1. Allgemeines

Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Endurteile in erster Instanz (§§ 511-541 ZPO). Ausnahme besteht beim Versäumnisurteil. Die Berufung eröffnet eine neue Instanz und führt bei Zulässigkeit zu einer Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils durch ein übergeordnetes Gericht. Im Gegensatz zu der Revision wird das Ausgangsurteil nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht überprüft. Das bedeutet, dass die Parteien unter einschränkenden Voraussetzungen neue Tatsachen und Beweise anführen und vorbringen können. Das Berufungsverfahren ist somit sowohl ein Rechtsbehelfs- als auch ein Erkenntnisverfahren.

Sowohl die Berufungseinlegung als auch die Berufungsbegründung unterliegen Frist- und Formvorschriften.  Mit Ablauf der Berufungsfrist wird die Ausgangsentscheidung rechtskräftig und ist damit einer späteren Überprüfung entzogen, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte. Eine Ausnahme hierzu stellt das Wiederaufnahmeverfahren „von Amts wegen“ dar.

2. Verschiedene Rechtsgebiete

a. Zivilsachen

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterschriebenen Berufungsschrift beim Berufungsgericht einzulegen (§ 517 ZPO) und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu begründen (§ 520 ZPO). Als Berufungsgericht überprüft das Landgericht die Urteile des Amtsgerichts in Zivilsachen, soweit nicht das Oberlandesgericht zuständig ist (§ 72 GVG). Das Oberlandesgericht ist Berufungsgericht für die erstinstanzlichen Urteile des Amtsgerichts in Familiensachen sowie für die erstinstanzlichen Urteile des Landgerichts (§ 119 GVG). In Zivilsachen sind Spruchkörper bei den Landgerichten die Zivilkammern und bei den Oberlandesgerichten die Zivilsenate.

Die Berufung ist nach § 511 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist. Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Im Berufungsverfahren wird das erstinstanzliche Urteil sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht zur Überprüfung gestellt. Allerdings können neues Vorbringen und neue Beweismittel nicht berücksichtigt werden, wenn diese in erster Instanz bereits hätte vorgebracht werden können (Präklusion). Neue Tatsachen, die das erstinstanzliche Gericht nicht berücksichtigen durfte oder konnte, sind im Berufungsverfahren nur noch eingeschränkt und unter besonderen Voraussetzungen zulässig (Novenrecht).

Nach § 513 Abs. 1 ZPO werden die Berufungsgründe grundsätzlich darauf beschränkt, dass die Entscheidung nach § 529 ZPO die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen oder die Entscheidung auf eine Rechtsverletzung beruht. Nach § 546 ZPO liegt eine Rechtsverletzung dann vor, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Das Berufungsgericht weist die Berufung mit Beschluss zurück, wenn die Kammer einstimmig die Berufung für unbegründet hält, die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist (§ 522 ZPO). Ansonsten entscheidet das Berufungsgericht nach § 522 ZPO aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil. Mit der Gesetzesänderung am 7. Juli 2011 soll die Möglichkeit der Berufungszurückweisung durch Beschluss nur noch für den Fall möglich sein, dass die Berufung „offensichtlich“ unzulässig ist. Für Streitwerte über 20.000 Euro wurde die Nichtzulassungsbeschwerde eingeführt.

b. Strafsachen

Die Berufung muss gemäß § 314 StPO innerhalb einer Woche beim Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Frist beginnt mit Verkündung des Urteils, ausnahmsweise erst mit dessen formeller Zustellung
(1) für den bei der Verkündung des Urteils nicht anwesenden Angeklagten;
(2) für andere Prozessbeteiligte, die bei der Urteilsverkündung nicht anwesend und auch nicht vertreten waren (z.B. Nebenkläger).

Gemäß § 312 StPO gibt es in Strafsachen Berufungen nur gegen Urteile des Amtsgerichts (Gesetzeswortlaut: „gegen Urteile des Strafrichters und der Schöffengerichte“). Die Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus § 74 Abs. 3 GVG. Über die Berufung entscheidet beim Landgericht die Kleine Strafkammer. Diese ist mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt.
Gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts oder Oberlandesgerichts besteht eine Möglichkeit der Berufung. Gegen die Entscheidung der Land- und Oberlandesgerichte ist nur die Revision zum Bundesgerichtshof statthaft (§ 135 GVG). Ausnahmen bestehen bei Verurteilungen zu nicht mehr als Geldstrafe von fünfzehn Tagessätzen (oder bei Freispruch in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft nicht mehr als dreißig Tagessätze gefordert hatte).Die Berufung ist dann nur zulässig, wenn sie durch das Berufungsgericht angenommen wird (Annahmeberufung). Wird die Annahme verweigert, besteht für den Berufungsführer allerdings kein eigenes Rechtsmittel.

c. Arbeitssachen

Gegen Urteile des Arbeitsgerichts ist die Berufung zum Landesarbeitsgericht möglich (§§ 64 ff. ArbGG). Die Berufungsfrist beträgt einen Monat seit Zustellung des Urteils und muss innerhalb von zwei Monaten seit Zustellung des Urteils begründet werden. Eine Vertretung durch Rechtsanwälte oder Vertreter von Gewerkschaften oder von Arbeitgebervereinigungen ist erforderlich (§ 11 II ArbGG, Arbeitsgerichtsbarkeit).

d. Verwaltungs- und öffentlich-rechtliche Sachen

Berufungsgericht im Verwaltungsstreitverfahren ist das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen. Berufung in öffentlich-rechtlichen Sachen müssen vom Verwaltungs- oder Oberverwaltungsgericht zugelassen werden (§§ 124–130b VwGO). Die Berufung ist im Fall der Zulassung durch das Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht einzulegen. Lässt das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zu, ist der Antrag auf Zulassung der Berufung binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht zu beantragen; die Zulassungsgründe sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils darzulegen.
Die Berufung ist zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Sache bisher nicht einheitlich entschieden wurde und daher grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung höherinstanzlicher Gerichte abweicht. Die Berufung kann auf Antrag von der zweiten Instanz zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 124 VwGO erfüllt sind. Ist die Berufung ausgeschlossen, ist eine Revision möglich.

e. Sozialsachen

In Sozialsachen kann die Berufung gegen Urteile und Gerichtsbescheide eingelegt werden. Berufungsgericht ist in der Sozialgerichtsbarkeit das Landessozialgericht (LSG). Vor dem LSG findet eine weitere vollständige Tatsacheninstanz statt. Gegen Urteile des LSG ist die Revision gegeben, wenn sie vom LSG oder vom Bundessozialgericht zugelassen wird.
Einer Zulassung bedarf die Berufung ausnahmsweise, wenn nicht mehr als 750 € im Streit stehen (bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden: 5.000 €, § 144 Abs. 1 SGG). Das Sozialgericht ist verpflichtet die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG). Lässt das Sozialgericht die Berufung nicht zu, ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht gegeben (§ 145 SGG).

f. Finanzsachen

In der Finanzgerichtsbarkeit ist lediglich die Revision zulässig, weil die Finanzgerichte nach der Finanzgerichtsordnung als obere Landesgerichte ausgestaltet sind, so dass das einzige Rechtsmittelgericht der Bundesfinanzhof ist. Eine Berufung gibt es nicht.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.