1. Allgemeines zum Begriff Bagatellschaden
Der Begriff Bagatellschaden wird in unterschiedlichen Bereichen genannt und rechtlich problematisiert. Er kann zum Beispiel im Rahmen eines Kaufvertrages zum Tragen kommen, wenn man über versteckte  „Mängel“ bzw. Unfallschäden streitet. An der Stelle kann es darum gehen, ob auch Bagatellschäden offenbarungspflichtig sind. Aber auch nach einem Unfall kann sich die Frage stellen, ob ein sog. Bagatellschaden vorliegt. Dabei geht es um die sog. Schadensminderungspflicht. Liegt nur ein solcher vor, darf mein keine unnötigen Folgekosten auslösen, da man sonst auf den Kosten sitzen bleiben kann. Wann ein solcher Bagatellschaden vorliegt, ist umstritten. Es geht –wie so oft– um das Geld. Die Haftpflichtversicherungen möchten nämlich nicht, dass man auch bei geringen Unfallschäden, sofort einen Gutachter beauftragt und damit weitere Kosten auslöst.

Im Internet geistert oft eine Bagatellgrenze von 700,- Euro rum. Weiter heißt es, alles was drunter ist wäre kein Bagatellschaden und alles was drüber ist, wäre keiner mehr. In dieser Form ist das nicht richtig!

Eine bestimmte Grenze gibt es dabei nicht, jedenfalls keine feste Betragsgrenze. Das Gerücht, dass die Bagatellschadengrenze bei ca. 700,- € liegen würde, ist infolgedessen falsch. Richtig ist, dass der Bundesgerichtshof sich mit einem sogenannten Bagatellschaden beschäftigt und auch bei einem Unfallschaden von 715,81 € die Beauftragung eines Gutachters für zweckmäßig und erforderlich gehalten hat. Somit ist der Betrag von 700,- € keinesfalls eine Grenze. Dies gilt um so mehr, da zum Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen die Höhe der dann kalkulierten Kosten noch nicht bekannt ist und im Einzelfall tatsächlich bei äußerlich nur geringfügig erscheinenden Schadensbildern auch tiefergehende Schäden entstanden sein können, etwa durch sich rückverformende Anbauteile aus Kunststoff usw.

Was sagen die Gerichte?

Die Gerichte gehen zunehmend davon aus, dass nicht allein auf einen starren Reparaturkostengrenzwert abzustellen ist, sondern primär darauf, ob es sich nach dem äußeren Schadensbild um einen Bagatellschaden handelt, also einen geringfügigen, oberflächlichen Schaden ohne Beeinträchtigung der Fahrzeugsubstanz oder sicherheitsrelevanter Bauteile. Für die Frage der Erforderlichkeit einer Begutachtung ist auf den Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen, also ob ein wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen die Einschaltung eines Sachverständigen für erforderlich halten durfte.

2. Tricks der Versicherungen
Bei Schäden bis zu ca. 1.200,- € verweigern die gegnerischen Haftpflichtversicherungen oft grundlos die Übernahme der Gutachterkosten. Eine Begründung gibt es oft nicht. Dies hat oft zur Folge, dass der Unfallgeschädigte, der nicht oder nur schlecht beraten ist, auf den Kosten des Gutachters sitzen bleiben kann.

3. Tipps zum Thema Bagatellschaden
Wenn man unverschuldet in einen Unfall verwickelt wurde, dann kann man von dem Unfallgegner alle unfallbedingten Kosten erstattet verlangen. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen.

Bei der Frage, ob nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten zur Schätzung der Reparaturkosten eingeholt werden darf/soll kommt es darauf an, ob der Unfallgeschädigte (in der Regel ein Laie) nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Dabei muss der geschädigte Laie eine Prognose über den tatsächlichen Reparaturaufwand vor Beauftragung des Sachverständigen anstellen. Nur wenn er erkennt, dass es sich bei dem Unfallschaden um einen kleinen, geringfügigen Schaden handelt, sollte er auf die Beauftragung eines Gutachtens verzichten. Stattdessen sollte der Gutachter einen „Schadenkalkulation“ erstellen. Das hat auch das Amtsgericht Mainz mit Urteil vom 19.03.2009 zum Aktenzeichen 83 C 561/08 bestätigt (dort ging es um Gutachterkosten von 50,- bei einem Unfallschaden von 500,- Euro).

Ansonsten kann man dem Unfallgeschädigten einen Verstoß gegen seine sogenannte Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuch vorwerfen.

Selbst bei einem Schaden von unter 700,- € kann es zweckmäßig und erforderlich sein, einen Gutachter zu beauftragen, mit der Folge, dass die gegnerische Versicherung auch die Kosten des Gutachters zu tragen hat. So im Ergebnis auch das Amtsgericht Leer. Daher ist der pauschale Hinweis auf eine Grenze von 700,- € nicht richtig.

Unfallschaden brutto oder netto?

In der Praxis stellt sich oft die Folgefrage, ob auf den Bruttobetrag oder auf  den Nettobetrag des Unfallschadens abzustellen ist. Wenn man „nur“ auf den Nettobetrag abstellen würde, würde eine Differenz von mehr als 100,- Euro entstehen.  Das Amtsgericht Heidenheim hat sich in einem Urteil auf die Seite des Unfallgeschädigten gestellt und geurteilt, dass es grundsätzlich auf den Bruttobetrag ankommt  (vgl. Amtsgericht Heidenheim Urteil vom 20.04.2005 zum Aktenzeichen 7 C 204/05).

Gibt es Ausnahmen?

JA, nämlich dann, wenn der Unfallgeschädigte zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist und sich das unfallbeschädigte Fahrzeug in seinem Betriebsvermögen befindet.

Dieser Text wurde durch die Kanzlei Schleyer erstellt.