Ersatzbeschaffung

Ersatzbeschaffung

Mit einer „Ersatzbeschaffung“ ist im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen das Kaufen eines neuen Fahrzeugs statt der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs gemeint.

Kurzer Überblick: Die Grundlagen des Schadensrechts

Nach einem Unfall hat der Unfallgeschädigte einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer. Im deutschen Recht gilt der Grundsatz der Naturalrestitution, vergleiche hierzu § 249 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nie geschehen:

„Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.“

Bei Sachschäden und Personenschäden kann ein Geschädigter einen Geldbetrag vom Schädiger verlangen und den Schaden in eigener Regie beheben, vergleiche § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB:

„Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.“

Der Anspruch des Geschädigten

Für einen Schadensersatzanspruch muss ein ersatzfähiger Schaden existieren. Ein Schaden in diesem Sinne ist jede unfreiwillige Vermögenseinbuße, die der Geschädigte wegen des Unfalls erleidet. Bei einem Verkehrsunfall gibt es verschiedene Schadenspositionen: Das Fahrzeug ist beschädigt, und dadurch in seinem Wert gemindert und vielleicht sogar unbenutzbar. Das Fahrzeug muss daher möglicherweise abgeschleppt werden, das kostet Geld. Der Geschädigte selbst ist am Körper verletzt, hat Schmerzen, und kann vielleicht seinen Beruf nicht ununterbrochen ausüben. Er beauftragt einen Gutachter, um herauszufinden, wie groß der Schaden ist, und einen Rechtsanwalt, um seine Rechte durchzusetzen. Dabei entsteht auch ein Verwaltungsaufwand.

Der Geschädigte kann daher unter anderem folgende Positionen ersetzt bekommen:

Das Wahlrecht des Geschädigten

Wie der Geschädigte den Schaden behebt muss grundsätzlich er selbst entscheiden. Er ist der „Herr des Restitutionsgeschehens“. Das heißt, dass er sich überlegen muss, wie er vorgehen möchte. Er muss sich also vor allem die Frage stellen, ob eine Reparatur für ihn sinnvoll ist, und ob er konkret oder fiktiv abrechnen möchte. Außerdem muss er sich überlegen, wo er sein Fahrzeug reparieren lassen möchte, wenn er das vorhat. Bei vielen dieser Entscheidungen versucht die gegnerische Haftpflichtversicherung, ihm Fallstricke zu stellen, damit sie möglichst wenige Kosten des Geschädigten trägt. Wer nicht durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht beraten wird, tastet sich daher regelmäßig ins Ungewisse vor, und bleibt häufig auf einem Teil der Kosten sitzen. Denn Versicherer kennen sich bestens mit dem Schadensrecht aus, und kürzen oft sogar berechtigte Forderungen eines Geschädigten unter dem Vorwand, er habe gegen die Schadensminderungspflicht oder das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen.

Wann ist ein neues Fahrzeug wirtschaftlich sinnvoll?

Bei einigen Unfällen lohnt es sich eher, ein neues Fahrzeug zu kaufen, als das Unfallfahrzeug zu reparieren. In solchen Fällen spricht man von einer Ersatzbeschaffung. Der Geschädigte muss sich aber bei der Schadensbehebung wirtschaftlich vernünftig verhalten, ansonsten verstößt er gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ist eine Ersatzbeschaffung rechtlich zulässig. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 01.02.2015 ausdrücklich bestätigt. Die Grenze für die ersatzfähigen Kosten der Ersatzbeschaffung ist der Brutto-Wiederbeschaffungswert. In dem Urteil heißt es unter anderem:

„Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem Preis, der dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen (Brutto)-Wiederbeschaffungswert des unfallbeschädigten Kraftfahrzeugs entspricht oder diesen übersteigt, kann er im Wege konkreter Schadensabrechnung die Kosten der Ersatzbeschaffung bis zur Höhe des (Brutto) – Wiederbeschaffungswertes des unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges – unter Abzug des Restwertes – ersetzt verlangen.“

Wann liegt laut Rechtsprechung ein wirtschaftlicher Totalschaden vor?

Grundsätzlich müssen daher zwei Positionen verglichen werden: Reparaturkosten und merkantiler Minderwert einerseits und der Wiederbeschaffungswert andererseits. Der Geschädigte darf das Fahrzeug aber auch reparieren, wenn Reparaturkosten und merkantiler Minderwert den Wiederbeschaffungswert nicht mehr als 30% überschreiten (130%-Grenze bzw. „Opfergrenze“ ). Die Haftpflichtversicherung des Schädigers muss die Kosten dann ebenfalls Tragen. Wenn der Geschädigte vorher ein Gutachten in Auftrag gab, laut dem sich die Reparaturkosten innerhalb der 130%-Grenze halten, muss die Versicherung auch dann die Kosten tragen, wenn die Reparatur wider Erwarten diese Kostengrenze sprengt. Das können Sie auch in diesem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) nachlesen. Die Gerichte gehe davon aus, dass die Haftpflichtversicherung das sog. Prognoserisiko trägt.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Referenzwerkstatt

Referenzwerkstatt

Als Referenzwerkstatt wird eine Werkstatt bezeichnet, auf die ein Haftpflichtversicherer einen Unfallgeschädigten verweist. Hier zunächst eine Erläuterung, was es damit auf sich hat, und warum das geschieht.

Ausgangslage: Wie handeln Versicherer bei Unfällen?

In Deutschland muss jeder Halter eines Fahrzeugs gemäß § 1 des Pflichtversicherungsgesetzes eine Haftpflichtversicherung abschließen, wenn das Fahrzeug an öffentlichen Orten zum Einsatz kommt. Der Gedanke dahinter: Das allgemeine Risiko, dass man im öffentlichen Verkehr in einen Unfall verwickelt wird, soll über die Versicherer so abgewickelt werden, als dass es den Einzelnen nicht unverhältnismäßig trifft. Der Geschädigte eines Unfalls kann sich immer bei der Versicherung des Unfallverursachers schadlos halten, und der Schädiger wird nicht durch die Schadensersatzforderungen des Geschädigten in den finanziellen Ruin getrieben.

Kürzungen sind aber der Regelfall!

Haftpflichtversicherer sind daran interessiert, die Schadensersatzzahlungen an Unfallgeschädigte möglichst gering zu halten, denn Profit können sie nur durch Erhöhung der Beiträge (was zur Abwanderung von Mitgliedern führt) oder weniger Ausgaben (weniger Schadensersatzzahlungen) machen. Daher kürzen sie häufig auf unberechtigte Weise Ansprüche. Ein anschauliches Beispiel dazu können Sie hier nachlesen. Der Geschädigte ist außerdem in einer misslichen Lage: Er muss aktiv werden, und den Schadensersatzanspruch gegen den Versicherer geltend machen. Ihn trifft auch die volle Beweislast. Versicherer verfügen zudem nicht nur über wesentlich mehr finanzielle Mittel, sondern auch regelmäßig über wesentlich bessere Sachkenntnis. Insbesondere kennen sie die Rechtsprechung der höchsten Gerichte und wissen, wie sie Geschädigte davon überzeugen können, Ansprüche nicht geltend zu machen. Viele Geschädigte denken trotzdem nicht einmal daran, dass sie einen Rechtsanwalt oder einen Gutachter einschalten könnten, was finanziell regelmäßig sinnvoll wäre.

Warum werden Referenzwerkstätten vorgeschlagen?

Viele Geschädigte lassen ihr Fahrzeug nur in einer Marken- oder ihrer Hauswerkstatt reparieren, weil sie um die Fahrzeuggarantie fürchten oder dieser konkreten Werkstatt vertrauen. Insbesondere die Markenwerkstätten sind aber regelmäßig teurer als die Referenzwerkstätten. Referenzwerkstätten werden deshalb von Versicherern empfohlen, um die Schadensersatzforderungen der Geschädigten in den Keller zu treiben. Je weniger der Geschädigte für eine Reparatur zahlt, desto weniger muss ihm der Versicherer an Kosten erstatten. Haftpflichtversicherer haben deshalb fast überall mit Werkstätten Verträge. Das bringt Vorteile für die Versicherer, aber auch für die Werkstätten:

Die Haftpflichtversicherer können stets Geschädigten günstige Reparaturangebote schicken, und zahlen dadurch selbst weniger Schadensersatz. Viele Geschädigte gehen darauf ein, und reparieren nicht bei ihrer Werkstatt. Die Werkstätten bekommen dadurch immer regelmäßige Aufträge durch Geschädigte, die sich an die Versicherung wenden. Und wenn Geschädigte sich nicht auf Referenzwerkstätten einlassen, kürzen die Versicherer häufig (auch grundlos!) mit Verweis auf die Schadensminderungspflicht die im Gutachten ausgewiesene Schadensersatzsumme.

Muss man sich als Geschädigter auf Referenzwerkstätten einlassen?

Die Antwort auf diese Frage ist eine typisch juristische Antwort: Es kommt darauf an. Grundsätzlich ist der Geschädigte dazu berechtigt, den Schaden in eigener Regie zu beheben. Er ist „Herr des Restitutionsgeschehens“. Aber es gibt auch Grenzen bei der Schadensbehebung. Dazu gehören vor allem die Schadensminderungspflicht, das Bereicherungsverbot und das Wirtschaftlichkeitsgebot. Diese Institute sind Ausprägungen des wichtigsten Grundsatzes im deutschen Schadensrecht: Dem Grundsatz der Naturalrestitution. Im deutschen Schadensrecht soll nämlich nicht der Schädiger durch den Schadensersatz für sein Verhalten bestraft werden, sondern der entstandene Schaden soll einfach ausgeglichen werden. Der Geschädigte soll nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden.

Was bedeutet das für das Angebot mit der Referenzwerkstatt?

Der Geschädigte muss also bei der Schadensbehebung darauf achten, dass die Kosten nicht explodieren, er darf sich nicht an der Schadensbehebung bereichern, und er muss wirtschaftlich vernünftig handeln. Als Geschädigter kann man also unter bestimmten Bedingungen die Referenzwerkstatt ablehnen, unter anderen Bedingungen muss man auf das Angebot eingehen. Das ist ein schwieriger Balanceakt, und wer sich nicht auskennt, macht schnell Fehler, die viel Geld kosten können.

Was sind die maßgeblichen Faktoren?

Bei der Frage, ob man sich auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen muss, sind folgende Dinge zu beachten:

  • In welcher Werkstatt möchte man reparieren?
  • Wie beschreibt der Versicherer die Referenzwerkstatt?
  • Ist das Fahrzeug scheckheftgepflegt?

Worauf muss man aufpassen?

Ein Geschädigter hat immer das Recht, sein Fahrzeug in einer markengebundene Fachwerkstatt reparieren zu lassen. Statt einer Reparatur kann auch fiktiv abgerechnet werden, also nach Gutachten. Auch in diesem Fall kann man nach den oben aufgeführten Grundsätzen, kann der Geschädigte die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen („Porsche-Urteil“).

Die gegnerische Haftpflichtversicherung hat jedoch die Möglichkeit, den Geschädigten (bei einer fiktiven Abrechnung) auf eine Referenzwerkstatt zu verweisen, sofern sie darlegt und beweist, dass eine Reparatur in der von ihr konkret gewählten Referenzwerkstatt dem Qualitätsstandard der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Werkstatt unzumutbar macht. In diesem Fall müsse der Geschädigte sich an eine qualitativ gleichwertige Fachwerkstatt verweisen lassen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.10.2009 zum Aktenzeichen VI ZR 53/09). Dies muss im Einzelfall bewertet werden. Gerade beim Verweis auf eine angebliche Referenzwerkstatt arbeiten die Haftpflichtversicherungen mit allen Tricks.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Streitverkündung

Streitverkündung

Streitverkündung

Die Streitverkündung, auch „Litisdenunziation“ genannt, ist ein Begriff aus dem deutschen Zivilprozessrecht. Bei einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen sind regelmäßig nur zwei Parteien beteiligt, ein Kläger und ein Beklagter. Der Kläger macht dabei meist einen Anspruch geltend, den er im Wege eines Gerichtsverfahrens gegen den Beklagten durchsetzen möchte. Das Gericht spricht – sofern der Streit nicht einvernehmlich zwischen den Parteien geschlichtet wird – zu Ende des Prozesses eine Entscheidung aus, die eigentlich nur diese beiden Parteien betrifft („Wirkung inter partes“).

Grundsätzlich geht dieser zivilprozessuale Streit also nur die Beteiligten des Prozesses etwas an. Andere Interessen werden dabei eigentlich nicht berücksichtigt. Der Kläger kann, soweit er obsiegt, seinen Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen lassen. Der Beklagte kann entweder Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde) einlegen, wenn er davon überzeugt ist, dass das Urteil fehlerhaft war, oder er muss die eingeklagte Leistung erbringen oder die Zwangsvollstreckung dulden.

Wozu die Streitverkündung?

Es gibt Fälle, in denen ein Urteil nicht nur die beiden Beteiligten, Kläger und Beklagten, betrifft.

Hierzu ein Beispiel:

Dienstleister D soll für Auftraggeber A einen Auftrag ausführen. Der Dienstleister D erledigt den Auftrag aber nicht komplett selbst. Er beauftragt für Teile des Auftrags das Unternehmen U. Später behauptet A, dass D den Auftrag nicht anständig ausgeführt hat, und verklagt ihn auf Schadensersatz. Wenn A gegen D tatsächlich einen Anspruch auf Schadensersatz haben sollte, dann kann D vielleicht seinerseits gegen U vorgehen, weil U seinen Auftrag falsch ausgeführt hat. Also ist U auch daran interessiert, dass der Prozess für D günstig ausgeht. Allerdings ist U keine Partei im Streit. Er kann also vor Gericht nichts vortragen, was für ihn günstig wäre.

Die Lösung: Eine Streitverkündung durch U

In solchen Konstellationen kann die Streitverkündung gemäß der §§ 72 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) weiterhelfen. § 72 Abs. 1 ZPO lautet wie folgt:

„Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.“

Übersetzt in einfache Sprache heißt das in Bezug auf unser Beispiel Folgendes: Der Dienstleister D hat einen Rechtsstreit mit dem Auftraggeber A. Sollte der Streit für D ungünstig ausgehen, so kann D gegebenenfalls einen Schadensersatzanspruch gegen U geltend machen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits kann D also dem U den Streit verkünden. Das heißt dann, dass U an dem Rechtsstreit als Streitgehilfe beteiligt werden kann.

Wirkungen der Streitverkündung

Wenn D dem U den Streit verkündet, hat das zunächst die Folge, dass U als Streitverkündungsempfänger den Beitritt ablehnen kann. Er kann also darüber bestimmen, ob er am Rechtsstreit teilnehmen möchte oder nicht. Das ist Ausprägung des so genannten „Dispositionsgrundsatzes“. Da man sich im Zivilrecht grundsätzlich aussuchen kann, ob man (zum Beispiel durch Vertrag) eigene Rechte begründet, kann man spiegelbildlich auch im Prozessrecht wählen, ob man seine Rechte geltend macht, man wird dazu nicht gezwungen.

U kann aber auch dem Streitverkünder D im Rechtsstreit beitreten. Für U gelten dann die Regeln zur Nebenintervention. Er muss also den Rechtsstreit so annehmen, wie er sich in der Zeit seines Beitritts befindet. Zwar kann U Verteidigungsmittel geltend machen, aber seine Handlungen dürfen nicht in Widerspruch zu denen der Hauptpartei (D) stehen (§ 74 ZPO).

Der Folgeprozess

Im Rahmen der Streitverkündung spricht man von einem Vorprozess und einem Folgeprozess. Der Vorprozess ist der Gerichtsstreit, in dem die Hauptpartei den Streit verkündet. Im Beispiel ist das der Rechtsstreit zwischen dem Auftraggeber A und dem Dienstleister D. Der Folgeprozess ist der Gerichtsstreit, der den Streitverkündeten (Im Beispiel: U) selbst betrifft. Die größte Bedeutung hat eine Streitintervention im Hinblick auf einen Folgeprozess: Wenn D dem U den Streit verkündet, kann sich U entsprechend § 68 der ZPO nicht mehr darauf berufen, dass der Vorprozess falsch entschieden wurde. Wird also im Vorprozess festgestellt, dass eine Leistung falsch erbracht wurde, dann gilt diese Feststellung auch für einen späteren Prozess zwischen D und U.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Kostenerstattungsanspruch

Kostenerstattungsanspruch

Das Wort „Kostenerstattungsanspruch“ ist ein juristischer Begriff. Definiert ist der Begriff des Anspruchs in § 194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Demnach ist der Anspruch ein Recht, von jemandem ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.

Anspruchsarten

Unterscheidung nach Anspruchsgrundlage

Es gibt verschiedene Arten von Ansprüchen. Einige Ansprüche haben einen Vertrag als Grundlage (vertragliche Ansprüche). So verhält es sich zum Beispiel mit dem Anspruch eines Käufers auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache. Andere Ansprüche bestehen, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind (außervertragliche / gesetzliche Ansprüche). Beispiel: Der Eigentümer hat einen Anspruch darauf, dass ihm der Besitzer seine Sache herausgibt.

Unterscheidung nach Anspruchsinhalt

Neben der Unterscheidung zwischen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüchen kann auch danach unterschieden werden, worauf ein Anspruch konkret gerichtet ist, also nach dem Anspruchsinhalt. Der oben genannte Anspruch des Eigentümers ist darauf gerichtet, den Besitz an einer Sache zu erlangen (Besitzverschaffungsanspruch). Andere Ansprüche sind auf eine Geldzahlung gerichtet (Zahlungsanspruch). Kostenerstattungsansprüche sind darauf gerichtet, entstandene Kosten ersetzt zu bekommen. Das können einerseits Kosten sein, die freiwillig geleistet werden („freiwilliges Vermögensopfer“, „Aufwendung“), andererseits können es Kosten sein, die ungewollt entstehen („unfreiwilliges Vermögensopfer“, „Schaden“).

Handelt es sich bei den Kosten, um die es im Rahmen des Anspruchs geht, um Aufwendungen, also um freiwillig übernommene Kosten, spricht man von einem Aufwendungsersatzanspruch. Bei unfreiwillig entstandenen Kosten (Schäden) spricht man von einem Schadensersatzanspruch.

Materieller Kostenerstattungsanspruch

Juristen unterscheiden außerdem zwischen zwei verschiedenen Arten von Kostenerstattungsansprüchen, nämlich zwischen materiellen und prozessualen Kostenerstattungsansprüchen.

Materielle Ansprüche sind Ansprüche, die im einfachen Privatrecht wurzeln, das die Rechtsverhältnisse privater Personen zueinander regelt. Erstes Beispiel: Der Mieter einer Wohnung bemerkt, dass dringend Reparaturen nötig sind, weil die Wohnung sonst beschädigt wird. Weil er den Eigentümer nicht erreichen kann, ruft er selbst einen Handwerker, und verlangt später von dem Eigentümer der Wohnung die Handwerkerkosten zurück (Ein Anspruch aus „Geschäft ohne Auftrag“). Zweites Beispiel: Der Unfallgeschädigte verlangt vom Unfallverursacher die Reparaturkosten für sein beschädigtes Fahrzeug und den Ersatz der Mietwagenkosten, die entstanden sind, weil er sein Fahrzeug nicht nutzen konnte („deliktischer Anspruch“). Drittes Beispiel: Die vielfach gefürchteten Abmahnungen. Wer jemanden abmahnt, der fordert ihn dazu auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben, und die Kosten für die Erstellung dieses Schreibens zu ersetzen. Eine berechtigte Abmahnung hat regelmäßig einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Abgemahnten zur Folge.

Prozessualer Kostenerstattungsanspruch

Prozessuale Ansprüche sind solche, die sich aus Verfahrensvorschriften ergeben. Dazu gehören vor allem Ansprüche auf Grundlage der Zivilprozessordnung (ZPO). Im Zivilprozess können Privatpersonen ihre eigenen Rechte mit staatlichem Zwang durchsetzen lassen. Das heißt grob: Jemand mit einem Anspruch geht vor Gericht, holt sich dort ein Urteil, und lässt es vom Gerichtsvollzieher vollstrecken. Bei der Erwirkung eines Urteils fallen allerdings immer Kosten an: Rechtsverfolgungskosten oder Rechtsverteidigungskosten. Dazu gehören vor allem verauslagte Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten (vor allem die Rechtsanwaltsvergütung).

Wer zahlt die Rechtsdurchsetzungskosten?

In § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO findet sich folgende Regelung:

Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten [Kostenerstattungsanspruch!], soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

Die Regelung trifft also vereinfacht gesagt folgende Aussage: Wer verliert, zahlt die Prozesskosten. Dabei ist „Verlieren“ nicht gleich „Verlieren“: Wer zu 100% unterliegt, trägt grundsätzlich alle Kosten. Wer zu 80% unterliegt, trägt 80% der Kosten, 20% trägt dann die Gegenseite. Die Anwaltskosten der Gegenseite trägt eine unterliegende Partei allerdings nur insoweit, als sie nicht über die gesetzlichen Regelsätze im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hinausgehen. In anderen Gerichtsbarkeiten gelten teilweise abweichende Vorschriften.

Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin

Prognoserisiko

Prognoserisiko

Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff „Prognoserisiko“ nichts Anderes als „das Risiko, mit seiner Vorhersage falsch zu liegen“.

Das Prognoserisiko in der Wirtschaft

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Prognoserisiken eines Unternehmers. Er muss ständig zukünftige Geschehnisse vorhersagen, die für ihn mit finanziellen Risiken behaftet sind: Wie viele Produkte muss ich anfertigen? Würde sich ein Investitionskredit für mich lohnen? Wie viele Arbeiter muss ich dafür einstellen? Lohnt sich eine Investition im Ausland?

Liegt der Unternehmer mit seinen Einschätzungen falsch, dann verwirklicht sich das Prognoserisiko. Das bedeutet regelmäßig, dass er kostbare Ressourcen verschwendet, und nicht den optimalen Nutzen aus seinen Möglichkeiten zieht. Fertigt er zu viele Produkte an, dann hat er höhere Kosten. Fertigt er zu wenige an, dann hätte er mehr Einnahmen erzielen können. Stellt er zu viele Arbeiter ein, ist der Betrieb zu unproduktiv, und stellt er zu wenige ein, kann er nicht genug produzieren.

Der Begriff des Prognoserisikos ist daher essentiell für die Wirtschaft, und Prognosen müssen möglichst präzise getroffen werden, wenn das damit verbundene Risiko hoch ist.

Schadensersatz beim Unfall

Ein Prognoserisiko kann es auch im Rahmen von Verkehrsunfällen geben. Wer im Rahmen eines Verkehrsunfalls geschädigt wird, hat gegen den Unfallverursacher einen Schadensersatzanspruch. Er kann also von diesem Schädiger verlangen, dass er ihn so stellt, als wäre der Unfall nie passiert (Naturalrestitution). Das heißt vor allem, dass er Reparaturkosten, Gutachterkosten, Mietwagenkosten und weitere Schadenspositionen ersetzt bekommen kann. Der Schadensersatzanspruch ist aber nicht grenzenlos. Geschädigte sollen durch den Schadensersatz nicht bessergestellt werden als vorher (schadensrechtliches Bereicherungsverbot). Sie dürfen außerdem nicht die Kosten explodieren lassen, um dem Schädiger „eine reinzuwürgen“, sondern müssen sich bei der Schadensbehebung wirtschaftlich vernünftig verhalten (Wirtschaftlichkeitsgebot). Die Reparaturkosten bekommt der Geschädigte deshalb nur dann ersetzt, wenn sie noch wirtschaftlich sinnvoll sind. Würde es deutlich mehr kosten, das Fahrzeug wieder in Stand zu setzen, als sich ein neues zu beschaffen, dann muss sich der Geschädigte ein neues Fahrzeug beschaffen, oder einen Teil der Reparaturkosten selbst tragen.

Wo ist das Problem?

Ein Laie muss sich nach dem Verkehrsunfall folgende Frage stellen: „Kann ich das Auto reparieren, oder trage ich dann die Kosten?“ – Als Laie kann er aber selbstverständlich nicht mit eigenen Augen einschätzen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, ein Fahrzeug noch zu reparieren, oder sich ein neues Fahrzeug zu beschaffen. Das Risiko, dass das die gewählte Art der Schadensbeseitigung (Reparatur) unwirtschaftlich ist, trägt grundsätzlich der Unfallgeschädigte. Aber das gilt nicht ausnahmslos.

Der Geschädigte kann nämlich auch die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur durch ein Gutachten eines Kfz-Sachverständigen herausfinden. Ein gut ausgebildeter Sachverständiger kann eine Einschätzung dazu abgeben, wie viel eine Reparatur kostet, und ob sich eine Reparatur noch in einem angemessenen Rahmen befindet.

Wann ist eine Reparatur wirtschaftlich angemessen?

Liegen die Reparaturkosten zusammen mit dem merkantilen Minderwert 130% unter dem Wiederbeschaffungswert, dann sind sie ersatzfähig (siehe hierzu auch „130%-Grenze“).

Was, wenn unwirtschaftlich repariert wird?

Im Rahmen unwirtschaftlicher Reparaturen sind verschiedene Fehlerquellen zu unterscheiden:

  1. Fehler des Sachverständigen
  2. Fehler der Werkstatt
  3. Falsche Angaben des Unfallgeschädigten gegenüber dem Sachverständigen
  4. Auswahl des falschen Sachverständigen oder Überwachungsverschulden

Fehler des Sachverständigen

Wenn sich der Sachverständige sich irrt, und die Reparaturkosten höher sind, geht das Prognoserisiko zu Lasten des Schädigers. Das heißt: Wenn der Geschädigte im Gutachten einen Reparaturwert prognostiziert (der Sachverständige irrt sich aber), und der Geschädigte auf dieser Grundlage das Fahrzeug in Reparatur gibt, muss der Schädiger trotzdem den vollen Betrag zahlen, wenn die Reparatur diesen Betrag übersteigt. Das gilt auch für andere Fehleinschätzungen des Sachverständigen (Wiederbeschaffung dauert länger, Reparatur dauert länger, Preis für ein Ersatzfahrzeug ist höher als der ermittelte Wiederbeschaffungswert). Der Geschädigte darf sich also grundsätzlich auf die Angaben eines Sachverständigen verlassen.

Eigentlich wären die Reparaturkosten also nicht ersatzfähig gewesen – aber dieses Prognoserisiko trägt bei Vorliegen eines Gutachtens regelmäßig der Unfallverursacher, nicht der Geschädigte. Nachlesen lässt sich das in einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 11.10.2000 und in einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 15.10.1991 (>>>hier verfügbar<<<).

Fehler der Werkstätten

Mit den Fehlern der Werkstatt verhält es sich wie mit denen des Sachverständigen: Wenn bei der Reparatur Mehrkosten entstehen, ohne dass der Geschädigte das verschuldet hat, trägt das Risiko dafür der Schädiger. Er muss also dem Geschädigten sogar dann den kompletten Betrag zahlen, wenn die Reparatur teurer wird. Das gilt sogar dann, wenn die Werkstätten und Sachverständigen den Fehler zu verantworten haben (Fehler bei der Untersuchung des Fahrzeugs, Fehler bei der Reparatur). Werkstätten und Sachverständige sind nämlich keine Erfüllungsgehilfen des Geschädigten. Ein Verschulden der Werkstätten und Sachverständigen kann einem Geschädigten deshalb nicht zugerechnet werden.

Eigenes Verschulden des Geschädigten

Ausnahmsweise kann den Geschädigten dann das Prognoserisiko treffen, wenn ihn selbst ein eigenes Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft. Beispiel: Er beauftragt jemanden, der erkennbar zur Erstellung eines Gutachtens nicht geeignet ist, oder bemerkt, dass der Sachverständige oder die Werkstatt grobe Fehler anstellt, ignoriert das aber. Mit der Beauftragung eines besonders qualifizierten Sachverständigen kann sich der Geschädigte dahingehend absichern. Wie mit der Auswahl des Sachverständigen verhält es sich auch mit falschen Angaben des Geschädigten gegenüber der Werkstatt oder dem Sachverständigen: Wenn eigenes Verschulden des Geschädigten zu den Mehrkosten führt, trägt er das Prognoserisiko. Wenn laut Gutachten die Reparaturkosten über der 130%-Grenze liegen, trägt er ebenfalls das Risiko.

Sollte man also blind auf ein Gutachten vertrauen?

Grundsätzlich darf man als Unfallgeschädigter auf das Gutachten eines Sachverständigen vertrauen, es sei denn, ein gravierender Fehler hätte auch einem Laien auffallen müssen. Einer solcher Fall ist uns nicht bekannt, so dass man als Unfallgeschädigter vom Gutachten des Sachverständigen „geschützt“ wird. Das ist einer der großen Vorteile, einen unabhängigen Sachverständigen zu beauftragen.

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Umut Schleyer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin