfachen. Auch für den Großraum- und Schwertransportverkehr gibt es Neuregelungen. Diese Regelungen haben wir der Einfachheit halber nicht erwähnt.

Da es sich bislang um einen Entwurf handelt, und die Bundesländer noch nicht zugestimmt haben, werden wir Sie über aktuelle Entwicklungen weiter auf dem Laufenden halten.

Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren:

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Diesel-Abgasskandal

Diesel-Abgasskandal

Diesel-Abgasskandal

Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW

 

1. Worum geht es in dem Artikel?

Im Diesel-Abgasskandal musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg mit der Frage beschäftigen, ob das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Dieselmotor EA 189 eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt und somit dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die VW-AG zusteht.

 

2. Was ist passiert?

Der Kläger hatte vor dem Bekanntwerden des „Abgasskandals“ einen gebrauchten VW Tiguan bei einem Händler für 24.400 Euro gekauft. In dem Fahrzeug war der Dieselmotor EA 189 eingebaut. Etwa eineinhalb Jahre nach dem Kauf wurde ein von der VW-AG entwickeltes Software-Update aufgespielt, weil das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ohne dieses Update die Stilllegung des Fahrzeugs angeordnet hätte. Der Kläger unterlag beim Landgericht.

 

3. Wie hat das Oberlandesgericht entschieden?

Der Kläger ging sodann in Berufung vor dem Oberlandesgericht Oldenburg und hatte Erfolg damit: Das Oberlandesgericht Oldenburg hat der Klage gegen die VW-AG im Wesentlichen stattgegeben.

Nach Auffassung des Berufungsgericht stellt das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit dem genannten Motor eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar, so dass dem Kläger ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegen die VW-AG zustehe. Daher könnte der Kläger das Fahrzeug zurückgeben und den Kaufpreis zurückverlangen.

Allerdings müsse er sich die sog. „Nutzungsvorteile“ anrechnen lassen. Das bedeutet, dass für jeden gefahrenen Kilometer ein Abzug erfolgt. Da der Kläger ca. 100.000 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt hatte, musste er sich einen Abzug von rund 9.000 Euro anrechnen lassen. Dieser „Nutzungsvorteil“ ergibt sich aus den gefahrenen Kilometern in Abhängigkeit zum Kaufpreis und der geschätzten Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs, die das Oberlandesgericht im Fall des streitgegenständlichen Tiguans auf 300.000 km angesetzt hat.

 

4. Abweichende Rechtsprechung: Keine Verzinsung des Kaupfreises

Der 13. Zivilsenat vertitt -anders als der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts– die Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Verzinsung des Kaufpreises seit Vertragsschluss hat (§ 849 BGB). Denn er habe für sein gezahltes Geld bis zur Rückgabe des Fahrzeuges den Wagen ja tatsächlich täglich nutzen können. Aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit sind die Kollegen aus dem Parallelsenat nicht an dieser Ansicht gebunden ist.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Oberlandesgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

  • Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 21.10.2019 zum Aktenzeichen 13 U 73/19
  • Vorinstanz Landgericht Oldenburg zum Aktenzeichen 17 O 2806/18

 

Diese Artikel zum Thema Abgasskandal könnten Sie ebenfalls interessieren:
>>> unzulässige Abschalteinrichtung <<<
>>> Musterklage im Abgasskandal <<<
>>> Musterfeststellungsklage – ja oder nein? <<<
>>> KFZ-Steuer und Abgasskandal <<<

 

Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers 

Haftung beim Verkehrsunfall

 

1. Mitverschulden des nicht angeschnallten Beifahrers

Als Beifahrer kann man gegen den Fahrer grundsätzlich Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn man durch einen Fehler des Fahrers bei einem Unfall zu Schaden kommt. Doch kann der Schadenersatzanspruch gekürzt werden, wenn der Beifahrer nicht angeschnallt war? Darüber hatte das Oberlandesgericht Rostock zu entscheiden.

2. Was war passiert?

Die Klägerin war zu zwei Bekannten ins Auto gestiegen. Sie hatte sich aber nicht angeschnallt. Nach kurzer Fahrt kollidierte das vom Beklagten geführte Fahrzeug mit mehreren Straßenbäumen. Der weitere Beifahrer verstarb noch an der Unfallstelle, die Klägerin und der Beklagte erlitten schwere Verletzungen. Die Klägerin erlitt unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und ist seit dem Unfall schwerbehindert. Sie benötigt eine Betreuung rund um die Uhr und besucht eine Einrichtung zur Förderung von behinderten Menschen. Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro an die Klägerin.

Die Klägerin war mit dieser Zahlung unzufrieden und verlangte vom Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung ein weiteres Schmerzensgeld von mindestens 320.000 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von mindestens 500,- Euro monatlich sowie den Ersatz ihres Verdienstausfalls.

Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme festgestellt, dass die Klägerin als Beifahrerin auf der Rückbank beim Unfall nicht angeschnallt war und sie bei Anlegen des Sicherheitsgurtes einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte. Aus diesem Grund, hatte das Landgericht das bereits gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro für ausreichend erachtet und die Klage abgewiesen.

3. Was sagt das Oberlandesgericht Rostock dazu?

Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Rostock kamen die Richter -der Berechnung des Mitverschuldens- jedoch zu einer anderen Entscheidung. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist das Mitverschulden nicht danach zu bemessen, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr habe für die Bestimmung einer Mithaftungsquote eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Da der Unfallverursacher die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25% überschritten und eine Kurve geschnitten hatte, hat sein Schuldanteil deutlich überwogen, sodass das Mitverschulden der Klägerin mit 1/3 zu bewerten war.

Das Oberlandesgericht Rostock hat in der Sache lediglich ein Grundurteil erlassen, mit dem festgestellt wird, dass die geltend gemachten Ansprüche (Schmerzensgeld, monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall ab dem Unfall bis zum fiktiven Renteneintritt und weiterer Schadensersatz), zu 2/3 berechtigt sind. Das bedeutet, dass eine weitere Beweisaufnahme erfolgen muss, um die genaue Höhe der Schadenersatzansprüche – insbesondere Schmerzensgeld und Verdienstausfalls – zu berechnen.

Besteht auch ein Mitverschulden an den Unfallverletzungen eines Fahrradfahrers, wenn der Fahrradfahrer ohne Fahrradhelm fuhr? Lesen Sie hier mehr!

Tipps für den Winter – so machen Sie Ihr Auto fit!

Tipps für den Winter – so machen Sie Ihr Auto fit!

Worauf sollte man achten, wenn man im Winter Auto fahren will? Wie kann man sich vorbereiten?

Neben eher bekannten Themen haben wir auch einige kreative Tipps ausfindig gemacht, die den Fahrern durch den Winter helfen sollen.

1. – Winterreifen

Glätte und rutschiger Untergrund sind mit die größten Gefahren im winterlichen Straßenverkehr. Deswegen ist es besonders wichtig, sich in dieser Hinsicht entsprechend zu rüsten – und das am besten früh genug. Die besten Bremsen helfen nur wenig, wenn die Reifen nicht greifen. Winterreifen sind weicher als Sommerreifen und haben ein offeneres Reifenprofil. Sie haften deshalb besser auf kaltem Untergrund und auf Schnee und Matsch. Im Ernstfall kann das sehr wichtig werden. Bevor die kalte Jahreszeit ansteht, sollte man daher unbedingt für die richtige Bereifung sorgen!

Bereifung: Was man beachten sollte

Zunächst sollte man sich vergewissern, dass die Winterreifen geltenden Normen entsprechen. Alle ab dem 1.8.2018 hergestellten Winterreifen müssen das Alpine-Symbol (Berg mit Schneeflocke) aufweisen. Reifen mit dem alten „M+S“-Zeichen sind zwar noch bis 2024 übergangsweise zulässig, die neuen Reifen sind aber bereits auf dem Markt. Auch wenn die alten Reifen billiger sein sollten, ist es bei sicherheitsrelevanten Fahrzeugteilen zu empfehlen, auf höhere Qualitätsstandards zu achten. Zu dieser Änderung haben wir bereits 2018 einen Artikel verfasst.

Nach Qualität einkaufen!

Auch auf die Qualität der Winterreifen sollte man achten – in dem ADAC-Winterreifentest 2019 schnitten zum Beispiel bei Vans (205/65 R16C T) keine der fünfzehn geprüften Reifen gut ab. Stattdessen bekamen zwölf Reifen die Note „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Dabei sind die Preisunterschiede nicht besonders groß. Vor dem Kauf sollte man sich also unbedingt zu den konkreten Reifen informieren!

Wichtig ist auch: Sollten Sie Ihre Winterreifen erneut aufziehen, achten Sie unbedingt auf Profiltiefe und Reifendruck. Letzteres ist nicht nur wichtig für die Sicherheit im Verkehr, sondern auch für Ihre Geldbörse. Bestimmte Stellen am Reifen werden zu stark abgenutzt, wenn der Reifendruck zu hoch oder zu niedrig ist, und die Reifen müssen dann schneller gewechselt werden.

Zu welchem Zeitpunkt sollte man die Winterreifen aufziehen?

Trotz der weit verbreiteten Daumenregel „von Oktober bis Ostern“ gibt es in Deutschland keine fixe Winterreifenpflicht, anders als in einigen osteuropäischen Ländern. Stattdessen wird auf die Wetterlage abgestellt: Wer bei Glätte mit Sommerreifen erwischt wird, muss ein Bußgeld von 60 Euro zahlen und bekommt einen Punkt. Wird dadurch eine Verkehrsbehinderung verursacht, dann sind es sogar 80,- Euro. Unfallgeschädigte mit Sommerreifen trifft gegebenenfalls sogar ein Mitverschulden. Das heißt: Sie bleiben vielleicht auf einem Teil ihres Schadens sitzen.

Wann die erste Glätte auftritt, kann man frühestens ein paar Tage vorher mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Dann sind die Werkstätten allerdings häufig ausgelastet, und die Preise für Winterreifen steigen deutlich an. Ratsam ist es also, früh genug einen Termin bei der Werkstatt auszumachen.

2. – Gute Sicht

Im Winter wird es schnell dunkel. Umso wichtiger ist es, für eine gute Sicht zu sorgen. Es ist also sinnvoll, die Beleuchtung und die Scheiben zu überprüfen. Die Beleuchtung kann man zum Beispiel in einer Fachwerkstatt auf Funktionsfähigkeit überprüfen lassen. Sofern man sich entsprechend zu helfen weiß, reicht es aber logischerweise auch aus, die Beleuchtung selbst zu überprüfen.

Scheiben säubern!

Während der Sommermonate haben sich Pollen, Insekten und Staub auf der Windschutzscheibe abgelagert. Wenn sie verunreinigt ist, leuchtet der Schmutz auf, sobald Licht darauf fällt. Das erschwert die Sicht deutlich. Deswegen ist es hilfreich, die Scheiben von innen und außen gründlich zu säubern, bevor es zu kalt dafür wird. Für eine gründliche Scheibenreinigung reicht ein einfacher Fensterreiniger aus dem Supermarkt aus. Laut dem Automobilclub von Deutschland (AvD) ist es auch möglich, die Scheiben mit verdünntem Brennspiritus zu reinigen. Wichtig ist es in jedem Fall, die gereinigten Scheiben möglichst schnell und gründlich trocken zu wischen. Auch der Scheibenwischer sollte dabei gereinigt werden, weil sich daran viel Schmutz ablagert.

Beschlagene Scheiben: Was tun?

Ähnlich wie mit Schmutz verhält es sich mit beschlagenen Scheiben. Die Sicht hindurch ist aufgrund der sich niederschlagenden Luftfeuchtigkeit deutlich getrübt. Auch dagegen gibt es viele einfache, effiziente Mittel. Zunächst gilt es, nicht zu viel Feuchtigkeit ins Auto zu lassen. Schnee vor dem Einsteigen abklopfen, Fußmatten aus Gummi verwenden und feuchte Fußmatten trocknen lassen.

Laut dem Automobilclub Deutschlands können in einem Leinentuch eingeschlagene Walnüsse die Luftfeuchtigkeit gut aufnehmen. Aber es gibt auch viele andere hygroskopische (feuchtigkeitsbindende) Mittel, die der Luft die Feuchtigkeit entziehen können. Darunter sind auch einfache Haushaltsmittel wie ein Schälchen Salz oder Reis. Auch ein Raumentfeuchter aus dem Baumarkt kann helfen. Und wer kennt nicht die kleinen Tütchen „Silica-Gel“, die in praktisch jeder Verpackung enthalten sind? Wer nichts damit anzufangen weiß, dem sei gesagt: Diese Päckchen werden feuchtigkeitsempfindlichen Produkten beigefügt, damit diese nicht durch die Luftfeuchtigkeit beschädigt werden. Auch Silica-Gel kann dabei helfen, beschlagenen Scheiben entgegenzuwirken.

3. – Festgefrorene Türen und aggressives Streusalz

Auch gegen festfrierende Türen gibt es einen Ratschlag des Automobilclubs Deutschland: Glycerin oder Babypuder auf den Türdichtungen anbringen. Dadurch werden die Dichtungen vor Beschädigungen geschützt und bleiben geschmeidig.

Entgegen einer oft verbreiteten Behauptung frisst sich das Salz übrigens nicht durch den Lack. Es greift das Metall an, wenn der Lack an einer Stelle beschädigt ist. Schäden durch Streusalz kann man deshalb vermeiden, indem man das Fahrzeug an den entsprechenden Stellen reinigt und nach der Reinigung Wachs aufträgt. Man sollte auch gelegentlich den Unterboden überprüfen und abwaschen, denn hier bilden sich schnell Korrosionsschäden, wenn sich eine Salzlösung darauf absetzt.

Dieser Artikel wurde vom Kfz-Sachverständigen Robert Ulbrich aus Berlin erstellt.

Schaden durch Parkservice

Schaden durch Parkservice

Schaden durch Parkservice

Hotelpersonal haftet!

1. Worum geht es in diesem Artikel?

Die Gerichte hatten sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Hotel und dessen Hotelmitarbeiter für Schäden haftet. Die Parteien stritten sich, sodass die Sache bis zum Oberlandesgericht Köln ging.

2. Was war passiert?

Der Kläger hatte seinen Toyota Auris vor dem Hotel abgestellt und den Schlüssel an der Rezeption abgegeben, damit das Fahrzeug durch den Hotel-Parkservice in die Tiefgarage des Hotels gefahren wird. Nach dem Spa-Besuch kehrte er zu dem Fahrzeug zurück und stellte fest, dass das Fahrzeug statt in der Tiefgarage in einer Parkbucht in der Nähe des Hotels stand. Aus beiden Reifen der rechten Fahrzeugseite war die Luft entwichen. Der Kläger klagte gegen das Hotel und den Hotelmitarbeiter auf Schadensersatz. Das Hotel wies jede Verantwortung für den Schaden von sich und wandte ein, dass die Reifen schon vorher beschädigt gewesen seien und der Luftverlust somit schleichend vonstatten ging.

Das erstinstanzliche Gericht hatte die Klage abgewiesen. Der mitverklagte Hotelmitarbeiter hatte geschildert, wie er unmittelbar nach dem Losfahren ein ungewöhnliches Abrollgeräusch und dann einen schleichenden Luftverlust an den Reifen festgestellt hat, weshalb er das Fahrzeug in der Parkbucht statt in der Tiefgarage abgestellt hatte. Der Kläger trug hier die Beweislast. Insoweit musste der Kläger beweisen, dass der Schaden durch den Hotelmitarbeiter verursacht wurde. Trotz der für den Kläger sprechenden Aussage der Ehefrau, konnte das Landgericht allerdings nicht ausschließen, dass der Schaden schon vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Hotelmitarbeiter vorgelegen habe.

3. Wie hat das Oberlandesgerichts Köln entschieden?

Das Oberlandesgericht Köln hat der Berufung stattgegeben und das Hotel und dessen Mitarbeiter zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. rund 6.000 Euro verurteilt.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde festgestellt, dass die Angaben des Hotelmitarbeiters nicht der Wahrheit entsprechen konnten. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat festgestellt, dass die Reifen an zwei Stellen derart große Löcher aufwiesen, dass die Luft sofort entwichen sein musste, sodass der Schaden nicht schleichend aufgetreten sein konnte. Das Berufungsgericht zog daraus den Schluss, dass die Löcher durch einen Fahrfehler des Hotelmitarbeiters mit einer massiven Krafteinwirkung auf die Räder entstanden sind.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Haftet ein Hotelbetreiber für einen Glatteisunfall? – lesen Sie >>hier die Antwort<<.

Fahrzeuggegenüberstellung

Fahrzeuggegenüberstellung

Der Begriff der Fahrzeuggegenüberstellung ist nicht gesetzlich definiert. Bei einer Fahrzeuggegenüberstellung werden die Schäden zweier Unfallfahrzeuge auf Kongruenz überprüft. Das heißt: Es wird untersucht, ob der Schaden an einem Fahrzeug und der Schaden an einem anderen Fahrzeug aus demselben Unfall stammen können. Dafür setzen Versicherer spezialisierte Gutachter ein.

Die Fahrzeuggegenüberstellung ist ein häufig angewandter Trick von Haftpflichtversicherern bei Verkehrsunfällen. Ein Unfallgeschädigter hat praktisch immer einen Schadensersatzanspruch gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung. Dieser Anspruch beinhaltet unter anderem:

Haftpflichtversicherer zahlen aber ungerne, und kürzen bestehende Ansprüche so umfangreich wie möglich. Nachbesichtigung und Fahrzeuggegenüberstellung werden dabei oft als perfide Mittel eingesetzt, und können einen unbefangenen Geschädigten ohne Fachkenntnisse überrumpeln:

Wie gehen die Versicherer vor?

Nach einem Unfall melden sich Versicherer oft beim Unfallgeschädigten, und behaupten, sie hätten ein Recht darauf, eine Nachbesichtigung oder Fahrzeuggegenüberstellung durchzuführen. Einen solchen Anspruch haben sie grundsätzlich nicht. Trotzdem gehen Geschädigte oft darauf ein, und lassen eine Fahrzeuggegenüberstellung oder Nachbesichtigung zu. Das ist regelmäßig strategisch ungünstig. Denn die Haftpflichtversicherung wird diese Fahrzeuggegenüberstellung zu ihren Gunsten nutzen. Sie versucht dadurch – ob berechtigt oder nicht – aufzuzeigen, dass der Anspruch des Geschädigten nicht in voller Höhe besteht. Mit einem hauseigenen Gutachter soll der Beweis darüber geführt werden. Regelmäßig bemängeln die Versicherungsgutachter zum Beispiel, dass die Stundenverrechnungssätze des Sachverständigen zu hoch angesetzt sind, der den Schaden für den Geschädigten ermittelt hat.

Gegenüberstellung – zulassen oder nicht?

Eigentlich spricht aus Sicht des Geschädigten nichts dafür, eine Nachbesichtigung oder Fahrzeuggegenüberstellung zuzulassen. Das einzige, was dadurch geschieht, ist, dass man als Geschädigter nachher schlechter dasteht als vorher. Andererseits ist es auch schon häufig passiert, dass die Versicherung gar nichts mehr freiwillig zahlt, wenn man eine Gegenüberstellung nicht zulässt. Den Schadensersatzanspruch muss man dann einklagen, um das Geld zu sehen, das einem zusteht. Und das kann eine ganze Weile dauern. Außerdem muss der Kläger die Prozesskosten vorschießen. Erst wenn der Kläger (der Geschädigte) den Prozess vollständig gewinnt, zahlt der Versicherer die Prozesskosten und die komplette Schadensersatzsumme.

Eigenen Gutachter hinzuziehen – eine gute Idee?

Aufgrund eines Urteils des Landgerichts (LG) Hamburg vom 9. Juli 2015, zu dem Sie hier mehr lesen können, bietet sich eine andere Strategie an: Wenn die Versicherung schreibt, sie würde gerne die Schäden am Fahrzeug besichtigen, kann der Geschädigte einen eigenen Sachverständigen hinzuziehen, um für Waffengleichheit zu sorgen. Es gibt jedoch ein paar Probleme:

Gutachter bei der Gegenüberstellung – die Probleme

Auch in diesem Fall kann sich die Versicherung querstellen, und einfach nicht zahlen. Zudem gibt es das Risiko, dass der Prozess hinsichtlich der Sachverständigenkosten in die höchste Instanz geht, weil die Problematik dieser Kosten nicht höchstrichterlich geklärt ist. Es kann also sein, dass der Geschädigte auf den Kosten für den eigenen Sachverständigen sitzen bleibt. Außerdem kann sich das Verfahren extrem in die Länge ziehen. Schließlich gibt es Ungewissheit hinsichtlich der Frage, ob der Bundesgerichtshof (BGH) in einem solchen Fall zugunsten des Geschädigten urteilen würde. Das hieße, dass der Geschädigte im schlimmsten Fall sowohl auf den Sachverständigenkosten als auch auf einem Teil der Prozesskosten sitzen bleibt. Und die Prozesskosten steigen mit der Zahl der Instanzen deutlich an.

Sinnvoller ist es daher, von Anfang an auf ein Gegenüberstellungs- oder Nachbesichtigungsverlangen des Versicherers gar nicht erst einzugehen!

Lesen Sie hierzu auch:

Urteil: Ein Recht auf Nachbesichtigung gibt es nicht!
LG Hamburg: Geschädigter darf eigenen Gutachter mitnehmen!
Lexikon: Was bedeutet „Nachbesichtigung“?

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin